Zur wissenschaftlichen Effizienz von Nano-Hydroxylapatit in Zahnpasten
Substanzverluste durch Karies oder Erosion würden repariert, gleichzeitig würde auch die Bildung bakterieller Plaque erschwert – so die Versprechungen der Hersteller. Insgesamt sollen durch den Zusatz solcher Nanokristalle unter anderem folgende Wirkungen erzielt werden: Schutz vor Karies, Parodontitis und Erosionen, nachhaltige antibakterielle Wirkung, Verminderung der Empfindlichkeit der Zähne, Vorbeugung gegen Zahnstein und Mundgeruch.
Von ursprünglich drei in Deutschland erhältlichen Zahnpasten mit „Nano-Hydroxylapatit“ wurde im letzten Jahr eine Nanit® active enthaltende Zahnpaste vom Markt genommen, die verbliebenen Produkte sind ApaCare (Cumdente GmbH) und BioRepair® (Dr. Kurt Wolf GmbH Co. KG).
Im Folgenden soll die vorhandene wissenschaftliche Datenbasis zu den genannten Produkten auf ihre Evidenz untersucht werden, dabei soll der Fokus bei der Fähigkeit zur Remineralisation und Reparatur der Zahnhartsubstanz liegen. Zunächst wurde eine Literaturrecherche in der internatio- nalen Datenbank für medizinische Fachliteratur (PubMed) durchgeführt. Die Suche
mit dem Schlagwort „nano-hydroxyapatite“ ergab 133 Treffer, die Publikationen befassen sich jedoch im Wesentlichen mit der Rolle von nanokristallinem Hydroxylapatit in stoffwechselaktiven Geweben, besonders bei der Knochenregeneration. Die Suche mit den Schlagworten „nano-hydroxyapatite AND caries“ und „nano-hydroxyapatite AND remineralisation“ ergab insgesamt drei Treffer, eine Arbeit befasst sich mit zahnaufhellenden Effekten [5] und eine mit der Rekonstitution von kariösem Dentin [11]. Nur eine Publikation befasst sich mit der Frage, ob Nano-Hydroxylapatit initiale Schmelzkaries remineralisieren kann [7], auf diese Arbeit wird später eingegangen. Die Suche „nano-hydroxyapatite AND erosion“ ergab keinen Treffer. Im Folgenden wird die von den Herstellern angegebene Literatur, wenn möglich der Originaltext, bewertet. Zum besseren Verständnis wird vorab kurz der Wissenstand zur Remineralisation und Reparatur von Zahnhartsubstanz bei Karies und Erosion dargestellt.
Reparatur und Remineralisation
Die Reparatur von Zahnschmelz in dem Sinn, dass vollständig verloren gegangene Anteile wieder ersetzt werden können, hält man nach dem bisherigen Stand der Wissenschaft für unmöglich. Nach Abschluss der Mineralisation vor dem Erscheinen des Zahnes in der Mundhöhle sterben die Ameloblasten ab. Zahnschmelz kann also nicht nachwachsen. Wohl können aber innerhalb des bestehenden Schmelzgefüges einzelne Ionen ersetzt oder ausgetauscht und partiell aufgelöste Kristalle rekristal- lisiert werden. Letzterer Vorgang wird als Remineralisation bezeichnet [12]. Bei der initialen Schmelzkaries wurden die Abläufe bei der De- und Remineralisation umfangreich erforscht. Die Remineralisation erfolgt dadurch, dass sich Kalzium- und Phosphat-ionen, die natürlicherweise im Speichel im Überschuss enthalten sind, an den Resten der Kristalle anlagern und so neues Hydroxylapatit bilden. Dieser Remineralisationsprozess wird durch Fluorid gefördert. Ist der Zahnschmelz strukturell zerstört, ist keine Remineralisation möglich [13].
