Gastkommentar

Spagat gefordert – Unterstützung gefragt

Röslers politischer Spagat zwischen Sparpolitik und dem Ziel, mehr Handlungsfreiheit für die Akteure im Gesundheitswesen zu schaffen, braucht Rückhalt aus politisch durchaus konform denkenden CDU-Kreisen, meint die Berliner Gesundheitspolitik-Fachjournalistin Gisela Broll.

Von Anfang an war Bundesgesundheitsminister Röslers Vorhaben der Einführung einer lohnunabhängigen Gesundheitsprämie mit sozialem Ausgleich mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Während zunehmend die deftigen Auseinandersetzungen mit der CSU für öffentliche Aufmerksamkeit sorgten, war die Führung der größten der regierenden Parteien seltsam still. Nachdem Angela Merkel 2003 auf dem Leipziger Parteitag ad personam durchgesetzt hatte, die CDU auf dieses Ziel einer Prämie festzulegen, hatte sich die Kanzlerin hierbei in den vergangenen Monaten auf die Position des abwartenden Zuschauens zu

rückgezogen. Nun drängt sich in der aktuellen Replik fast der Eindruck auf, als seien Merkel und auch anderen Unionspolitikern während ihrer Regentschaft zu Zeiten der Großen Koalition die Aktivitäten Ulla Schmidts hin zu einem staatlich dominierten Gesundheitssystem sympathischer gewesen als die liberalen Gedankengänge eines Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler.

Vielleicht wäre es nie zu der Passage im Koalitionsvertrag von Union und FDP gekommen, auf die Rösler in der Auseinandersetzung mit der CSU immer wieder rekurrierte, hätte sich die heutige Bundesarbeitsministerin thematisch in 2009 auf dem Sachstand der Gesundheitspolitik der gerade abgewählten Großen Koalition befunden. Ursula von der Leyen, Verhandlungsführerin in Sachen Gesundheit während der Koalitionsverhandlungen in 2009, profilierte sich in der Vergangenheit in der Union als Gesundheitsexpertin, als es noch um die Verteidigung der Gesundheitsprämie ging. Das Beharren der FDP auf einer Prämie während der Koalitionsverhandlungen wird ihr, im Gegensatz zu manchem in der Großen Koalition gesundheitspolitisch sozialisierten Unionspolitiker, nicht nur einleuchtend, sondern auch „nah“ gewesen sein.

Nichts dergleichen kann man über die Unionsspitze sagen. Mit vehementem Nicht-Engagement ließ die Kanzlerin Rösler monatelang die Gesundheitsprämie proklamieren, ohne sich klar zu positionieren. Die Rösler zur Seite gestellte und nach wenigen Sitzungen faktisch eingestellte Regierungskommission konnte nur Hilfestellung leisten, zu komplex und zu verworren – dies unkten die Sachkenner von Beginn an – stellt sich das deutsche Gesundheitssystem für Nichtkundige dar. Ohne Zweifel hat der bundespolitisch unerfahrene Bundesgesundheitsminister Fehler gemacht. Diese waren aber mehr taktischer Natur.

Aber: Rösler versucht Teile seiner Vorstellungen, manchmal auch nur im Kleinen, unterzubringen. Nicht vergessen sollte man, dass er nach wie vor in einem jahrelang von Ulla Schmidt geformten Haus versucht, einer dort etablierten „Denkschule“ völlig entgegengesetzte Vorstellungen zu vermitteln. Nicht vergessen sollte man, dass CSU-Politiker immer wieder den liberalen Koalitionspartner wie einen oppositionellen Kontrahenten behandeln. Nicht vergessen sollte man, dass Rösler in großpolitische Sachzwänge eingebunden ist, die seine politische Führungsspitze sogar dazu veranlasste, über Nacht für die Stabilität des Euro einst eingeführte Schutzregeln zu dessen Stabilisierung faktisch außer Kraft zu setzen.

Der seltsame politische Spagat, einerseits beim Sparen viele Grundüberzeugungen zunächst preiszugeben oder „aufzuschieben“, andererseits mehr Wettbewerb und Handlungsfreiheit für die Akteure zu erreichen, skizziert den Handlungsrahmen Röslers. Das im Koalitionskompromiss vereinbarte Sparpaket von vier Milliarden Euro könnte noch zu erheblichen Friktionen, auch im ärztlichen Bereich führen. Bei der Bewertung von Röslers Politik sollte man aber vor allem in Richtung Union und dort auf die Regierenden der großen Schwesterpartei schauen, denn seitens der CDU-Gesundheitspolitiker gehen viele mit Röslers Politik konform. Merke: Ohne Unterstützung „der Großen“ schaffen es nun mal „die Kleinen“ nicht.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.