Mehr Akzeptanz für eHealth
„Wir müssen angesichts der Zahl älterer und multimorbider Menschen und einer zunehmenden Spezialisierung der modernen Medizin eine bestmögliche Gesundheitsversorgung sicherstellen“, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler in seinem Grußwort. „Dabei gilt es auch, den Zugang medizinischer Expertise in ländlichen Gebieten zu gewährleisten. Einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Herausforderungen leistet die Gesundheitstelematik.“ Rösler weiter: „Um den „mehrWERT“ nutzen zu können, brauchen wir eine sichere Telematikinfrastruktur. Datenschutz und Praktikabilität der Anwendungen sind wichtige Voraussetzungen für die Realisierung in Praxen und Krankenhäusern.“
Genau vor diesem Hintergrund schilderten Ärztevertreter und Privatunternehmer aus den verschiedenen Sektoren auf der Konferenz ihre Ansätze und diskutierten über Herausforderungen.
Kommunikation vor Technik
„Telematik ist nicht in erster Linie eine technische Möglichkeit, vor allem erfordert sie eine gelungene Kommunikation und Kooperation der jeweiligen Partner“, sagte Dr. Christoph Seidel, Geschäftsbereichsleiter IT- und Unternehmensentwicklung am Städtischen Klinikum Braunschweig in seinem Vortrag „Architektur, Betrieb und Evaluierung des Befundportals am Klinikum Braunschweig“. Zusammen mit Peter L. Reichertz Institut der TU Braunschweig hat die Klinik eine Architektur zur papierlosen Kommunikation von Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten in der Region erarbeitet. 2006 ging das Befundportal 1.0 online, 2008 folgte die Version 2.0. Ziel des Pilotprojekts: ein verbesserter Service des Klinikums als einer der medizinischen Hauptdienstleister in und um Braunschweig. „Wenn andere Krankenhäuser oder niedergelassene Ärzte in unserer Region zum Beispiel Herzkathetersequenzen angefertigt haben, wurden die Daten früher auf DVD mit der Post an uns geschickt. Das verzögert die Entscheidung, ob ein Patient operiert werden muss oder nicht. Jetzt funktioniert die Übermittlung elektronisch und es kann schneller weitergehen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Patient seine Einwilligung zur elektronischen Weiterverarbeitung seiner Daten gibt“, erklärt Seidel.
Beim Blick auf die Nutzerzahlen zeigen sich allerdings Probleme: „Wir haben insgesamt 26 968 Befunde verschickt, aber nur 10 284 wurden abgerufen“, stellt der IT-Fachmann fest. Warum keine 100 Prozent? Vermutlich, weil die Dokumente nach wie vor auch in Papierform verschickt werden. Der Grund: Nur so bekommen Mediziner Rechtssicherheit. Deswegen arbeitet das Klinikum Braunschweig daran, die juristisch vollwertige elektronische Signatur voranzubringen. Seidel: „Mit einer qualifizierten eSignatur kann man sich die Dokumentation auf Papier sparen – und nur das bringt eine wirkliche Ersparnis.“
Fortschritt und Sicherheitsbedenken
Die Ersatzkasse KKH-Allianz und Atos Origin stellten auf der eHealth Conference die Verknüpfung von elektronischer Gesundheitskarte (eGK) und dem elektronischen Personalausweis vor. Das Prinzip: Versicherte sollen sich via Internet mit dem ab November ausgegebenen Personalausweis authentifizieren und dann auf gespeicherte Daten der eGK zugreifen können. Möglich macht das ein Kartenlesegerät, das mit der eGK wie mit dem Personalausweis kommunizieren kann. Ab Oktober liefert die KKH das Lesegerät zusammen mit einem IT-Sicherheitskit kostenfrei an ihre Mitglieder aus. Mit dem Ziel, dass die Anwender die Karten bald auch für die Zahlung ärztlicher Leistungen benutzen.
Enthalten sind drei verschiedene Lesegeräte mit den Sicherheitsstufen Basis, Standard und Komfort. Zum Start des eAusweises werden mehr als eine Million Basisgeräte verteilt – auf denen es allerdings weder eine Tastatur noch ein Display gibt. User müssen ihre PIN dann über die Computertastatur eingeben.
Wie unsicher das System hinsichtlich Datenschutz und Sicherheit ist, zeigte im August der Chaos Computer Club (CCC) mit dem ARD-Magazin „Plusminus“. Der CCC konnte auf dem Chip des Ausweises gespeicherte Daten abfangen. Selbst Neuntklässlern gelang es unter Zuhilfenahme von Lötkolben und Schraubenzieher, eine Apparatur zu basteln, die den Ausweis-Chip lahmlegte.
Die KKH versicherte bei der eHealth Conference freilich, dass „der Schutz der Versichertendaten vor dem Zugriff Unbefugter“ oberste Priorität habe und durch ein spezielles Verschlüsselungsverfahren gewährleistet sei. Details zu diesem Verfahren seien allerdings noch nicht verfügbar.
Frust vermeiden
Mit innovativen und fantasievollen Mitteln Patienten erreichen, lautete das Thema von Stephan Albani, Kompetenzzentrum HörTech am Hörzentrum Oldenburg, in seinem Vortrag „Vom Hörscreening bis Web 3.0“. „In Deutschland werden nur 20 Prozent der Menschen erreicht, die von einer Hörhilfe profitieren würden“, führte er aus. Was unter anderem daran liege, dass Hörgeräte gesellschaftlich stark stigmatisiert seien. Um Hemmschwellen abzubauen und Menschen zu einer Überprüfung ihres Gehörs zu bewegen, bietet HörTech einen wissenschaftlich zertifizierten Telefontest an. Für 99 Cent können Interessenten überprüfen, wie gut sie noch hören – „von Zuhause aus, in ihrer vertrauten Umgebung“, betont Albani.
So funktioniert’s: Anrufern werden mehrere dreistellige Ziffernkombinationen genannt. Bei jeder Ansage wird gleichzeitig ein Rauschen eingespielt. Danach sollen die Ziffern über die Tastatur eingegeben werden. Ist alles richtig, steigt der Schwierigkeitsgrad beim nächsten Durchgang. Wurde eine Ziffer falsch eingegeben, wird die nächste Darbietung wieder leichter. Insgesamt gibt der Anrufer circa 27 Kombinationen ein, bevor er das Testergebnis erfährt. Mögliche Resultate sind: „Ihr Hörvermögen bei diesem Hörtest ist normal“, „Bei diesem Hörtest verstehen die meisten Menschen etwas besser als Sie“, „Bei diesem Hörtest verstehen die meisten Menschen deutlich besser als Sie“.
„Danach stehen hörgeschädigten Menschen verschiedene Informationsportale zur Verfügung, auf denen sie sich über die nächsten Schritte informieren können“, erklärt Albani. Aber: „Mit herkömmlichen Webanwendungen ist das eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Man kann im Prinzip nur auf statischen Webseiten stöbern. Im Web 3.0, das sich gerade entwickelt, könnte man das Thema viel nutzerfreundlicher aufbereiten. Zum Beispiel, indem man in einer virtuellen Animation Hörwelten erlebbar macht und den Leuten direkt zeigt, wie eine Hörhilfe ihre Lebensqualität steigert.“
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net