Vertrauen herstellen
Gerhard R. hat sich mit seiner Zahnarztpraxis vor vier Jahren mit sechs Mitarbeiterinnen selbstständig gemacht. Bei der damaligen Existenzgründung konnte er sich auf die Hilfe seiner Hausbank, der örtlichen Volksbank, voll und ganz verlassen. Neben einem Überziehungskredit auf dem Geschäftskonto über 20 000 Euro stellte sie R. einen Betriebsmittelkredit über 130 000 Euro zur Verfügung. Als Absicherung verpfändete R. ein Investmentkonto mit einem damaligen Wert von 40 000 Euro. Darüber hinaus bürgten seine Eltern für den rest- lichen Kreditbetrag mit 110 000 Euro. Während sich der Geschäftsbetrieb in den ersten drei Jahren zufriedenstellend entwickelte, gibt es seit etwa einem Jahr vor allem bedingt durch die Wirtschaftskrise erhebliche Probleme bei den Privatpatienten. Umsätze und Gewinne gingen seitdem erheblich zurück, so dass R. vor einigen Monaten sogar eine Mitarbeiterin entlassen musste.
Überraschende Entwicklung
Zeitgleich mit dem Beginn dieser Krise gab es Irritationen mit seiner Hausbank, die R. von dieser Seite bisher nicht kennengelernt hatte. So wurde zunächst nicht nur jede Überziehung seines Praxiskontos über das Kreditlimit hinaus nicht mehr zugelassen, es wurden sogar Lastschriften kommentarlos nicht eingelöst. Eine mündliche Kommu- nikation, die allerdings auch vorher schon weder von R. selbst noch von seiner Bank gepflegt wurde, fand zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr statt. So erfuhr R. erst nach langem Hin und Her, dass der für ihn zuständige Kreditberater „schon längst nicht
mehr für diese Kundengruppe zuständig sei“. Die Situation eskalierte dann vor einigen Monaten, als der nun für R. verantwortliche Bankmitarbeiter ihm mitteilte, dass seine Kreditakte nun von der sogenannten „Kreditüberwachung“ bearbeitet werde. Damit, wurde R. weiter mitgeteilt, „liegt die weitere Vorgehensweise auf einer anderen Entscheidungsebene“. Etwa zur gleichen Zeit versuchte R., eine zusätzliche Bürgschaft bei einer öffentlichen Förderbank zu bekommen. Da auch hier die Hausbank eingeschaltet werden musste, blieb es bei dem Versuch. Diese erklärte sich außerstande, „ein weiteres Kreditvorhaben zu begleiten“.
Daraufhin erkundigte sich R. bei zwei weiteren Bankinstituten vor Ort, ob diese sich an der Beantragung dieser Bürgschaft eventuell beteiligen würden. Nach einer jeweils relativ kurzen Prüfung der Kreditwürdigkeit von R. gab es allerdings auch hier Absagen.
R. blieb daraufhin nichts anderes übrig, als sich exakt im Rahmen seiner mit der Hausbank getroffenen Vereinbarungen zu bewegen. Das hieß im Klartext: keinerlei Überziehung über das Kreditlimit des Praxiskredits hinaus und absolute Vertragstreue bei der Zahlung der Zins- und Tilgungsraten des Darlehens.
Bankoffensive
Nachdem einige Monate nichts Wesent- liches passierte, kommt nunmehr Bewegung in die Angelegenheit. Ein Mitarbeiter der Bank bat R. telefonisch um ein Gespräch, in dem über „sämtliche Aspekte der Geschäftsverbindung“ geredet werden soll. R. bat nach Rücksprache mit seinem Steuerberater im Anschluss an dieses Gespräch um ein Schreiben, in dem die vom Bankmit- arbeiter avisierten Gesprächsschwerpunkte konkretisiert werden sollten. Dieses Schreiben liegt nun vor und geht sehr ins Detail. So wird dort um Liquiditäts- und Rentabilitätsberechnungen der Praxis für die kommenden drei Jahre ebenso gebeten wie um eine möglichst detaillierte Standortanalyse. Darüber hinaus bietet die Bank ihrerseits ausführliche Informationen über die aktuelle Kreditbeurteilung von R. an, genauso wie eine Offenlegung der bankinternen Bewertung sämtlicher Kreditsicherheiten.
Insgesamt begrüßt R. diese „Informationsoffensive“ seines Kreditinstituts, die er bisher – wie erwähnt – nicht gewohnt war. Nach einem ersten Gedankenaustausch mit seinem Steuerberater steht für R. fest, dass dieser an dem bevorstehenden Gespräch teilnehmen wird. Aufgrund der komplexen steuerlichen Hintergründe, etwa der Bewertung des Praxisvermögens sowie anderer Bilanzpositionen, benötigt R. dort seine Kompetenz. Davon hat er die Bank auch bereits in Kenntnis gesetzt.
Weites Spektrum
Weitere wichtige Gesprächspunkte sind die Entwicklung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen des vergangenen Jahres sowie die zukünftige betriebswirtschaftliche Begleitung durch seine Hausbank. Gerade in diesem Punkt verspricht sich der Zahnarzt einiges an Fortschritten, da er erkannt hat, dass die zurückliegenden Monate nicht nur für seine eigene Praxis, sondern auch für die Bankenlandschaft insgesamt zu erheblichen Verwerfungen geführt haben und sich gegenseitiges Vertrauen oftmals erst wieder herausbilden muss.
Dieser Fall, der zweifellos keine Ausnahme darstellt, zeigt einmal mehr deutlich, dass sich die Verhaltensweisen beider Geschäftspartner offensichtlich immer noch am Zeitraum vor der Finanzkrise orientierten. Hier wurde mangelnde Kommunikation – je nach Intensität der Verbindung – durch eine für Bank und Kunde meist zufriedenstellende geschäftliche Entwicklung mehr oder weniger „kompensiert“. Dies ist in heutiger Zeit für beide Seiten nicht mehr zielführend.
Michael Vettervetter-finanz@t-online.de