Differentialdiagnose der präaurikulären Schwellung

Lymphknotenhyperplasie im Bereich der Glandula parotis

221440-flexible-1900

Kinder und jugendliche Patienten erfordern immer die besondere Aufmerksamkeit des Zahnarztes. Vor allem Abweichungen von der Norm sollten Anlass zu einer sorgfältigen diagnostischen Abklärung geben. Hier soll exemplarisch der Fall eines 16-jährigen Patienten präsentiert werden, der von seinem Hauszahnarzt wegen einer seit zwei Monaten persistierenden Schwellung präaurikulär links im Bereich der Glandula parotis in unserer Klinik vorgestellt wurde. Der ansonsten gesunde Patient berichtete über eine geringfügige Größenzunahme der Schwellung in den letzten zwei Wochen trotz alio loco eingeleiteter antibiotischer Therapie. Anamnestisch fanden sich keine Hinweise auf eine sogenannte B-Symptomatik: Nachtschweiß, Gewichtsverlust oder Fieber. Risikokontakte (Zeckenbiss, Tuberkulose, HIV, Tropenkrankheiten) ließen sich nicht eruieren. Bei der klinischen Untersuchung imponierte eine diskret erhabene, glatt begrenzte, verschiebliche, palpatorisch pralle, nicht druckdolente subkutane Schwellung von etwa 1,5 x 1 cm Größe präaurikulär links (Abbildung 1). Neurologische Ausfälle – Paresen der Gesichtsmuskulatur (N. fazialis) oder Sensibilitätsstörungen im Bereich des N. trigeminus – lagen nicht vor. Weitere Lymphknotenschwellungen konnten bei der ausführlichen körperlichen Untersuchung ebenso wenig festgestellt werden wie eine Hepatound/ oder Splenomegalie. Der Allgemeinzustand des normalgewichtigen Patienten war nicht beeinträchtigt, die im Ohr gemessene Körpertemperatur lag im Normbereich. Die intraorale Untersuchung lieferte keine Hinweise auf eine dentogene Ursache der Schwellung. Aus den Speicheldrüsen-Ostien ließ sich klares Sekret exprimieren.

Sonografisch imponierte eine circa 1,5 cm durchmessende, echoarme, glatt begrenzte, innerhalb der linken Glandula parotis gelegene Raumforderung mit einer stark vaskularisierten Binnenstruktur (Abbildungen 2 und 3). Ansonsten zeigte die Drüse ein homogenes Parenchym ohne Stauungszeichen; Steine oder sonstige pathologische Strukturen ließen sich sonografisch nicht nachweisen. Die Labordiagnostik umfasste unter anderem Differentialblutbild, CRP, Leberwerte sowie EBV-, CMV- und HIVSerologie. Sämtliche Befunde waren unauffällig. Unter Würdigung aller erhobenen Befunde ergab sich der Verdacht auf einen benignen Speicheldrüsentumor im Bereich der Glandula parotis, so dass zur histologischen Diagnosesicherung und gleichzeitigen Therapie die Indikation zur chirurgischen Entfernung des Befunds gestellt wurde.

Die Exstirpation der Raumforderung erfolgte in Intubationsnarkose über einen präaurikulären Zugang. Entsprechend des klinischen und des sonografischen Befunds stellte sich auch intraoperativ ein gut begrenzter solider Tumor ohne Malignitätskriterien dar (Abbildung 4). Histologisch zeigte sich dann jedoch eher überraschend lediglich das typische Bild eines hyperplastischen Lymphknotens mit erhaltener Binnenstruktur (Abbildungen 5a und 5b).

