Kraftvoll zugebissen – vom Haifisch zum Säbelzahntiger
„Und der Haifisch, der hat Zähne – und die trägt er im Gesicht – und Macheath, der hat ein Messer – doch das Messer sieht man nicht“, textete Bertolt Brecht 1928 in seiner Dreigroschenoper. Seine weltberühmte Moritat belegt bildhaft die Hinterhältigkeit des Gangsters Macheath, genannt Mackie Messer, der sein Messer anders als der Hai versteckt am Körper trägt. Im Vergleich zum Ganoven Mackie Messer erscheint der Hai somit als „ehrlicher Räuber“. Und in der Tat: Sichtbar sind seine Furcht erregenden Waffen auf den ersten Blick. Weniger offensichtlich ist allerdings, wie viele davon sich in seinem Kiefer verbergen. Und was sie uns über seinen Träger und die Entstehungsgeschichte der Zähne ganz allgemein verraten können.
Vom Panzerfisch zum Weißen Hai
Anhand von Fossilfunden weiß man, dass die ersten „Zähne“ in der Entwicklung der Wirbeltiere vor rund 450 Millionen Jahren bei Panzerfischen (Placodermi) entstanden sind, den vermutlichen Vorfahren der Haie. Statt um wirkliche Zähne handelt es sich bei dem Gebiss der Panzerfische jedoch um ein bis zwei Paar großer Knochenplatten im Oberkiefer sowie ein Paar im Unterkiefer, mit denen sie mühelos in der Lage waren, ihre Beute zu zerteilen. Besonders gefürchtet war dabei die Art Dunkleosteus terrelli, ein gewaltiger Urfisch mit einer Länge von zehn Metern und einem geschätzten Gewicht von bis zu vier Tonnen. Forscher um Philip Anderson von der Northpark University Chicago haben vor einigen Jahren berechnet, dass der Panzerfisch eine Beißkraft von rund 5000 Newton gehabt haben muss. Und damit doppelt so viel wie der Weiße Hai. Dieser bis zu acht Meter lange Weiße Hai ist ganz unabhängig von dem gleichnamigen Film die größte, nicht Plankton fressende Haiart und damit gleichzeitig der größte heute lebende Raubfisch überhaupt (lat. Carcharodon carcharias).
Ungewöhnlicherweise war das Gebiss des Urfisches Dunkleosteus aber nicht nur kräftig, sondern gleichzeitig auch blitzschnell, so die Forscher. Der Fisch konnte sein riesiges Maul innerhalb einer fünfzigstel Sekunde aufreißen und mit dem starken Sog, der dabei entstand, auch schnelle Beute zwischen seine Kiefer ziehen.
Zum Ende des Devon-Zeitalters, also vor etwa 360 Millionen Jahren, verschwanden die allermeisten Panzerfische wieder von der Erdoberfläche. Etwa seit dem Mittel-Devon gab es dann eine große Zahn-Vielfalt bei frühen Urhaien, deren Zahnaufbau dem heutiger Haie vergleichbar war. Die Hai-Zähne sind sehr wahrscheinlich aus harten Hautschuppen entstanden, wobei die Schuppen auf den Kieferrändern bei frühen Knorpelfischen nach und nach zu Zähnen umgewandelt wurden. Ursprünglich besteht ein solcher Zahn aus einem Dentin-Kegel mit einer nach unten offenen Pulpa-Höhle und ist außen von einer harten, schmelzartigen Substanz (Enameloid) umgeben und mit Bindegewebe am Kiefer befestigt. „Noch heute besitzen die Haie und Rochen diese harten Placoidschuppen, die einen beim Berühren ihrer Haut an Sandpapier denken lässt“, erklärt die Paläontologin Elke Gröning vom Institut für Geologie und Paläontologie in Clausthal-Zellerfeld.
