Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
auch wenn die Diskussion um das deutsche Gesundheitswesen meist anderes vermuten lässt: Es gibt nach wie vor Aussagen, die wohl niemand anfeindet. Eine davon ist: Die Altersgesellschaft wird uns im Bereich von Medizin und Pflege große Anstrengungen abfordern. Die zweite: Versorgungsqualität und Teilhabe am medizinischen Fortschritt sind unantastbar.
Kosten soll das alles selbstverständlich nichts. Weder zusätzliche Finanzen noch Personal. Was die Entscheider aus dem Hut zaubern, kann unter diesen Umständen nichts anderes sein als Kostendämpfung. Wie solcher Hokuspokus vonstattengehen soll, zeigen die mannigfaltigen Vorschläge, die dazu alle naselang aus Berlin und Brüssel auftauchen. Unter der Ratspräsidentschaft Belgiens soll die Mobilität von Ärzten und Pflegern innerhalb der EU gefördert werden. Ist das die Lösung zur Herausforderung? Haben wir in anderen EU-Ländern den geeigneten Personalüberschuss, der künftig unsere Probleme auffängt? Oder ist das demoskopische Desaster nicht eher ein gesamteuropäisches? Dann heißt das doch, dass die Ärzteschaft der Zukunft unter Mobilität den Flying-Doctor à la Australien vor Augen hat, der heute in Mecklenburg-Vorpommern, morgen in der Sierra Madre und übermorgen in den Karpaten seinen „Dienst“ tut.
Oder lösen wir das Problem – auch gesamteuropäisch – durch den gezielten Einsatz von medizinischem und pflegerischem Fachpersonal, das akademisch bachelorund mastergeschult dann ärztliche Tätigkeiten ausübt? Ist dieses Fachpersonal dann „Arzt light“ oder „Pflege schwer“? Geht es darum, dem wirklichen Arzt eine größere Bandbreite im Delegieren von Leistungen zu ermöglichen? Fragen über Fragen, auf die die richtigen Antworten noch nicht gefunden sind, also Vorsicht angebracht bleibt. Denn hier geht es um weit mehr als Blutdruckmessen. Gerade angesichts der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse um die systemische Bedeutung von Krankheiten – beispielsweise im oralen Bereich – müsste inzwischen deutlich geworden sein, dass es längst nicht mehr reicht, nur nach dem Prinzip des „Füllens hohler Zähne“ zu planen.
Deshalb bitte die Hand dahin, wo sie hingehört: auf’s Herz! Und dann mal mutig: Gesundheit kostet, nämlich gutes Geld und gutes Personal. Daran wird akademischer Schnellwaschgang und hektisches Arzt- und Heilberufegeschubse wenig ändern. Wer anderes behauptet ist eins mit Sicherheit: Unehrlich!
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur