Qualitätsmanagement

QM ist, was man daraus macht

sg
Die Uhr tickt: Bis zum 31. Dezember 2010 ist die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses, nach §135a SGB V ein Qualitätsmanagement (QM) in den Zahnarztpraxen einzuführen, nachweisbar umzusetzen. Deswegen schicken verschiedene Anbieter unvermindert ihre Produktangebote in die Praxen. Unsere Autorin liefert einen Erfahrungsbericht aus QM-Seminaren und Praxistrainings.

Zwar haben sich mittlerweile viele Zahnarztpraxen mit dem Thema beschäftigt, Artikel und Bücher gelesen oder Seminare besucht. Praxen, die inzwischen ein Qualitätsmanagement eingeführt haben, berichten über positive Erfahrungen. Dennoch bestehen ab und an noch Fragen und Unsicherheiten.

In Gesprächen mit Seminarteilnehmern wird immer wieder deutlich, dass mancher Anbieter von Qualitätsmanagementsystemen die Unkenntnis zum Thema und insbesondere der Richtlinien in den Zahnarztpraxen zum Anlass nimmt, Systeme mit umfangreichen Dokumentationen, meist gekoppelt mit Zertifizierungen, zu verkaufen. Schade um die Zeit, das Engagement und Geld, das investiert wird und der Praxis nichts bringt, wenn sie nur das „Muss“ darin sieht. Und schön, wenn eine Praxis die Potenziale und Chancen erkennt, die Qualitätsmanagement bietet. Ziel aller, die auf dem Markt zu diesem Thema Stellung beziehen, sollte sein, den praxisnahen Nutzen aufzuzeigen und keine Ängste zu schüren.

Werkzeug zur Optimierung

„Ich bin doch nur hier, weil ich muss“ ist eine häufige Aussage von Teilnehmern in Qualitätsmanagementseminaren. Sicher, seit November 2006 müssen alle Vertragszahnärzte die Qualitätsmanagement-Richtlinie erfüllen. Und tun das auch, meist unbewusst.

In §1 der Richtlinie 3 wird beschrieben, dass „Organisation, Arbeitsabläufe und Ergebnisse einer Einrichtung (also der Praxis) regelmäßig überprüft (…) und gegebenenfalls verändert werden sollen“, um eine „kontinuierliche Sicherung und Verbesserung der Patientenversorgung und der Praxisorganisation“ zu erreichen. Diese Verbesserungen sollen die „Zufriedenheit der am Prozess Beteiligten (also Praxisleitung und Mitarbeiter), insbesondere der Patienten“ erhöhen.

Dagegen ist doch nichts zu sagen. Dass wir in unseren Praxen von zufriedenen Patienten besser leben als von unzufriedenen, ist kein Geheimnis. Und stressfreie Arbeitsabläufe, ein gutes Betriebsklima und Anpassung an moderne Zahnmedizin sind Grundlagen für eine erfolgreiche und zufrieden stellende Praxisentwicklung.

Im Qualitätskreislauf und in §3 wird weiter beschrieben, dass die Praxis problemorientiert Änderungsmaßnahmen durchführen soll. Auch dies findet im Alltag bereits statt: Wenn es bei der Materialbestellung, der Terminvergabe oder Arbeitseinteilung hakt, wird im Team über Verbesserungen nachgedacht, gesprochen und werden Verbesserungen angeschoben. Damit ist man mittendrin im Qualitätsmanagement.

Nicht immer ist die Auseinandersetzung mit Dingen, die in der Praxis nicht so gut laufen, für alle Beteiligten einfach, angenehm und sofort von Erfolg gekrönt. Qualitätsmanagement bedeutet nicht, fertige Pauschallösungen parat zu haben, sondern die Knackpunkte zu erkennen und sich darum aktiv zu kümmern, um so eine individuelle und passende Verbesserung zu erreichen. Hilfreich ist es also, Qualitätsmanagement nicht als zusätzlichen Aufgabenbereich zu sehen, sondern als Werkzeug, mit dem der Praxisalltag besser beherrscht werden kann. Denken und Handeln im QM bedeutet, bewusst und gezielt die wichtigsten Abläufe in der Praxis zu gestalten. Dabei kann es sich um tägliche Behandlungsabläufe genauso handeln wie um Organisationsabläufe oder seltene, ungewöhnliche Situationen. Mit QM ist man daher auch nie „fertig“, denn es gibt in der Praxis immer etwas zu verbessern.

Dokumentationsaufwand selbst regulierbar

Häufig fürchten die Praxen einen noch höheren und unnützen Dokumen- tationsaufwand. Dicke Aktenordner, gefüllt mit allen „notwendigen“ Dokumentationen werden auf dem Markt angeboten, „insgesamt über 3000 Seiten“ wurden als Qualitätsmerkmal eines „richtlinienkonformen Qualitätsmanagers“ angepriesen.