Lebenslang wachsende Zähne
Knorpelfische, also Haie und Rochen, besitzen eine weitere beneidenswerte Eigenschaft: Ihre Zähne wachsen ein Leben lang am Innenrand des Kiefers in einer Zahnbildungsgrube nach (polyphodontes Gebiss). „Im Ergebnis entsteht so das typische mehrreihige Revolvergebiss mit bis zu 500 Zähnen in bis zu 15 Reihen mit unterschiedlichen Entwicklungsstadien“, so Elke Gröning. Jeder einzelne Zahn ist dabei in ein faserartiges Ligament eingebettet, das wie eine Art biologisches Förderband funktioniert und für jeden ausgebrochenen Zahn fortwährend Ersatzzähne jüngeren Alters nachrücken lässt. Verlorene Zähne können dabei innerhalb weniger Stunden ersetzt werden, so dass den Haien jederzeit ein vollständiges Gebiss zur Verfügung steht. Im Laufe eines ganzen Lebens kann ein Hai auf diese Weise mehrere zehntausend Zähne produzieren. Wie schnell die Zähne dabei jeweils nachrücken, hängt von unterschiedlichsten Faktoren wie dem Alter, der Nahrung, der Wassertemperatur oder der Art des Tieres ab.
Anders als die meisten Säugetiere, bei denen die oberen und unteren Zahnreihen passgenau durch Schließen der Kiefer ineinander greifen, können Haie ihre Zähne allerdings lediglich als Waffe zum Reißen der Beute und nicht zum Kauen einsetzen. Dabei kommt ihnen zugute, dass ihre Kiefer nicht fest, sondern flexibel mittels einer hyostylen Kieferaufhängung mit dem Hirnschädel verbunden sind. So ist es dem Hai möglich, seinen Oberkiefer unabhängig vom Rest des Kopfes zu bewegen.
Leider muss sich die Knorpelfisch-Forschung meist mit den Zähnen der Haie begnügen, da das sonstige Skelett überwiegend aus Knorpel besteht. „Dieses kann zwar oft verkalken, verknöchert aber nicht, so dass man bei den Fossilfunden meist nur noch auf die Placoid-Zähne trifft“, erklärt Elke Gröning. Auch in Deutschland sind zahlreiche Fundorte von prähistorischen Haiskeletten oder -zähnen bekannt – unter anderem in Lebach (Saarland), in Niederkirchen (Rheinland-Pfalz) oder in Holzmaden (Baden-Württemberg). Die Funde vermitteln aber nicht nur zahlreiche Informationen über die Lebensweise des jeweiligen Trägers und interessante Details über die Evolution der Zähne allgemein, sondern können auch wichtige Hinweise über die Ausbreitung der Meere in früheren Zeiten geben.
Vom Knochenfisch zum Säugetier
Der größte Hai, der in Deutschland lebte, gehörte wohl zur Gattung Procarcharodon, die vor etwa 35 bis 30 Millionen im Gebiet des Mainzer Beckens lebte, wie der Wissenschaftsautor Ernst Probst in seinem Buch „Rekorde der Urzeit“ berichtet: „Er war vermutlich bis zu zehn Meter lang und trug bis zu acht Zentimeter lange dolchartige Zähne. Insgesamt besaß er mehr als 160 Zähne. Der weitläufig mit dem Weißen Hai verwandte Raubfisch war damals das größte Lebewesen in der etwa 300 Kilometer langen und maximal 40 Kilometer breiten Meeresstraße, die das Nordmeer in Norddeutschland mit dem Meer im heutigen Alpenvorraum verband.“
Parallel zu den Ur-Haien entwickelten sich im Verlauf der Wirbeltier-Evolution im Erdaltertum auch Knochenfische, Amphibien und erste Reptilien. Dinosaurier und Säugetiere entstanden anschließend wohl zur gleichen Zeit in der Ober-Trias. Statt echter, im Kiefer verwurzelter Zähne mit Schmelz, Dentin, Pulpa und Zement haben etliche Knochenfische und viele Amphibien ähnlich wie Knorpelfische einfache Zähne, die regelmäßig erneuert werden. Besonders berüchtigt sind dabei die zur Familie der Salmler gehörenden Piranhas, deren Gefährlichkeit allerdings zu einem guten Teil auf Legendenbildung beruht. Immerhin haben die Fische kräftige Kiefer mit messerscharfen Zähnen, mit denen sie in der Lage sind, auch größere Fleischstücke aus ihrer Beute herauszureißen.