Eine vollständige Zerstörung der Zahnhartsubstanz ist das Charakteristikum von Erosionen, die durch die direkte Einwirkung von Säuren auf plaquefreie Zahnober- flächen entstehen. Bei anhaltender Säure-exposition wird der Schmelz zentripetal entmineralisiert, bis sich schließlich klinisch sichtbare Defekte manifestieren (Abbildung 1). Auf erodierten Schmelzoberflächen findet sich eine teilweise demineralisierte Zone mit verminderter Mikrohärte, die ultrastrukturell mehr oder weniger einem klassischen Ätzmuster (Abbildung 3) entspricht [9, 10]. Damit unterscheidet sich die Ultrastruktur einer Schmelzerosion grundsätzlich von der einer initialen Schmelzkaries (Abbildung 2), bei der die Zone der größten Deminerali- sation unterhalb einer pseudo-intakten Deckschicht liegt [13]. Bei der initialen Schmelzkaries kann unter bestimmten Bedingungen eine mehr oder weniger ausgeprägte Remineralisation erreicht werden, bei Erosionen dagegen kann bestenfalls ein Präzipitat auf der erodierten Oberfläche etabliert werden. Solche Präzipitate können nur dann präventive oder therapeutische Wirkungen entfalten, wenn sie möglichst säureresistent sind.
Unter Laborbedingungen hängt die Präzi-pitation von Kalzium und Phosphat aus gesättigten oder übersättigten Lösungen auf Zahnhartsubstanzen von verschiedenen Faktoren ab, jedoch können leicht Präzipitate (Abbildung 4) nachgewiesen werden [1]. In der Mundhöhle dagegen findet normalerweise keine Präzipitation von Kalzium/Phosphat-Salzen auf sauberen Zahnober-flächen statt, weil die Übersättigung des Speichels durch Proteine wie Statherin, prolinreiche Proteine oder histidinreiche Polypeptide aufrechterhalten wird. Nur wenn für diese Proteine ein Diffusionshindernis besteht, wie beispielsweise die pseudointakte Deckschicht einer Initialkaries oder Plaque, kann es zu Mineralisierungsvorgängen kommen (Remineralisation der Initialkaries beziehungsweise Bildung von Zahnstein). Im Fall von erodiertem Schmelz ist durch Speicheleinwirkung unter Mundbedingungen weder eine relevante Steigerung der Mikrohärte nachgewiesen worden [3, 4] noch konnte die Präzipitation von Mineral gezeigt werden [1, 6].
ApaCare
Die Zahnpasten von ApaCare enthalten neben Natriumfluorid (1450 sowie 500 ppm F) als besonderen Wirkstoff ein Prozent nanokristallines Hydroxylapatit (Nano-HA). Die Intensiv-Zahnpflege- und Remineralisationspaste enthält sieben Prozent Nano-HA, jedoch kein Fluorid. Das enthaltene Nano-HA soll besonders oberflächenaktiv sein und sich bei jeder Anwendung als dünne Schicht auf dem Zahn ablagern. Poren würden versiegelt, Entkalkungen remineralisiert und die Oberfläche verdichtet. Als Beleg für die Wirksamkeit wird auf eine klinische und mehrere In-vitro-Studien aus Japan, China und Südkorea verwiesen.
So wird zuerst eine klinische Studie von Kani et al. aus dem Jahr 1989 als Beleg für die Verminderung der Kariesneubildung aufgeführt. Die Studie ist in der nicht zugänglichen japanischen Zeitschrift Journal of Dental Health erschienen und trägt den Titel „Effect of apatite-containing dentifrices on dental caries in school children“. Aus der Kurzdarstellung in der wissenschaftlichen Dokumentation des Herstellers geht hervor, dass 181 Kinder an einer dreijährigen Studie teilgenommen haben. Die Kinder putzten einmal täglich entweder mit einer Hydroxyl-apatit(HA)-Zahnpaste (5 Prozent) oder mit einer analogen Zahnpaste ohne HA. Ziel- kriterium war ein nicht näher definierter Parameter zur Kariesinzidenz (new-DMFT rate). Bei Jungen fand sich kein Unterschied zwischen den Gruppen während Mädchen nach Anwendung der HA-Zahnpaste einen niedrigeren Indexwert hatten. Das Studiendesign lässt sich aus der Kurzdarstellung nicht bewerten. Es ist weltweit aber keine andere Studie publiziert worden, mit der ein karieshemmender Effekt durch den Zusatz von HA in Zahnpasten nachgewiesen werden konnte.
