Erträge bei Lebensversicherungen

Auf Talfahrt

Zwei Drittel der abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen erreichen nicht das Ende der vereinbarten Laufzeit. Gründe dafür gibt es viele. Einer davon liegt wohl in den sinkenden Renditen. Die Versicherten möchten ihr Geld in attraktivere Anlagen investieren. Manche fürchten sich auch vor Verlusten – eine verständliche Reaktion.

Maximale Sicherheit und hohe Renditen – Profis der Geldanlage wissen, dass diese beiden Kriterien einander ausschließen, auch wenn Berater so manchem Kunden glauben machen wollen, dass es doch geht mit Zertifikaten und anderen verworrenen Konstruktionen. Auch die Lebensversicherer mussten sich diesen Grundsatz zu Herzen nehmen, nachdem sie die Beiträge ihrer Versicherten aufs Spiel setzten und am Neuen Markt spekulierten. Die Mannheimer Versicherung erlebte 2002 ihr Desaster und deren Kunden bangten um ihre Ersparnisse. Die Branche zog die Konsequenzen. Sie gründete die Sicherungseinrichtung Protektor, die ähnlich der Einlagensicherung deutscher Banken, in Schwierigkeiten geratene Unternehmen auffängt – so auch die Mannheimer.

Seitdem musste kein Unternehmen mehr den Schutz der Einrichtung in Anspruch nehmen. Die Besitzer der rund 90 Millionen Verträge (inklusive Pensionskassen und -fonds) dürfen sich sicher fühlen – mit einem großen „Aber“. Die Renditen für Kapitallebensversicherungen sinken stetig. Das ergab zuletzt eine Untersuchung der Ratingagentur Assekurata in Köln. Verzinsten sich die Sparguthaben der Versicherten in 2002 noch mit satten 6,13 Prozent, müssen sich die Kunden in diesem Jahr mit knapp 4,2 Prozent zufrieden geben – Tendenz fallend. Doch viele Versicherte werden sich in diesen Zeiten an die Versprechungen ihres Beraters erinnern, als er ihnen die Vorteile einer Kapitallebensversicherung anpries. Da war vom Garantiezins die Rede, den der Kunde auf jeden Fall bekommt, egal wie schlecht die Zinslage sein wird. Nun liegt dieser Zins für aktuell abgeschlossene Verträge nur noch bei 2,25 Prozent.

Altverträge mit höheren Zinsen

Freuen dürfen sich die Anleger, die einen Altvertrag aus den Jahren 1994 bis 2000 in der Schublade haben. Sie kassieren satte vier Prozent. Bislang fielen die Unterschiede beim Garantiezins kaum auf. Denn die Gutschriften setzen sich aus der Verzinsung und der freiwillig gezahlten Überschussbeteiligung zusammen. In den vergangenen Jahren ergaben sich daraus Renditen in der oben erwähnten Höhe von im Durchschnitt 4,2 bis 4,5 Prozent. Manche Gesellschaften rechneten, um die Zahlen für die Werbung zu schönen, noch eine Schlussverzinsung hinzu, die aber nicht immer gezahlt wird. Insgesamt aber lagen die Renditen also immer über dem Garantiezins und alles war in Ordnung. Dass sich in Zukunft daran nichts ändern wird, dürfte ein frommer Wunsch sein. Die sinkenden Erträge haben inzwischen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Bonn alarmiert. Jochen Sanio, Chef der Aufsichtsbehörde dazu: „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Wir erwarten weitere Senkungen auch in diesem Jahr.“

Die Gründe für die schlechten Ergebnisse liegen vor allem im anhaltend niedrigen Zinsniveau. Das wirkt sich bei den Versicherungen umso stärker aus, weil sie den größten Teil der Einlagen ihrer Kunden in festverzinsliche und sichere Wertpapiere investiert haben und die werfen naturgemäß nur niedrige Renditen ab. Hätten sie die mögliche Aktienquote von 35 Prozent im vergangenen Jahr ausgenutzt, könnte die Branche jetzt bessere Zahlen präsentieren. Doch die bitteren Erfahrungen aus der Vergangenheit mahnen zur Vorsicht. Deshalb sind zurzeit nur rund fünf Prozent des Kapitals in Aktien investiert. Aber auch steigende Zinsen können der Branche zum Problem werden. Ihre langfristige Anlagepolitik verhindert ein schnelles Umschichten in höher verzinste Papiere. Sie könnten dann im Wettbewerb mit den Banken nicht mithalten und mehr Kunden würden abwandern.