In §1 der Richtlinie 3 wird beschrieben, dass „Organisation, Arbeitsabläufe und Ergebnisse einer Einrichtung (also der Praxis) regelmäßig überprüft (und) dokumentiert“ werden sollen. Weiter wird gesagt, dass das individuelle Qualitätsmanagement für die Praxisleitung und die Mitarbeiter „nützlich, hilfreich und unbürokratisch“ sein soll.

Somit kann jede Praxis im Rahmen ihres Qualitätsmanagements für sich und Ihre Bedürfnisse bestimmen, wie sie die Dokumentationsvorgaben regelmäßig, unbürokratisch und nützlich interpretiert und umsetzt. Bestimmte Dokumentationen sind vorgeschrieben, etwa die Dokumentationen beim Röntgen, der Hygiene oder den Mitarbeiterunterweisungen. Die Zahnärztekammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen haben ihren Vertrags-Zahnärzten zu den gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen Dokumentationen entwickelt, die ständig rechtssicher aktualisiert werden.

Darüber hinaus kann selbst festgelegt werden, welche Checklisten in der Praxis benötigt und wie diese gestaltet werden. Sehr kleine Praxen mit einem überschaubaren und langjährigen Personalstamm werden sicher mit einer geringen Dokumentation der täglichen Routineabläufe eine gute Praxisorganisation führen können.

Große Praxen mit mehreren Behandlern, einer hohen Personalfluktuation oder Zweigpraxen benötigen einen entsprechend anderen Dokumentationsaufwand.

Wichtige Aspekte für die Dokumentation sind darüber hinaus:

• Organisation der Dokumentation (zum Beispiel Hängeregister und Mappen anstelle von Stehordnern; Strukturierung und Aufbewahrung)

• Archiv und Ablage ( zum Beispiel je aktueller desto näher am Arbeitsplatz)

• Entsorgung ( zum Beispiel auf allen Dokumenten/Dateien wird das Vernichtungsdatum genannt)

• Regelmäßiges Prüfen und Aussortieren (zum Beispiel: alle zwei bis drei Jahre)

Viele fertigen QM-Systeme bieten eine Fülle von unterschiedlichen Dokumentationen an. Dabei wird oft mit Begrifflichkeiten wie Verfahrensanweisung, Standardarbeitsanweisung, Prozesse, Dokumenten-Identifikation gearbeitet, die in vielen Praxen unbekannt sind.

Auch hier gilt es zu entscheiden, in welchem Maß QM in der Praxis betrieben werden soll und entsprechend die Nomenklatur angeeignet werden muss. Entscheidet die Praxisführung, QM „nur“ nach der Richtlinie umzusetzen, ist eine Anpassung an diese Begrifflichkeiten nicht unbedingt erforderlich. Strebt eine Praxis womöglich eine ISO-Zertifizierung an, sollte sie sich tiefer in das „QM-Deutsch“ einarbeiten.

Sinn und Zweck von Handbüchern

Auch dazu hilft der Blick in die Richtlinie 3. In § 4 werden Instrumente genannt, die für die Umsetzung der Grundelemente des QM nach §3 geeignet sind. Instrumente werden im (Praxis-) Alltag immer dann eingesetzt, wenn sie gebraucht werden. Folgerichtig gibt es Instrumente, die in jeder Zahnarztpraxis eingesetzt werden, etwa Spiegel, Sonde, Pinzette, Abrechnungsprogramme oder Terminbücher. Und es gibt Instrumente, die selten oder nie verwendet werden. Sehr viele Instrumente der QM-Richtlinie müssen in der Praxis eingesetzt werden, weil Gesetze und Bestimmungen dies vorschreiben: die Behandlungsrichtlinien, Bundesmantelverträge BMV-Z/EKV-Z, Röntgenverordnung, Datenschutz, Hygienemaßnahmen, Fortbildung nach §95d SGB V oder Maßnahmen zur Patienteninformation und -aufklärung . Unter §4 Absatz 2.1 findet sich das Praxishandbuch als Instrument für den Bereich Arbeitsprozesse und Praxisorganisation. Es dient also der Organisation der Praxis.

Ein Handbuch ist eine Beschreibung, eine Grunderläuterung, ein Exposé für einen bestimmten Leserkreis. In Hotelzimmern finden sich Mappen oder Hefte, in denen wichtige Informationen für Gäste zusammengefasst sind. Studenten erhalten bei der Immatrikulation Mappen mit verschiedenen Informationen zu und über die Universität. Diese Unterlagen entsprechen einem Handbuch.