Bei der verwendeten HA-Zahnpaste han-delte es sich offensichtlich um ein erstmals 1982 von Aoki [2] vorgestelltes Produkt mit konventionellem HA und nicht um ein Produkt mit Nano-HA. Diese konventionelle HA-Zahnpaste wurde auch bei zwei anderen in der wissenschaftlichen Dokumentation von ApaCare aufgeführten Studien verwendet, die als Beleg für die Beschleunigung der Remineralisation [Okashi et al., 1991] und für Zahnaufhellung und Glanzerhöhung [Niwa et al., 2001] angeführt werden.
Eine kritische Beurteilung dieser konventionelles HA enthaltenden Zahnpaste wurde schon 1999 von Kodaka et al. [8] vorgenommen. Sie konnten zeigen, dass der Zusatz von HA die Abrasivität der Zahnpasten erhöht und Porositäten im Zahnschmelz nicht verschlossen, sondern abradiert werden.
Als Beleg für die Reparatur beginnender Karies (Remineralisation) werden Laborstudien von Lu et al. (2007) mit dem Titel „Inhibitory effect of synthetic nano-hydroxyapatite on dental caries“ und Kim et al. (2007) mit dem Titel „Combined effects of nano-hydroxyapatite and NaF on remineralization of early caries lesion“ aufgeführt, die beide in der Zeitschrift Key Engineering Materials (scientific.net) erschienen sind. In der Studie von Lu et al. werden zwei verschiedene Experimente zum Nachweis von Effekten von Nano-HA beschrieben. In einem In-vitro-Versuch wurden Zahnproben einer nicht näher beschriebenen sauren Lösung ausgesetzt und anschließend in verschiedene nicht näher spezifizierte Lösungen (NaCl, Nano-HA, HA und Fluorid) eingelegt. Nach fünf Tagen fand sich nach Anwendung der Wirkstofflösungen ein Anstieg der Mikrohärte, aber auch nach zehn Tagen kontinuierlicher Einwirkzeit lagen die Werte noch deutlich unter der Mikrohärte von gesundem Schmelz. Weiterhin wurde ein Tierver such durchgeführt, in dem Sprague-Dawley- Ratten mit Streptococcus mutans infiziert und nach 56 Tagen unter unbekannten Versuchsbedingungen geopfert wurden. Die nicht näher bezeichneten elektronenmikroskopischen Bilder zeigen die typische Charakteristik normaler Schmelzoberflächen.
In der Studie von Kim et al. (2007) wurden Zahnproben nach einem anerkannten Verfahren demineralisiert und dann für bis zu zwei Tage wässrigen oder Natriumfluorid(NaF)-Lösungen mit Nano-HA in Konzentrationen von 1 Prozent, 5 Prozent und 10 Prozent ausgesetzt. Als Resultat zeigte sich hauptsächlich, dass die NaF-Lösungen in Bezug auf den Wiederanstieg der Mikrohärte einen deutlich besseren Effekt als die fluoridfreien Lösungen hatten. Die Schmelzproben zeigten im elektronenmikroskopischen Bild aber selbst nach einer Einwirkzeit von 48 Stunden in allen Versuchsgruppen noch ein deutliches Ätzmuster.