Oft haben die oben genannten basalen Wirbeltier-Gruppen (Knochenfische, Amphibien und erste Reptilien) ein „homodontes Gebiss“ ausgebildet, bei dem alle Zähne die gleiche, spitze und kegelförmige Gestalt haben und somit prinzipiell auch die gleiche Funktion übernehmen. „Bei einigen Gruppen können diese Zähne auch auf anderen Knochen des Munddachs wachsen“, so Elke Gröning. „Neben ihren wurzellosen Zähnen haben vielen Arten auch Hornzähne als Eigenbildungen, wie sie zum Beispiel im Schlund und in der Speiseröhre von Lederschildkröten zu finden sind. Ansonsten haben Schildkröten aber bereits sehr früh (mindestens ab der Trias) ihre normale Bezahnung komplett reduziert.“
Ähnliche Zähne wie viele kleine Raubsaurier hatten auch die meisten „Urvögel“ (Archaeopteryx) des Erdmittelalters. „Mit dem Ende der Kreide verschwanden diese Zähne jedoch, so dass die modernen zahnlosen Vögel stattdessen die unterschiedlichsten Schnabelwerkzeuge entwickelt haben, die zum Reißen, Zerhacken, Stochern, Löffeln, Sägen oder Filtrieren dienen“, so Gröning. Im Ober- und Unterkiefer von ungeborenen Hühnern entdeckte der amerikanische Wissenschaftler Matthew Harris von der Universität von Wisconsin in Madison allerdings zahnartige spitze Auswüchse, die dem Gebiss von Alligator-Embryonen im gleichen Entwicklungsstadium ähneln. Die Fähigkeit, Zähne auszubilden, scheint also bis heute im Erbgut vorhanden zu sein.
Zähne durch Wurzeln fest verankert
Evolutionsgeschichtlich älter als die Klasse der Vögel ist die Klasse der Säugetiere. Anders als bei den meisten übrigen Wirbeltieren sind ihre Zähne in aller Regel durch eine oder mehrere Wurzeln fest im Kiefer verankert. Die Spezialisierung der Zähne in einwurzelige Schneidezähne zum Beißen und Nagen, Eckzähne sowie zwei- bis vierwurzelige Vor- und Hauptbackenzähne zum Schneiden, Kauen und Zermalmen hat das Säugetier-Gebiss im Laufe der Evolution zu hoch spezialisierten Werkzeugen werden lassen (Heterodontie). „Hinzu kommt, dass die oberen und unteren Zahnreihen passgenau beim Schließen der Kiefer ineinander greifen, was ihre Effizienz beim Nahrungszerkleinern erheblich steigert“, beschreibt Elke Gröning einen weiteren Vorteil des Säugetiergebisses. „Auf der anderen Seite ging jedoch durch diese Entwicklung von Gebiss-Verschlussfaktoren der Vorteil des unbegrenzten Zahnersatzes verloren. Stattdessen wechseln fast alle Säuger nur einmal einen Teil der Zähne, wenn der Kiefer der heranwachsenden Jungen die Größe der Erwachsenen erreicht hat und und die primären weniger zahlreichen Milchzähne durch den Druck der sekundären heranwachsenden Ersatzzähne ihre Wurzeln abbauen und herausfallen.“ Die zweiten Zähne sind zwar viel resistenter, können aber im Alter, durch mechanische Abnutzung oder durch Krankheit zerstört werden oder ersatzlos ausfallen.
