Brückenschlag von Brüssel nach Berlin
„Es ist der Patient, der allen Unkenrufen zum Trotz im Mittelpunkt der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung steht. Dies lässt sich sowohl aus nationaler als auch auf europäischer Ebene an aktuellen
Entwicklungen belegen,“ erklärte der Präsident der BZÄK, Dr. Peter Engel, zur Eröffnung des Europatages in Berlin, der in der Hörsaalruine des Medizinhistorischen Museums ein außergewöhnliches Ambiente fand. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa rücke die Politik das Thema in den Fokus, wie die Diskussionen um ein nationales Patientenrechtegesetz und um die Entwicklung einer EU-Richtlinie über Patientenrechte bei grenzüberschreitender
Versorgung zeigten. Es möge dabei nicht leicht fallen, Brüssel auch in diesem Bereich als Akteur der Gesundheitspolitik zu sehen. Dennoch schaffe eine grenzüberschreitende Mobilität Sachverhalte, denen sich auch der zahnärztliche Berufsstand stellen müsse. Engel wörtlich: „Die jüngsten Entwicklungen haben unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag in den Praxen und das Verhältnis zwischen Zahnarzt und Patient.“
Prof. Dr. Winfried Boecken, Konstanz, arbeitete in seinem Impulsreferat juristisch fundiert den Sachstand bezüglich zweier Handlungsfelder heraus: die geplante EU-Richtlinie über Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung und die Diskussion um europaweit vergleichbare Qualitätsstandards auf Basis eines Reflexionspapiers. Die Themen wurden anschließend in zwei Expertenpanels vertieft.
Patient im Fokus
Block eins, moderiert vom Leiter des ZDF-Studios Brüssel, Udo von Kampen, stellte die Rechte der Patienten in den Fokus. „Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient darf nicht durch juristische Klauseln verkompliziert werden“, unterstrich der BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich. Sinnvoll sei ein klarer, nachvollziehbarer Rechtsrahmen, der aber nicht zu Überregulierung führen dürfe. Die Chance zur Selbstregulierung, etwa durch Kammern, „sollte genutzt werden“. Es gelte, die Interessen des Berufsstands und des Allgemeinwohls in Einklang zu bringen. Diese Position untermauerte auch der Präsident des Council of European Dentists (CED), Dr. Wolfgang Doneus. Die geplante EU-Richtlinie müsse das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient unangetastet lassen, auch grenzüberschreitend, betonte er.
Dietrich Monstadt, MdB (CDU), Mitglied im Bundestags-Gesundheitsausschuss, verwies auf das in Deutschland geplante Patientenrechtegesetz. Seiner Meinung nach sei keine weitere Bürokratie notwendig, es sei aber richtig, die Informationsmöglichkeiten für die Patienten per Gesetz zu bündeln, um ihnen mehr Orientierung zu bieten. Die Eckpunkte dafür würden bis Ende des Jahres stehen. Auf die Rolle der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) verwies Gregor Bornes, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -initiativen (BAGP). Er unterstützte die Pläne, Patientenrechte zu vereinheitlichen, und sprach sich dafür aus, Qualitätsstandards enger zu definieren.
Die Rolle der Qualität
Um den Zusammenhang von Patientenschutz und Qualitätssicherung drehten sich die Diskussionen im zweiten Panel, der von der Fachjournalistin für Gesundheits- und Sozialpolitik Petra Spielberg moderiert wurde. Dr. Michael Frank, Vizepräsident der BZÄK, zeigte sich gegenüber Qualitätsstandards kritisch: Die Gesundheitssysteme in Europa seien sehr unterschiedlich. Wolle man hier Vereinheitlichungen schaffen, führe das in manchen Ländern zwar zur Niveauanhebung. Andererseits müsse dann in anderen Ländern – wie etwa in Deutschland – das Level gesenkt werden. Er sprach sich dafür aus, nationale Hoheiten zu belassen: „Der Arzt muss weiterhin die Möglichkeit haben, den Patienten individuell zu therapieren.“
Katja Neubauer von der EU-Kommision, Generaldirektion Gesundheit, erklärte dazu: „Wir wollen kein Mittelmaß.“ Vielmehr gehees der Kommission in der Qualitätsdebatte darum, zu analysieren, welche Qualitätssicherungs-Strategien die Staaten an den Tag legen, um sodann Handlungsoptionen vorzuschlagen. Auch Qualitätsindikatoren spielten dabei eine Rolle.
Den mündigen Patienten aufzubauen, sei sehr schwer, betonte Dr. Jorgo Chatzimarkakis, MdEP (FDP), stellvertretendes Mitglied im EP-Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. In den EU-Diskussionen gehe es um Mindeststandards in der Therapie, dafür lohne es sich zu kämpfen. Die wissenschaftliche Sicht brachte Prof. Dr. Reiner Biffar, Universität Greifswald, ein: „Wer Standards haben will, muss auch Evidenz schaffen.“ Das sei aber gerade in der Zahnmedizin sehr schwer, hier erwiesen sich best-practice-Modelle als zielführender.
Komplexe Materie
„Europarecht ist kompliziert“ – so lautete das Resümee von Prof. Dr. Burkhardt Tiemann, katholische Hochschule für Sozialwesen NRW. Es bestehe die Gefahr, dass sozusagen „durch die Hintertür“ das Subsidiaritätsprinzip ausgehebelt werde. Verbraucherschutz definiere sich als Querschnittsaufgabe, bei der auch die Heilberufe stark gefordert seien. Und: „Bei der Verbesserung der Patientenberatung und -information dienen die Kammern als Sachwalter mit Mediationsfunktion.“