Leitartikel

Strammer Methusalem

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Hundert! Ein strammes, ach was, ein biblisches Alter für einen Vertreter der Spezies Fachzeitschrift. Umso unglaublicher, dass der hochbetagte Jubilar mitnichten als Tattergreis daherkommt, sondern faltenfrei und fit. Gut, er hat ein bisschen zugelegt die letzten Jahre, ein paar Seiten mehr sind es schon geworden. Aber was da aufträgt, ist weniger Anzeigenfett als neues redaktionelles Muskelfleisch. Für den Betriebsarzt gibt es da nicht viel zu meckern. Man muss ja was zuzusetzen haben.

Aber auch für den guten Zustand der zm gilt: Von nichts kommt nichts. Das harte Training der letzten Jahre, so scheint es, hat sich ausgezahlt. Dass zum vierzehntägigen Stemmen des Printheftes seit geraumer Zeit Klimmzüge für die Online-Präsenz und einen Newsletter sowie cross-mediale Einheiten hinzugekommen sind, macht eine gute Figur.

Und der Umzug der Redaktion aus der Kölner Bucht ins gesundheitspolitische Reizklima der Hauptstadt im vergangenen Jahr war ein klarer Präventionserfolg: Die Berliner Luft hat nicht nur ihren besonderen Duft, sie beugt auch bestens Nachrichtenarmut und Meinungsschwäche vor.

Also alles gut? Natürlich gibt es auch Buhrufe der Neider von den hinteren Bänken. Nörgeleien, die zm seien ja der gepäppelte Zögling der Berufspolitik, immer protegiert und beizeiten gedopt im Rennen um die Aufmerksamkeit der Leser in der der dentalen Fachwelt. Doch haben die Nörgler wirklich nachgedacht? Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen journalistische Unabhängigkeit ein teures Gut ist, können die zm redaktionell selbstbewussten Qualitätsjournalismus liefern. Sie können auf der Nachrichtenbahn ihre steten Runden ziehen, ohne sich die Laufschuhe von der Industrie sponsern lassen zu müssen.

Also doch alles gut. Heute zumindest, aber was ist mit morgen? Das Rennen von morgen ist noch nicht gelaufen. Schon kommen aus allen Ecken die „personal trainer“ und prophezeien, dass der Mediensport in Zukunft ganz anders aussehen wird als wir ihn gewohnt sind. Vom Verschwinden der traditionellen Unterscheidung zwischen Redaktion und Leserschaft, zwischen Produzent und Konsument journalistischer Produkte reden sie.

Die interaktive Kommunikation über Mediaplattformen und soziale Netzwerke im Internet ist in aller Munde. Und der Glaube an die „peer production“, also die gemeinsame Erarbeitung öffentlich zugänglicher Texte und Wissenspools im Netz durch Armeen fleißiger Online-Ameisen feiert fröhliche Urständ. Tatsächlich nutzen viele von uns das Ergebnis dieser neuen Kulturtechniken schon heute selbstverständlich, wenn sie „wikipedia“ aufrufen.

In der Tat schicken bereits heute Boulevardblätter ihre Leser als Berichterstatter oder Handy-Bildreporter ins Rennen, binden sie damit ans Blatt und sparen auch noch Geld. Und in der Tat kann in den Weiten des World Wide Web schon heute jeder, unbelastet von Anspruch oder Talent, sein eigener Verleger werden und bloggen, bis die Schwarte kracht. Nicht immer ist das Ergebnis beeindruckend.

Bedeuten diese Trends nun das Ende der Medien- und Zeitschriftenwelt, wie wir sie kennen? Und wenn ja, was wird aus den zm? Ich bin sicher, sie bleiben im Rennen. Sie werden ihr Training immer wieder an die neuen Spielregeln und Wettkampfbedingungen anpassen müssen, damit sie ihre Spannkraft nicht verlieren und in der Spitzengruppe bleiben. Sie werden ihre äußere Gestalt ändern, multimedial sein. Aber ihr kräftiges Sportlerherz wird sicher weiterschlagen für eine hochwertige, kritische Berichterstattung – aus der Hand von gelernten Journalisten.

Und noch eine Hoffnung habe ich, eine persönliche: dass es auch in Zeiten von Bits und Bytes und iPads weiterhin ein Printheft geben wird, so richtig zum Blättern, aus Papier. Musik muss man hören, eine Rose riechen, eine Zeitung anfassen können. Wir werden sehen, wie es ausgeht. Darüber reden wir dann zum 150. Geburtstag.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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