Von Säbelzahntigern und Mammuts
Im Verlauf der Evolution sind etwa vierzig Säugetier-Ordnungen entstanden (einschließlich der ausgestorbenen Ordnungen). Dieser Formenfülle entspricht eine ebenso große Vielfalt unterschiedlichster Gebisse. So gibt es zum Beispiel auch Säugetiere ohne Zähne: Die Unterordnung der Bartenwale etwa, zu denen auch der Blauwal als größtes Säugetier überhaupt gehört, haben stattdessen lediglich Barten, also verlängerte und verhornte Leisten am Gaumendach des Oberkiefers, die zum Filtern von Krill und Plankton als ausschließlicher Nahrung dienen. Und auch spezialisierte Ameisen- und Termitenfresser wie Schuppentiere und Ameisenbären haben ihre Zähne weitgehend bis komplett reduziert. Stattdessen nehmen ihre Nahrung über ihre lange und klebrige Zunge zu sich.
Einige andere Säugetiere, darunter Nagetiere wie Biber, Eichhörnchen, Ratten und Mäuse, haben außerdem Schneidezähne mit weit offenen Wurzeln ausgebildet, die ein Leben lang fortwährend wachsen. Bei den Hasenartigen wachsen zudem auch die Backenzähne permanent nach. Bei sämtlichen Vertretern sind die Zähne auf das Abraspeln von Nahrung eingerichtet, meißelartig verlängert, wurzellos und besitzen eine dicke, harte Schmelzschicht nur auf der Zahn-Vorderseite. „In Verbindung mit dauerndem Nachwachsen und regelmäßiger Abnutzung führt dies zu einem ständigen natürlichen Nachschärfen der Nagezähne“, erklärt die Tierärztin Ines Ott aus Hanau. „Ohne den ständigen Gebrauch würden sich dagegen im Gebiss pathologische Veränderungen ergeben, so dass die Tiere nicht mehr fressen könnten. Ähnliche Probleme kommen immer wieder vor, wenn die Tiere nur Körnerfutter zum Fressen erhalten. Durch mangelnde Gelegenheiten zum Kauen und Nagen kann es dann schnell zu einem unkontrollierten Zahnwuchs kommen, so dass die Zähne durch regelmäßiges Schleifen gekürzt werden müssen.“
Daneben behandelt die Tierärztin regelmäßig auch Hunde oder Katzen. Deren Zähne wachsen zwar nicht permanent nach, doch können auch hier schmerzhafte Fehlstellungen entstehen. „So kann zum Beispiel ein Caninus-Engstand dazu führen, dass die Fangzähne des Unterkiefers in den Gaumen des Oberkiefers einbeißen, wo sie dann Schleimhautläsionen oder Zahnläsionen am gegenüber liegenden Fangzahn verursachen können“, so Ines Ott. Die Korrektur der Fehlstellungen erfolgt kieferorthopädisch mit Dehnschrauben oder Aufbissplatten.
Extrem verlängerte Eckzähne
Ein Sonderfall der Evolution sind die zu einer gefährlichen Waffe vergrößerten Eckzähne bei etlichen Schweinearten oder bei verschiedenen Säbelzahnbesitzern. „Solche extrem verlängerten Eckzähne sind innerhalb der Katzen-Verwandtschaft mindestens viermal aufgetreten und finden sich außerdem auch bei einem südamerikanischen Beuteltier“, erklärt Elke Gröning. Bei der größten Art konnten die Zähne eine Länge von bis zu 28 Zentimeter erreichen! Um diese überhaupt voll einsetzen zu können, konnten die Tiere ihren Unterkiefer in einem Winkel von 95 Grad aufreißen. Zum Verschlingen von Beute scheinen die langen sperrigen Zähne aber eher hinderlich gewesen zu sein. Daher wird vermutet, dass die Tiere die Aorta ihrer Beutetiere durchgebissen haben und diese dann verbluten ließen.
