9. Symposium & CAD/CAM-Workshop der AG Keramik

Die Vollkeramik funktioniert

Heftarchiv Zahnmedizin
Die Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AG Keramik) begleitet die Entwicklung vollkeramischer Werkstoffe und der CAD/CAM-Technik seit zehn Jahren und kommentiert die klinischen Ergebnisse in der Fachöffentlichkeit, ergänzt um Erfahrungen aus einer eigenen Feldstudie in niedergelassenen Praxen. Die Zahl der Eingliederungen von vollkeramischen Inlays, Onlays, Kronen und Brücken ist kontinuierlich auf über 5,5 Millionen Restaurationen pro Jahr gestiegen; damit erzielen diese einen Anteil von 20 Prozent am Behandlungsvolumen, das für Langzeitversorgungen indiziert ist.

Auf dem 9. Keramiksymposium unter dem Leitgedanken „Vollkeramik auf einen Blick“ verwies der Moderator, Dr. Bernd Reiss, Malsch, auf das Ergebnis der TED-Umfrage (Tele-Dialog), dass 87 Prozent der Symposiumsteilnehmer die Qualität von Gerüsten aus polykristalliner Oxidkeramik gegenüber VMK als besser oder zumindest als gleichwertig einstuften. PD Dr. Sven Reich, Universität Aachen, unterstützte diese Einschätzung und führte thematisch durch das Marktangebot subtraktiv formbarer CAD/CAM-Keramiken. Durch den Mix verschiedener Eigenschaften steht heute für jede Indikation eine passende Keramik zur Verfügung. Silikatkeramik, bekannt durch ihre lichttransmittierende „Chamäleonwirkung“, schuf sich ihre Kompetenz für Einlagefüllungen, Teilkronen, Veneers und Kronen vornehmlich im Frontzahn- und Prämolarenbereich. Für erweiterte Ästhetikansprüche, auch für Kronen und dreigliedrige Brücken bis zum zweiten Prämolar, steht Lithiumdisilikatkeramik (LS2) in abgestuften Opazitäten für das Press- und CAD/CAMVerfahren zur Verfügung. Gerüstkeramiken aus Aluminiumoxid (Al2O3) und Zirkoniumdioxid (ZrO2) haben eine opake Struktur und müssen verblendet werden. Aufgrund der semi-lichtleitenden Eigenschaft ist Al2O3besonders für Kronen- und Brückengerüste im Frontzahn- und Prämolarenbereich geeignet. Für den Seitenzahneinsatz hat sich ZrO2qualifiziert, ebenso als Gerüst mit „Flügeln“ für Adhäsivbrücken. Reich ging auf die Verblendfrakturen auf ZrO2-Gerüsten ein, die seit einiger Zeit in der Fachwelt diskutiert werden. Dahinter verbirgt sich, dass noch vor wenigen Jahren Kronenkappen mit dünnen Wandstärken und voluminösen Verblendschichten gefertigt wurden, ebenso weisen die Brücken noch kein anatoformes Gerüstdesign zur Höckerunterstützung auf.

Substanzerhalt als Ziel

Prof. Karl-Heinz Kunzelmann, München, wies in seinem Beitrag „Keramikinlays und -Teilkronen – neue Konzepte der Präparation“ darauf hin, dass die heutigen Präp-Kriterien immer noch von den Limitationen der früheren Keramikwerkstoffe und CAD/CAMSysteme geprägt sind. Heute kann bei der guten Passgenauigkeit von Keramikrestaurationen auf vergrößerte Divergenzwinkel, die noch aus der „Goldära“ stammen, verzichtet werden (Abbildung 1). Deshalb seien klassische Divergenzwinkel von 6 Grad bis 10 Grad, die die Gefahr bergen, dass der Kavitätenrand im Bereich der Höckerspitzen oder Kontaktpunkte endet, zu vermeiden. Kauflächen-Veneers aus Presskeramik, geeignet zur Therapie von Okklusaldefekten und für Bisserhöhungen, erfordern keine Hohlkehle und sind sehr substanzschonend. Bei Teilkronen mit Höckerrekonstruktion ist statt der abstützenden Stufe eine substanzschonende Auflagefläche im Schmelz-Dentin-Bereich zu bevorzugen. Eine Überkuppelung ist dann angezeigt, wenn Höcker stark geschwächt sind (< 2 mm Höckerdicke). Eine Neubewertung der Honorierung für die Höckerüberkuppelung ist laut Kunzelmann erforderlich, weil für die Indikation „Teilkrone“ nach den Kriterien der Kassenleistung alle Höcker „geopfert“ werden müssten. Dies widerspricht jedoch dem Gebot der Substanzerhaltung. Den thematischen Bogen zur „Klassischen Krone bis minimal-invasiv“ spannte Dr. Andreas Kurbad, Viersen. Bei der Präparation einer vollanatomischen Keramikkrone mit zirkulärer Hohlkehle kann bis zu 64 Prozent der Zahnhartsubstanz erhalten werden [Edelhoff, 2003]; metallgestützte Vollkronen hingegen verzehren 70 Prozent und mehr für die Bereitstellung der erforderlichen Retentionsflächen [Shillingburg, 1997].