Bei keiner der Studien wurden ApaCare-Produkte verwendet. Bei den anderen als wissenschaftlicher Beleg aufgeführten Studien handelt es sich um zwei Posterpräsentationen, die nicht bewertet werden können. Es findet sich keine Publikation mit Angaben über die Bioverfügbarkeit des Fluorids in der Zahnpaste. Eine solche Studie wäre wichtig, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Apatitkristalle die Bioverfügbarkeit des zugesetzten Fluorids reduzieren. Auf eine klinische Studie mit ApaCare-Zahnpaste oder Remineralisationspaste gibt es keinen Hinweis.
BioRepair
Die Zahnpaste wie die Zahn- und Mundspülung von BioRepair enthalten als Wirkstoff Zink-Carbonat-Hydroxylapatit in Form von Nano- beziehungsweise Mikrokristallen. Die Wirkstoffkonzentration ist nicht deklariert. „Nanofeine Defekte“ des Zahnschmelzes sollen durch diesen Wirkstoff repariert werden können, indem sich diese Kristalle mit dem natürlichen Zahnschmelz verbinden. Erodierter Zahnschmelz soll dadurch repariert werden. Darüber hinaus soll Zahnbelag verhindert werden.
Als Beleg für die Fähigkeit der BioRepair- Produkte zur Reparatur des Zahnschmelzes, speziell des erodierten Zahnschmelzes, werden drei Publikationen italienischer Autoren aufgeführt. Es handelt sich hierbei ausschließlich um In-vitro-Studien.
Die erste Studie [Rimondini et al., 2007] wurde im Material Science Forum (scientific.net) publiziert und trägt den Titel: „Der Remineralisierungseffekt von Carbonat- Hydroxylapatit-Nanokristallen auf Dentin“. Das Experiment hatte zum Ziel zu unter- suchen, ob durch Carbonat-Hydroxylapatit in nanokristalliner Form (Nano-CarHA) Dentinkanälchen an der Wurzeloberfläche verschlossen werden können. Wurzeldentinproben aus Rinderzähnen wurden für eine Minute mit Orthophosphorsäure angeätzt und mit Wasser gereinigt. Eine wässrige
Nano-CarHA-Suspension im Verhältnis 1,5:1 (Nano-CarHA:H
2
O) wurde mit einer Bürste aufgebracht und zehn Minuten, eine Stunde und sechs Stunden bei Aufbewahrung in einer feuchten Kammer auf den Proben belassen. Die Proben wurden anschließend mit Wasserspray gereinigt. Die elektronenmikroskopischen Bilder sollen zeigen, dass mit zunehmender Einwirkzeit ein progres- sives Wachstum der Mineralschicht sowie eine konsequente Okklusion offener Dentinkanälchen zu beobachten ist. Die Nanokristalle sollen eine geringe Kristallinität und eine hohe Ähnlichkeit mit der anorganischen Phase des Dentins aufweisen, worauf ihre Bioreaktivität zurückzuführen sei. Dies soll mit untereinander gestellten Diagrammen, einer Untersuchung mit dem Röntgendiffraktometer (XRD) von Hydroxylapatit-Nanokristallen und der anorganischen Phase des Rinderdentins belegt werden.
Die zweite Studie von Roveri et al. (2008) wurde in Advanced Materials Research (scientific.net) publiziert und trägt den Titel “Synthetische Carbonat-Hydroxylapatit-Nanokristalle zur Remineralisation von Zahnschmelzoberflächen”. Menschliche Zahnschmelzproben wurden eine Minute mit Orthophosphorsäure angeätzt und mit Wasser gereinigt. Anschließend wurden die Proben im Labor entweder mit einer Nano-CarHA-Zahnpaste, einer Fluoridzahnpaste oder nur mit Wasser behandelt. Es finden sich Angaben zur Synthese der CarHA- Nanokristalle, aber keine näheren Angaben zur Fluoridzahnpaste. Eine mit Wasser befeuchtete „bohnengroße“ Menge Zahn-paste wurde an 15 Tagen dreimal täglich für 30 Sekunden mit einer elektrischen Zahnbürste bei konstantem Druck eingebürstet. Die Intervalle zwischen den Bürstvorgängen betrugen fünf Stunden.