Noch größer sind die zu Stoßzähnen umfunktionierten Scheidezähne im Oberkiefer heutiger Elefanten und ihrer fossilen Verwandtschaft wie den Deinotherien („Hauerelefanten“) oder den Mammuts. Deren Stoßzähne konnten eine Länge von über vier Metern und einen Durchmesser von über 20 Zentimeter erreichen, bei einem Gewicht von über 150 Kilogramm! Ähnlich wie bei Walrossen, die ebenfalls lange Zähne aus Elfenbein haben, dienen die Stoßzähne insbesondere zur Demonstration des sozialen Status, also der eigenen Stärke, und führen damit zur erfolgreichen Fortpflanzung. Sie können aber auch als Werkzeug dienen, etwa zum Schneefegen beim eiszeitlichen Mammut. Die Stoßzähne der weiblichen Elefanten sind bei allen Arten deutlich kleiner als die der Bullen – bei indischen Elefanten besitzen die Weibchen sogar gar keine sichtbar verlängerten Stoßzähne.
Bei den Deinotherien waren die gut entwickelten Stoßzähne statt im Oberkiefer ausschließlich im Unterkiefer ausgebildet. Um mehr über die Ernährungsgewohnheiten der Tiere zu erfahren, startete unlängst ein Forschungsprojekt des Naturhistorischen Museums Mainz (NHM), der Landessammlung für Naturkunde RLP, des Senckenberg Forschungsinstituts Frankfurt am Main und des Hessischen Landesmuseums Darmstadt. Anhand eines im Herbst 2009 ausgegrabenen Unterkiefers eines Jungtieres soll dabei erforscht werden, wie beziehungsweise wofür die Tiere ihre auffälligen Hauer eingesetzt haben. „Auffallend ist insbesondere, dass die mächtigen Stoßzähne nicht nach vorn, sondern zur Brust hin gebogen sind“, berichtet die Paläontologin Gertrud Rößner von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München. „Eine Zeit lang wurde daher vermutet, dass das Deinotherium mit seinen Hauern den Boden aufriss, um beispielsweise an Wurzeln zu gelangen. Dazu hätte sich das Tier aber auf den Boden knien müssen, was mir schon wegen der großen Raubtiere zu dieser Zeit eher unwahrscheinlich erscheint. Außerdem hätte der in der Erde vorhandene Sand deutlichere Abriebspuren an den Backenzähnen hinterlassen müssen, was aber nicht nachzuweisen ist. Ich gehe daher eher davon aus, dass die enormen Hauer den Tieren vorrangig dazu dienten, um Rinde von Bäumen abzuspalten.“
Eine besondere Art des Zahnwechsels teilen die Elefanten mit Seekühen, Springbeutlern und manchen Klippschliefern: Bei ihnen werden nicht gleichzeitig alle Zähne einer Zahn-Generation funktionell eingesetzt, sondern nacheinander, von hinten nach vorn. Es liegt also ein horizontaler Zahnwechsel vor. „Auf diese Weise können Elefanten die benötigten großen Mengen an Nahrung bewältigen“, so Elke Gröning. „Jedes Tier hat dabei maximal sechs Zähne pro Kieferhälfte zur Verfügung. Diese sechs Zähne wachsen zeitlich nacheinander, so dass als aktives Werkzeug immer nur einer pro Kieferhälfte, also vier im Gesamt-Gebiss, gleichzeitig genutzt werden. Während der Abnutzung rücken die einzelnen Backenzähne dann schrittweise weiter nach vorn, um bei völliger Abnutzung schließlich herauszufallen. Gleichzeitig rücken die Zähne der jeweils folgenden Garnitur nach vorne, bis sie jeweils die Position des Vorgängers eingenommen haben.“ Der sechste und damit letzte Satz Zähne erscheint etwa im fünfzigsten Lebensjahr und muss dann für den Rest des Elefantenlebens ausreichen.