Eine eindeutige Positionierung der Krone wird durch klare Ränder unterstützt. Es sollte taktil spürbar sein, wenn der Keramikkörper seinen korrekten Platz erreicht hat. Ferner bietet die adhäsive Befestigung den Vorteil, dass auf jegliche Retentionsform verzichtet werden kann. Keramiken verfügen je nach Materialtyp über transluzente Eigenschaften, deshalb können dunkle Füllungen laut Kurbad ein schwieriger Untergrund sein. Erhebliche Verfärbungen des Kronenstumpfes erfordern einen höheren Substanzabtrag, um der Keramik mehr Materialstärke anzubieten.

Zähigkeit versus Festigkeit

„Die Bruchzähigkeit der Keramik ist wichtiger als ihre Festigkeit“, erklärte PD Dr.-Ing. Ulrich Lohbauer, Universität Erlangen, im Rahmen seines Themas „Bruchmechanik vollkeramischer Restaurationen“. So sei es eine wichtige Errungenschaft, dass im Gefüge der Zirkoniumdioxidkeramik (ZrO2) volumenexpandierende Druckspannungen die Ausbreitung von Mikrorissen blockieren. Die Bruchzähigkeit erklärt die hohe Überlebenswahrscheinlichkeit von Kronen- und Brückengerüsten aus ZrO2in klinischen Langzeitstudien. Diskutiert werden in jüngster Zeit allerdings Verblendfrakturen auf ZrO2-Gerüsten [Kerschbaum, 2009], weil die Verblendkeramik (Feldspat) eine deutlich geringere Risszähigkeit besitzt als ZrO2. So ist beim Design der Kronenkappen darauf zu achten, dass Höcker die Verblendschicht unterstützen (Abbildungen 2 und 3). Lohbauer empfahl, nach dem Einschleifen (Feinkorndiamant) im Rahmen der Eingliederung die Restaurationsoberfläche zu polieren (Kontrolle durch Lupenbrille) oder besser zur Erneuerung des Glanzbrandes ins ZT-Labor zurückzugeben. Bei der Wahl der ZrO2-Blanks riet Lohbauer, ausschließlich Originalmaterial qualitätsbewusster Keramikhersteller mit nachgewiesener klinischer Eignung zu verwenden und für die Verblendung „im System zu bleiben“. Dies biete die Gewähr, dass Gerüstund Verblendwerkstoffe aufeinander abgestimmt sind.

Vom Wachsmesser zur Maus

Den Wechsel vom Wachsmesser zur elektronischen Gerüstgestaltung demonstrierte ZTM Volker Brosch, Essen, der die Arbeitsabläufe in der konventionellen Zahntechnik mit dem CAD/CAM-Verfahren verglich. Die digital konstruierten Datensätze können sowohl zur Fertigung von Provisorien als auch für die späteren, definitiven Versorgungen verwendet werden. Aus den schleifbaren LS2-Blanks können vollanatomische Frontund Seitenzahnkronen gefertigt werden, aus der festigkeitsgesteigerten Presskeramik auch mehrgliedrige Brücken bis zum 2. Prämolar. Bei hohen ästhetischen Ansprüchen kommt das Cutback-Verfahren zum Einsatz; die vollanatomisch geformte Krone wird um die Schmelzschichtdicke anatoform zurückgeschliffen und aufbrennkeramisch verblendet. Brosch fertigt neuerdings solitär gestaltete Verblendungen, die ,digital modelliert, aus transluzenter Fluorapatit-Presskeramik auf die ZrO2-Gerüste aufgesintert werden (Abbildungen 4 und 5).

Einmalig in der Zahnmedizin ist die multizentrische Feldstudie der AG Keramik, in der niedergelassene Zahnärzte ihre Befunde vollkeramischer Restaurationen anonym und individuell mit anderen Teilnehmerpraxen vergleichen können. Derzeit sind mehr als 5 700 Restaurationen aus über 200 Praxen Grundlage der Ergebnisse. Dr. Bernd Reiss, der diese Qualitätssicherungsstudie leitet, konnte nach Auswertung von über 3 000 Nachuntersuchungen resümieren, dass die Überlebensraten von Inlays, Onlays, Teilkronen und Kronen aus Silikatkeramik nach 13-jähriger Beobachtung mit 83 Prozent auf dem Niveau liegen, das in der Literatur auch Gussrestaurationen zugeschrieben wird [Walton, 2002]. Reiss erklärte, dass der teilnehmende Zahnarzt seine Befunde online auf der Plattform www. csa-online.net eingibt und ein individuelles, grafisches Behandlungsprofil erhält.