Überschüssige Paste wurde mit Wasser entfernt. Wie die Proben zwischen den Behandlungen gelagert wurden, wird nicht berichtet. Vermutlich wurden die Proben wie in der ersten Studie zwischenzeitlich in einer feuchten Kammer aufbewahrt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Zahnproben mit natürlichem oder künstlichem Speichel in Kontakt gebracht wurden. Nach der letzten Behandlung wurden die Proben mit Wasser gereinigt und anschließend rasterelektronenmikroskopisch und mit dem Röntgendiffraktometer (XRD) untersucht. Das Röntgenspektrum der mit Nano-CarHA behandelten Proben ist identisch mit denen des synthetisierten Nano-CarHA-Materials. Die Autoren leiten daraus ab, dass eine Verbindung von Nano-CarHA mit dem Hydroxylapatit des Zahnschmelzes stattgefunden hat. Das Spektrum der mit Fluoridzahnpaste behandelten und der mit Wasser behandelten Proben ist ähnlich, es soll aber partiell eine Umwandlung von Hydroxylapatit in Fluorapatit gegeben haben. Die elektronenmikroskopischen Bilder zeigen für alle drei Gruppen eine amorphe, nicht näher charakterisierte Struktur.
Die dritte Studie von Roveri et al. (2009) wurde in der Zeitschrift Journal of Nanomaterials publiziert und trägt den Titel „Remineralisation der Schmelzoberfläche: Unterschiedliche Effekte von biomimetischen Apatit-Nanokristallen und Fluorid- ionen“. Es handelt sich um eine Zweitpublikation der zweiten Studie in etwas erweiterter Form. Material und Methoden werden umfangreicher beschrieben und es werden zusätzlich Resultate einer Röntgen-Photoemission-Spektroskopie-Untersuchung präsentiert. Hier überrascht besonders, dass nach Behandlung mit der Fluoridzahnpaste eine Konzentration von 3,6 Prozent Fluorid im Schmelz gefunden wurde, die nahezu reinem Fluorapatit (3,8 Prozent Fluorid) entspricht.
In den genannten Experimenten wurden nur Präparate mit Carbonat-Hydroxylapatit-Nanokristallen verwendet. Zur Reaktion von Zink-Carbonat-Hydroxylapatit-Nanokristallen mit der Zahnhartsubstanz liegen keine Daten vor.
Resümee
Keine der hier beschriebenen Studien wurde in einer anerkannten wissenschaftlichen zahnmedizinischen Zeitschrift publiziert, in keiner der Studien wurde das Produkt des Herstellers untersucht. Nach heute üblichen Kriterien ist die wissenschaftliche Beweiskraft der vorliegenden Studien unge- nügend, da die Studiendesigns nicht dem in der Kariologie lange etablierten metho-dischen Standard entsprechen.
Neben einer Vielzahl von Aspekten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, besteht ein wesentliches methodisches Problem allein schon darin, dass in keiner der beschriebenen Studien ein zyklisches De- und Remineralisationsmodell gewählt wurde. Dass es unter Laborbedingungen nach Applikation von mineralischen Lösungen, zumal bei Einwirkzeiten von mehreren Stunden bis Tagen, zur Präzipitation von mineralischen Niederschlägen auf der Zahnoberfläche kommen kann, liegt auf der Hand. Selbst nach Einwirkung einfacher gesättigter Kalzium/Phosphatlösungen kann schon ein Wiederanstieg der Mikrohärte zuvor angeätzter Zahnproben gezeigt werden [3, 4].