Weitere Superlative im Reich der Zähne
Einen ganz anderen Aufbau zeigt das Gebiss der Primaten. Es besteht im Ober- und Unterkiefer auf jeder Seite jeweils aus zwei Schneidezähne, einem spitzkegelförmigen Eckzahn, zwei oder drei vorderen Backenzähnen sowie zwei oder drei Mahlzähnen. In der Afar-Senke in Äthiopien hat ein Forscherteam um den amerikanischen Paläontologen Tim White 1992 die Überreste unseres ältesten bislang bekannten Urahnen Ardipithecus ramidus entdeckt, der vor rund 4,4 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Äthiopien lebte. Neben dem Körperbau, der zeigt, dass Ardipithecus sich ausschließlich auf zwei Beinen bewegte, gibt dabei auch das Gebiss wichtige Hinweise auf seine Lebensweise. Auf Basis einer morphologischen Bestimmung der fossilen Tierzähne konnte dabei zum Beispiel nachgewiesen werden, dass der Lebensraum von Ardipithecus überwiegend mit Wald bedeckt gewesen sein muss. „Das bedeutet, dass sich die Fortbewegung auf zwei Beinen nicht erst als Antwort auf ein Leben in der offenen Savanne entwickelt hat“, so der Paläontologe Ioannis Giaourtsakis von der Universität München, der an der Analyse der Funde beteiligt war. „Außerdem tragen die männlichen Primaten mit Ausnahme des Menschen normalerweise stark vergrößerte Eckzähne, mit denen sie drohen und angreifen. Die Eckzähne von Ardipithecus waren dagegen ähnlich wie beim heutigen Menschen stark reduziert, was möglicherweise auf eine soziale Struktur ohne große Konflikte zwischen Männchen schließen lässt.“
Neben den beschriebenen Phänomenen gibt es eine Reihe weiterer Auffälligkeiten im „Reich der Zähne“. So können zum Beispiel einige Arten von afrikanischen Buntbarschen bis zu 3.000 Zähne in Mund und Rachen besitzen. Und damit mehr als jedes andere Tier! Jeder einzelne Zahn wird dabei alle 50 bis 100 Tage durch einen anderen ersetzt. Die meisten Zähne unter den Säugetieren hat dagegen der ostpazifische Delfin mit 252 Zähnen. Und die härtesten Zähne finden sich bei der Maus, deren winzige Zähne einen Härtegrad nach Mohs von 9,6 aufweisen können (der Diamant als härtestes natürlich vorkommendes Mineral hat im Vergleich einen Härtegrad von 10).
Eine weitere Besonderheit im Tierreich sind die Zähne von Giftschlangen, die in ihrem Inneren einen Kanal enthalten. Die Zähne sind also ähnlich wie eine Injektionsnadel aufgebaut, mit einer Giftdrüse an der Zahnbasis und einer Öffnung in der Nähe der Zahnspitze, an der das giftige Sekret zum Töten ihrer Beute austritt. Alle anderen Zähne der Schlange sind durchweg nach hinten gerichtet und dienen ausschließlich dem Festhalten der Beute und dem Befördern in die Speiseröhre. Die Ausrichtung der Zähne in Richtung des Körpers sorgt dabei dafür, dass das Beutetier sich nicht mehr aus dem Kiefer herauswinden kann. Als weitere Besonderheit kann die Schlange ihren Unterkiefer vorübergehend ausrenken, da er nicht fest mit dem Schädel verbunden ist. Auf diese Weise kann sie auch große Beute herunterschlingen. Nach dem Schlucken muss der Kiefer dann durch kreisförmige Bewegungen wieder eingerenkt werden.
Ähnlich Furcht erregend präsentiert sich das mächtige Gebiss einiger Tiefseefische. Die langen Zähne dienen dabei als möglichst große „Futterfanggeräte“. Da die Beute-Dichte in der Tiefsee nicht besonders groß ist, fangen diese Fische alles, was sie bekommen können, auch wenn die Beute deutlich größer ist als sie selbst. „Dafür haben sie speziell dehnungsfähige Mägen ausgebildet und können so von einer überdimensionierten Beute lange existieren“, so Elke Gröning. Auch das ist eine perfekte Anpassung an die Bedingungen der Umwelt.
Robert UhdeGrenadierweg 3926129 Oldenburg