Diskussion

Der vorliegende Fall verdeutlicht einmal mehr die differentialdiagnostischen Schwierigkeiten, denen der Behandler sich bei Schwellungen im Bereich der Glandula parotis gegenüber sieht. Es gilt hierbei, Veränderungen innerhalb der Ohrspeicheldrüse von Alterationen in den Nachbargeweben, wie im vorliegenden Fall zutreffend, abzugrenzen. Grund sätzlich müssen infektiöse (Tuberkulose, Mononukleose, Zytomegalie, Borreliose) von nicht infektiösen, entzündlichen Lymphknotenerkrankungen (Sarkoidose) und Raumforderungen (benigne beziehungsweise maligne Tumoren einschließlich Metastasen) differenziert werden [Teymoortash et al., 2002]. Insbesondere bei multiplen Läsionen muss die Manifestation einer generalisierten Lymphknotenerkrankung in die Differentialdiagnostik einbezogen werden, wobei neben der Sonografie die Magnetresonanztomographie (MRT) einen wichtigen Beitrag leisten kann. Jedoch sollte auch eine isolierte Schwellung, wenn sie wie im vorliegenden Fall trotz Antibiose über mehrere Wochen persistiert, an eine Neoplasie denken lassen und die entsprechenden diagnostischen Schritte nach sich ziehen. Speicheldrüsentumoren kommen im Kindesalter selten vor: Lediglich fünf Prozent aller Speicheldrüsentumoren treten im Kindesalter auf, diese aber wie im präsentierten Fall vornehmlich im Bereich der Glandula parotis (bis zu 90 Prozent) [Bradley et al., 2007]. Klinisch und sonografisch sprachen glatte Begrenzung, Verschiebbarkeit sowie das Fehlen neurologischer Ausfälle gegen eine Infiltration der Nachbargewebe und somit für eine benigne Raumforderung (Adenom). Eine infektiöse Lymphknotenerkrankung wie zum Beispiel Mononukleose, Zytomegalie, Borreliose oder HIV-Infektion oder eine systemische entzündliche Erkrankung wie Sarkoidose waren im vorliegenden Fall aufgrund des gutes Allgemeinzustands, der fehlenden Hepatosplenomegalie, des isolierten Befunds sowie der paraklinischen Befunde (fehlende Leukozytose, keine CRPErhöhung, negative Serologien) unwahrscheinlich. Zur Diagnosesicherung ist in jedem Fall die histologische Untersuchung erforderlich. Ob dazu nur die abzuklärende Raumforderung oder die gesamte Glandula parotis exstirpiert wird, hängt von den klinischen und paraklinischen Befunden ab. Im vorliegenden Fall konnte der Eingriff aufgrund der fehlenden Anzeichen für Malignität auf eine Entfernung des betroffenen Gewebes beschränkt werden. Entgegen der Verdachtsdiagnose wurde histologisch eine Lymphknotenhyperplasie diagnostiziert, deren Ursache ungeklärt bleibt. Das operative Vorgehen ist dennoch unverzichtbar, da erst die histologische Diagnose einen malignen Tumor oder eine behandlungsbedürftige Allgemeinerkrankung sicher ausschließen kann.

Für die zahnärztliche Praxis soll der Fall daran erinnern, dass auch die Umgebungsstrukturen des stomatognathen Systems, insbesondere die Speicheldrüsen und die Lymphknoten, relevante pathologische Strukturen enthalten können. Gerade diese anatomischen Strukturen liegen im Blickfeld des Zahnarztes, der deshalb pathologische Veränderungen oft als Erster erkennen und der weiteren Diagnostik zuführen kann. Dies betont noch einmal die wichtige Rolle, die der Hauszahnarzt ähnlich dem Hausarzt in der ganzheitlichen Betreuung seiner Patienten spielt.

Dr. Askhan RashadPD Dr. Dr. Peter MaurerKlinik für Mund-, Kiefer- undPlastische Gesichtschirurgieder Ruhr-Universität BochumKnappschaftskrankenhausBochum-LangendreerIn der Schornau 23–25D-44892 Bochumpeter.maurer@rub.de

LiteraturBradley P, McClelland L, Mehta D.Paediatric salivary gland epithelial neoplasms.ORL J Otorhinolaryngol Relat Spec.2007;69(3):137-45.

Teymoortash A, Dünne AA, Werner JA.Parotideal lymph node metastasis in squamous cell carcinoma of the skin.Eur J Dermatol. 2002 Jul-Aug;12(4):376-80.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.