Da sowohl Karies als auch Erosionen jedoch Resultat von zyklischen pH-Wertveränderungen mit wechselnden Perioden von pH-Werten um 5,5 (Karies) oder von deutlich unter 4,5 (Erosion) ist, werden neue präventive oder therapeutische Strategien in Experimenten untersucht, die diese Verhältnisse adäquat simulieren. Hydroxylapatit und Carbonat-Hydroxylapatit sind bekanntermaßen in den für Karies und besonders den für Erosionen relevanten pH-Wertbereichen leicht löslich und es gibt bislang keinen Hinweis darauf, dass ihre nanokristallinen Formen signifikant andere Eigenschaften aufweisen. Allein aufgrund dieser Überlegung ist ein nennenswerter protektiver Effekt von Nano-HA-Produkten unwahrscheinlich. Ferner sollten neue Wirkstoffe mit den bestmöglichen verfügbaren präventiven und therapeutischen Möglichkeiten verglichen und entsprechend bewertet werden.
Um diese beiden Aspekte zu verdeutlichen, sei die eingangs erwähnte Studie von Huang et al. [7] kurz besprochen. Die Studie ist nicht in einer zahnmedizinischen Zeitschrift erschienen, sie entspricht jedoch noch am ehesten dem wissenschaftlichen Standard. In dem Experiment wurden ini-tiale Schmelzläsionen erzeugt und für zwölf Tage in einem zyklischen De- und Remineralisationsmodell behandelt. Die Testlösungen waren 1 Prozent, 5 Prozent, 10 Prozent und 15 Prozent Nano-HA-Suspensionen, die Negativ-Kontrolle bestand in Aqua destillata, die Positiv-Kontrolle in einer 1000 ppm NaF- Lösung, der Zielparameter war der Wiederanstieg der Mikrohärte. Nach Anwendung der Nano-HA-Lösungen fand sich zwar in Abhängigkeit von der Konzentration ein Anstieg der Mikrohärte, die Anwendung der NaF-Lösung hatte aber einen signifikant besseren Effekt als alle anderen Testlösungen. Nach Anwendung der am niedrigsten konzentrierten Nano-HA-Lösung (1 Prozent Nano-HA, vergleichbar mit ApaCare) zeigte sich dagegen nahezu kein Anstieg der Mikrohärtewerte. Da In-vitro-Studien, wie eingangs erläutert, die Mundsituation mit den Effekten des Speichels nur begrenzt wiedergeben und, gerade wenn es um die Präzipitation von Kalzium/Phosphatsalzen geht, entsprechende Effekte eher überschätzen, sollten sich Nano-HA-Produkte unter Mundbedingungen bewähren. Gegenwärtig liegen jedoch weder in situ noch klinische Studien vor, mit denen eine Reparatur oder Remineralisation des Zahnhartgewebes durch Nano-Hydroxylapatit- oder Zink-Carbonat-Hydroxylapatit-Nanokristalle belegt werden kann. Wirkstoffe, die nicht nur im Rahmen von Grundlagen- experimenten untersucht werden, sondern bereits für die klinische Anwendung vor- gesehen sind, sollten bessere, jedoch zumindest nicht schlechtere Effekte zeigen als etablierte Mundhygieneprodukte. Bei den fluoridfreien Produkten Biorepair und dem Intensiv-Pflegeprodukt von ApaCare muss, zumindest solange keine entsprechenden Wirkungsnachweise vorliegen, von schlechteren Effekten im Vergleich zu etablierten, fluoridhaltigen Mundhygieneprodukten ausgegangen werden.
Die Frage, mit der sich der vorliegenden Artikel befasst hat, kann gegenwärtig nur so beantwortet werden: Reparatur und Remineralisation der Zahnhartsubstanz durch Nano-Hydroxylapatit- oder Zink-Carbonat-Hydroxylapatit-Nanokristalle in Mundhygieneprodukten sind wissenschaftlich nicht bewiesen. Studien, in denen die erwähnten Produkte nach international anerkanntem wissenschaftlichem Standard untersucht wurden, liegen nicht vor.
Prof. Dr. Joachim Klimek
Dr. Nadine Schlüter Corinna Dietz
Prof. Dr. Carolina Ganß
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde und Präventive Zahnheilkunde
Schlangenzahl 14
35392 Gießen