Einblicke in Gender-Dentistry
Klingenberger erläuterte den Gästen in der Kaiserin-Friedrich-Stiftung in Berlin anschaulich, welche Unterschiede es in der Praxisführung zwischen Zahnärztinnen und Zahnärzten gibt. Das beginne etwa beim Investitionsverhalten. Auffällig sei, dass Zahnärztinnen – anders als Zahnärzte – nach Erreichen einer Konsolidierungsphase seltener in eine Praxiserweiterung investierten. Offenbar neigten sie eher dazu, den Status auf einem gleich bleibenden Niveau zu halten.
Zahnärztinnen agierten im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen „eher bestandswahrend“, schlussfolgerte Klingenberger. Dagegen verhielten sich Zahnärzte – in Bezug auf ihr unternehmerisches Handeln – tendenziell expansiver. Gleichzeitig seien sie zudem eher bereit, finanzielle Risiken einzugehen.
Unterschiede beim Einkommenssaldo
Bemerkenswert: Das Einkommenssaldo bei Spezialisierungen liege bei Zahnärztinnen deutlich unter dem der Zahnärzte. So erreichten neu niedergelassene Zahnärztinnen beim Arbeitsschwerpunkt Kinderzahnheilkunde lediglich 36 Prozent des Einkommenssaldos von Zahnärzten. Beim Arbeitsschwerpunkt Prothetik seien es 48 Prozent und bei Prophylaxe 65 Prozent. Auch neigten Zahnärztinnen tendenziell zu weniger lukrativen Arbeitsschwerpunkten. Hinsichtlich des Personals seien die Praxen von Zahnärztinnen nicht geringer ausgestattet als die von Zahnärzten – allerdings zeige sich bei Zahnärztinnen eine höhere Personalfluktuation. (58,6 Prozent gegenüber 36,7 Prozent bei Zahnärzten im Zeitraum 2002 bis 2004).
Klingenberger warnte: „Eine hohe Personalfluktuation ist Gift für den Praxisumsatz!“ Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass Zahnärztinnen – bei nahezu identischen Arbeitszeiten – eine geringere Scheinzahl aufwiesen. Dies, so die Erklärung von Klingenberger, sei möglicherweise auch die Konsequenz einer zeitaufwändigeren Patientenberatung und -behandlung.
Ein Fazit des Symposiums: Die Frage, ob sich auch die Zahnmedizin mit geschlechter- bezogenen Aspekten befassen muss, kann mit einem klaren Ja beantwortet werden. Die Bewertung von Geschlechterunterschieden habe sich in der Medizin von “vornehmer Ignoranz“ zu einer ernst zu nehmenden Fragestellung gewandelt, so die Einschätzung von Dr. Sebastian Ziller, Abteilungsleiter Prävention und Gesundheitsförderung bei der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Er erläuterte die Situation im Bereich der Karies. Die DMS IV zeige, dass man den Ursachen für eine höhere Kariesprävalenz bei Mädchen (ab 15 Jahre) und Frauen aller Altersklassen im Vergleich zu gleichaltrigen Jungen/Männern trotz besserer Mundhygiene, regelmäßigeren zahnärztlichen Kontrollbesuchen und einem besseren Versorgungsgrad gezielter nachgehen muss. Möglicherweise spielten bei den Frauen hormonelle Einflüsse in Bezug auf die kariesprotektive Wirkung des Speichels eine hemmende Rolle. Auch Faktoren wie Bildungsgrad und Einkommen sowie der häufigere Gebrauch von Psychopharmaka beeinflussten möglicherweise die Krankheitslast. Andererseits seien es die Männer, die mehr Wurzelkaries aufweisen – vermutlich bedingt durch eine höhere Belastung durch schwere Parodontitiden. In der Diskussion ergab sich zudem, dass auch Unterschiede bei Frauen und Männern hinsichtlich der Lokalisation der Karies interessant sein könnten. Bereits 1999 habe das IDZ in einer Studie mehr Ursachenforschung eingefordert – diese Forderung sei heute nicht minder aktuell. Der Referent empfahl, geschlechtsspezifische Aspekte in den Curricula zur zahnmedizinischen Aus- und Fortbildung stärker zu berücksichtigen.
Am Rande des Symposiums wurde die „Deutsche Gesellschaft für geschlechterbezogene Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGGZ) gegründet. Die Fachgesellschaft will sich noch in diesem Frühsommer mit einem unabhängigen Portal der Fachöffentlichkeit vorstellen.