ZrO nicht immer erforderlich

Mit dem Thema „Klinische Bewährung vollkeramischer Restaurationen“ stellte Prof. Matthias Kern, Universität Kiel, klar, dass sich die Keramik an der Überlebensrate von metallgestützten Rekonstruktionen messen lassen muss. Literaturbelegt ist, dass Keramik-Inlays und -Onlays klinisch ähnlich dauerhaft sind wie Gussrestaurationen. Hierbei zeigen CAD/CAM-gefertigte Versorgungen eine längere Haltbarkeit als gepresste oder laborgeschichtete Restaurationen [Hickel & Manhart, 2001]. Aufgrund der semi-lichtleitenden Eigenschaft ist Al2O3besonders für Kronen im ästhetisch sensiblen Frontzahngebiet geeignet. Deshalb ist es laut Kern nicht erforderlich, Einzelkronen unbedingt aus ZrO2herzustellen. Brücken mit ZrO2-Gerüsten zeigen ermutigende Ergebnisse; in Beobachtungszeiträumen bis zu 5 Jahren sind Gerüstfrakturen selten aufgetreten, auch nicht bei mehrgliedrigen Brückenspannen. In einigen Studien wurden jedoch Verblendfrakturen (Chippings) beschrieben. Dafür verantwortlich ist, dass anfänglich die ZrO2-Gerüste im Vertrauen auf die hohe Bruchbiegefestigkeit sehr grazil mit dünnen Wandstärken ausgeschliffen und dicke Verblendschichten aufgetragen wurden, die unter Zugspannung gerieten. Kern empfahl, die Wandstärke der ZrO2-Gerüste nicht unter 0,8 mm einzustellen und die Gerüstform anatoform (der anatomischen Form folgend) zu gestalten, so dass die Verblendung von den Höckern unterstützt wird.

Unter den Einsendungen zum diesjährigen „Forschungspreis Vollkeramik“ hatte die Jury drei Arbeiten ausgewählt und als gleichwertig bezeichnet. Der Preisverleiher hatte sich deshalb entschlossen, alle drei Autoren mit einer Anerkennung auszuzeichnen: Dr. Frank Ph. Nothdurft, Klinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universität Homburg/Saar, mit der Arbeit „Klinische Prüfung eines präfabrizierten vollkeramischen Implantataufbaus aus Zirkoniumdioxid im Seitenzahnbereich“; Dr. Dr. Andreas Rathke, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Universität Ulm, mit der „In-vitro-Untersuchung zur Effektivität des Dentinverbundes von Keramikinlays unter Berücksichtigung unterschiedlicher Befestigungskonzepte“; Dipl.-Ing. Falk Becker, Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten Heidelberg mit dem Thema „Überpressund Schichttechnik, Chippingverhalten vollkeramischer Frontzahnkronen“.

Reflektion praktischer Erfahrungen im Workshop

Auf dem anschließenden CAD/CAM-Workshop machten Prof. Daniel Edelhoff, PD Dr. Florian Beuer, Zahnarzt Peter Neumeier, ZT Marlis Eichberger und ZT Josef Schweiger in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, München, die Teilnehmer mit der Arbeitsweise von CAD/CAM-Systemen vertraut. Die Poliklinik verfügt über einen repräsentativen Bestand an CAD/CAM-Systemen (C.O.S., Cercon, DigiDent, Etkon, Everest, inLab, Lava, Procera, Zeno), die für wissenschaftliche Projekte und für praktische Arbeiten zur Patientenversorgung eingesetzt werden.

Hinsichtlich der erzielbaren Qualität und Passgenauigkeit der ausgeschliffenen, vollkeramischen Gerüste betonte Edelhoff, dass diese durchweg auf hohem Niveau liegen. ZT Schweiger wies darauf hin, dass die computergestützten Frässysteme für vollkeramische Restaurationen unterschiedliche Schleifstrategien nutzen und auf die Original-Blanks der Hersteller abgestimmt sind. ZrO2-Gerüste, die im manuellen Kopierfräsverfahren (Pantograph) hergestellt wurden, wiesen laut Schweiger eine schlechtere Passung und eine kritische Gefügestruktur auf. Einen neuen Weg, Verblendfrakturen zu vermeiden, zeigten Beuer und Schweiger mit Sinter-Verblendungen (Abbildung 6) . Hierbei werden solitäre Verblendstrukturen aus Feldspatkeramik computergestützt ausgeschliffen und auf das ZrO2-Gerüst gesintert.

Manfred KernArbeitsgemeinschaft für Keramikin der Zahnheilkunde e.V.info@ag-keramik.de

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