Ein Praxishandbuch funktioniert genauso: Die Praxis wird neuen Mitarbeitern und/oder Kollegen und/oder Patienten vorgestellt. Es ist zu überlegen, welche Gruppe vom Praxischef angesprochen werden soll und was die Leser über die Praxis wissen sollen. Häufig liegt eine ausführliche Praxisbeschreibung bereits vor, sie nennt sich etwa Homepage, Praxisflyer, Patienteninforma- tionsmappe, Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Und damit nutzt man bereits das Instrument Handbuch zur Praxisorganisation.

Defizite können ans Licht befördert werden

Übersetzt man „Qualitätsmanagement“, so bedeutet dieses Wort: Das Erfüllen von Anforderungen planen, leiten, entscheiden und kontrollieren. Noch prägnanter zusammengefasst: Qualitätsmanagement heißt Fragen zu stellen, das heißt Erfragen, Nachfragen, Hinterfragen. Das ist im Grundsatz nicht schwer, im Einzelfall vielleicht ungewohnt. Und manchmal decken unangenehme Fragen Defizite auf.

Dieses Prinzip liegt auch dem Zahnmedizinischen Qualitätsmanagementsystem Z-QMS zugrunde (zum Beispiel Ausgabe Zahnärztekammer Rheinland-Pfalz oder Zahnärztekammer Hessen). Anhand von Fragekatalogen arbeitet man alle relevanten Praxisbereiche ab, erstellt damit eine Ist-Analyse der Praxis, die zeitgleich bewertet wird. Ergibt sich Handlungsbedarf (fehlt etwa eine Mitarbeiterunterweisung, oder die Wartungsintervalle eines Gerätes müssen angepasst werden), kann dieser konkret umgesetzt werden. Dahinter stehen vielfältige Informationen, Dokumentationen, Musterformulare und Links zur Verfügung.

In § 135 SGB V erläutert der Gesetzgeber, dass die Umsetzung eines Qualitätsmanagements sichergestellt werden soll. Die Richtlinie 3 konkretisiert dies in § 6: Vertragszahnärzte haben bis 2016 dem Gemeinsamen Bundesausschuss erstmalig den Umsetzungstand der QM-Richtlinie in den zahnärztlichen Praxen vorzulegen. Dazu wählen die KZVen jährlich zwei Prozent ihrer Vertragszahnärzte aus, die den Berichtsbogen der KZBV auszufüllen haben. In diesem Berichtsbogen geben die Praxen an, welche Instrumente der Richtlinie „geplant“ wurden oder bereits „angewendet“ werden. Eine weitere Prüfung oder gar eine Vorort-Begehung durch Mitarbeiter der KZV ist nicht vorgesehen. Man muss auch mit dem Berichtsbogen keine Dokumentationen einreichen und schon gar keine Zertifizierung nachweisen. Mit diesem Hintergrundwissen kann die Praxis das Qualitätsmanagement durchaus entspannter angehen.

Im Alltag tauchen dennoch schnell Fragen nach dem „richtigen“ oder „falschen“ Vorgehen auf. Das ist der Zeitpunkt, an dem sich die Praxisführung und die QM-Beauftragten (sofern es sie gibt) über Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches informieren können. Qualitätszirkel, insbesondere überregionale Zusammenschlüsse ohne direkten Konkurrenzdruck, können hier einen guten Rahmen bieten. Darüber hinaus kann es für viele mit Führungsaufgaben betraute Mitarbeiter oder Zahnärzte hilfreich sein, eine individuelle Beratung durch Coaches oder anderweitige externe Anbieter in Anspruch zu nehmen. Diese Beratung kann in einer Supervision bei der Analyse der Praxissituation helfen, das Team bei einer Problemlösung begleiten und moderieren oder in konkreten Themen Lösungen mitentwickeln.

Fazit

Auch wenn die QM-Richtlinie zunächst die Anforderungen an die Praxis zu erhöhen scheinen, besteht doch kein Grund zur Aufregung. Die Anforderungen sind überschaubar und praxisnah umzusetzen. Die Vorteile, die ein gelebtes Qualitätsmanagement der Praxis bieten, überwiegen auf jeden Fall.

Regelmäßig erleichtert der niedrigschwellige Anspruch der Richtlinie den Einstieg in ein individuelles Qualitätsmanagement. Im Laufe der Zeit entwickeln sich dann Schwerpunktthemen, die die Entwicklung einer Praxis positiv beeinflussen. Der Entschluss für oder gegen ein bestimmtes Qualitätsmanagementsystem sollte gut überlegt sein, ähnlich wie die Entscheidung für eine Praxissoftware. Durch eine Zertifizierung stellt die Praxis ihr Qualitätsmanagement nach außen und innen dar. Dies führt zu einem Imagegewinn, wenn das zertifizierte System auch von allen Praxismitgliedern gelebt und umgesetzt wird.

Stephanie WeitzZMV, QM-AuditorSchulstr. 3, 68642 Bürstadtpraxis@zahnarzt-dr-weitz.de

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