Praxishygiene im Spannungsfeld von Regelwerken und Praxisbegehungen
Hierbei wird auf zwei RKI-Regelwerke (Robert Koch-Institut) Bezug genommen:
1. die Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ von 2001 und
2. die Empfehlung „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die Hygiene“ von 2006.
Das Problem: Beide Empfehlungen sind nicht in allen Punkten deckungsgleich. Während das RKI 2001 Medizinprodukte kritisch B (wie rotierende oder oszillierende Instrumente und Übertragungsinstrumente für chirurgische, parodontologische oder endodontische Behandlungen) ausschließlich maschinell durch thermische Reinigung und Desinfektion aufbereitet sehen will, sieht das RKI 2006 durchaus auch eine manuelle Aufbereitung mit geeigneten Reinigungs- und Desinfektionsmitteln vor.
Für welches Verfahren sich die jeweiligen Behördenvertreter entscheiden und warum, erschließt sich dem Betrachter nicht ohne Weiteres. Wird jedoch die manuelle nasschemische Aufbereitung toleriert, stellt sich schon ein neues Problem: welches Leistungsspektrum müssen nasschemische Instrumentendesinfektionsverfahren erfüllen?
RKI 2001:„Die verwendeten Desinfektionsverfahren müssen nachweislich bakterizid, fungizid und viruzid sein (Wirkungsbereich AB gemäß der jeweils gültigen RKIListe)“. 2006 lautet die Forderung des RKI wie 2001, allerdings ohne ausdrücklichen Bezug auf die RKI-Liste. Man hatte beim RKI zwischenzeitlich wohl eingesehen, dass es bei der Instrumentenaufbereitung in einer Zahnarztpraxis sich nicht um die Bekämpfung eines Seuchenfalles handelt; denn hierauf beziehen sich die Leistungskriterien, die Instrumentendesinfektionsverfahren zur Aufnahme in die RKI-Liste erfüllen müssen.
Bereits 2004 hatte das RKI in seiner Stellungnahme „Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren“ neue Begriffe übernommen. Es hatte sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass sich behüllte Viren von unbehüllten Viren hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit gegen Desinfektionsmittel unterscheiden lassen. Entsprechend wurden die Desinfektionsmittel klassifiziert:
Ein Desinfektionsmittel, das nur gegen behüllte Viren (wie HBV, HCV, HIV) wirksam ist, wurde als „begrenzt viruzid“ eingestuft. Ist es zusätzlich gegen unbehüllte Viren (so Noroviren, Polioviren) wirksam, wurde es als „viruzid“ eingestuft. Warum diese Differenzierung 2006 nicht übernommen wurde, kann nur das RKI beantworten.
2004 wurden Beispiele für drei Anwendungsgebiete genannt:
Für die Desinfektion von Instrumenten bezog man sich auf die Forderung von 2001, nur Präparate mit viruzider Wirksamkeit zuzulassen, aber nur, wenn nach der „abschließenden Instrumentendesinfektion“ keine Sterilisation erfolgt. Dass nach einer manuellen nasschemischen Reinigung und Desinfektion anschließend immer eine Sterilisation zu erfolgen hat (semikritische Medizinprodukte unverpackt, kritische Medizinprodukte verpackt), muss wohl übersehen worden sein. Es könnte natürlich im Umkehrschluss gefolgert werden: da anschließend immer eine Sterilisation erfolgt, reichen für den Desinfektionsvorgang auch begrenzt viruzide Präparate aus.
Für die Händedesinfektion wurde postuliert, dass wegen des möglichen Kontaktes mit Blut und Körperflüssigkeiten der Schutz vor behüllten Viren wie HBV oder HCV im Vordergrund stehe, so dass hierfür Desinfektionsmittel mit begrenzter Viruzidie ausreichend seien. Für die Flächendesinfektion sollte entsprechend eines „relevanten Erregerspektrums“ über die Anforderung an das Desinfektionsmittel geurteilt werden. Hier soll also der Zahnarzt nach mikrobiologischer Analyse selbst entscheiden.
Was nun hinsichtlich der Viruswirksamkeit von Desinfektionsmitteln in der Zahnarztpraxis wirklich zu gelten hat, werden wohl auch hier die Vertreter der Aufsichtsbehörden bestimmen. Gegen die Entscheidung, Medizinprodukte kritisch B nur maschinell im RDG (zum Beispiel Thermodesinfektor) aufzubereiten, wird der betroffene Zahnarzt sich kaum wehren können, dank der unklaren Regelwerke und dank der Länderhoheit in Fragen des Infektionsschutzes.
Was die Problematik von Instrumentendesinfektionsmitteln hinsichtlich der Frage der Viruswirksamkeit betrifft, gibt es für den Zahnarzt eine einfache Lösung: beschaffen Sie sich Desinfektionsmittel mit viruzider Wirkung. Sie können im Nachhinein immer noch entscheiden, ob sie es viruzid oder begrenzt viruzid einsetzen wollen. Dies ist nämlich eine Frage der Konzentration und Einwirkzeit, vorausgesetzt, der Hersteller lobt beide Qualifikationen aus.
Detaillierte Auskünfte zu dieser Thematik sowie zu allen relevanten Fragen über Desinfektionsmittel gibt die 10. Ausgabe des Dental Vademekums (Das Dental Vademekum – DDV, Deutscher Zahnärzte Verlag, Köln 2009, ISBN-Nr. 978-3-7691-3402-5, siehe Abbildung).
Im Dental Vademekum findet der Zahnarzt – aber auch der Zahntechniker – Informationen zu mehr als 8 000 Dentalprodukten. Zur Praxishygiene sind unter anderem die Präparate zur Hände-, Instrumenten- und Flächendesinfektion enthalten, aber zum Beispiel auch Schutzhandschuhe oder Mund-Nasenschutz.
Prof. Dr. Klaus H. Bößmann(Vorsitzender der WissenschaftlichenKommission DDV)Wehdenweg 5, 24148 Kielboesconsult@yahoo.de