Angesichts der mittelfristigen Zinsprognosen sah die BaFin Kontrollbedarf. Bislang wurden die Zinszusagen immer noch mit einem Zuschuss aus den Rückstellungen befriedigt. Wie lange das noch möglich sein wird, steht in den Sternen. Im letzten Herbst schickte die BaFin deshalb ein Rundschreiben an alle Assekuranzunternehmen mit der Bitte um Prognoserechnungen bis 2018. Zwei der drei Vorgaben waren bewusst pessimistisch. Das Ergebnis präsentierte Sanio Anfang Januar: „Jetzt wissen wir, dass sich die Risikotragfähigkeit der Unternehmen – wie nicht anders zu erwarten – bis 2018 merklich verschlechtern wird; dennoch würde die Branche auch eine lange Niedrigzinsphase überstehen.“ Seiner Meinung nach ist kein Unternehmen unmittelbar gefährdet: „Kurzum: Niedrige Zinsen bedeuten nicht das Aus für die konventionelle Lebensversicherung.“

Aber was bedeutet dies für den Sparer? Er hat einen Vertrag abgeschlossen, der ihn für mehr als zwölf, häufig auch für 20 Jahre und mehr bindet. Beim Abschluss hat er den Versprechungen des Beraters geglaubt, der ihm hohe Renditen versprochen hat. Nun muss er befürchten, dass es sogar für den Garantiezins knapp wird.

Die wenigsten Versicherten dürften wissen, welche Ansprüche sie aus dem Garantiezins herleiten können. Bislang brauchten sie sich darüber keine Gedanken zu machen. Die erzielten Renditen lagen immer über dem Mindestzins. Tatsache ist, dass sich die Unternehmen zur Zahlung des Garantiezinses verpflichtet haben. Können sie – wie zurzeit manche von ihnen – den Mindestzins nicht erwirtschaften, stehen nicht zugeordnete Überschüsse zur Verfügung. Reichen auch die nicht mehr aus, müssen Aktionäre zugunsten der Versicherten auf ihre Dividenden verzichten. Dieses Kapital fließt dann in den Garantiezins. Das gilt zumindest für Aktiengesellschaften. Viele Versicherer jedoch sind in einer anderen Gesellschaftsform organisiert, der VVaG – dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Geltungsbereich des Garantiezinses

Dazu gehören beispielsweise die Debeka, die Ideal oder die DEVK. Sie zahlen keine Dividenden. Reichen hier die Erträge nicht mehr für die Bedienung des Garantiezinses, springt die Sicherungseinrichtung Protektor ein. Sie ist auch für AGs zuständig, die nicht mehr zahlen können.

Kommt es jedoch zum Supergau und zeigt sich auch Protektor überfordert, bleibt den Unternehmen noch ein Hintertürchen. So steht es auf der Website von Protektor: „Sofern die finanziellen Mittel des Sicherungsfonds nicht ausreichen, einen übertragenen Versicherungsbestand zu sanieren, setzt die Aufsichtsbehörde die vertraglich garantierten Leistungen aus den übernommenen Verträgen um maximal fünf Prozent herab.“ Pech für die Betroffenen. Nun müssen die Versicherten, die einen Vier-Prozenter besitzen nicht als erste bangen. Um die Ansprüche aus den Verträgen zu befriedigen, muss die Assekuranzbranche einen durchschnittlichen Jahreszins von 3,4 Prozent sicherstellen. Das bedeutet, die Versicherten, die nur Anspruch auf den aktuellen Satz von 2,25 Prozent haben, subventionieren die Altverträge. Derzeit beträgt deren Anteil noch knapp 30 Prozent. Die Hochprozenter aber erledigen sich im Laufe der Zeit von allein. Sie laufen einfach aus, viele Verträge werden gekündigt, weil die Kunden die Beiträge nicht mehr zahlen können oder weil sie dachten, mit anderen Investments höhere Renditen zu erwirtschaften. Insgesamt erreicht nur ein Drittel aller Verträge das Ende der vereinbarten Laufzeit.

Lebensversicherung zuerst klassische Risikovorsorge

Was viele Versicherte beim Abschluss einer Lebensversicherung nicht bedenken, ist die Tatsache, dass die Renditen und damit auch der Garantiezins nur auf den Sparanteil ihres Beitrags gezahlt werden. Das heißt, vom eingezahlten Beitrag gehen die Kosten – wie Provisionen und Verwaltungskosten – ab sowie die Aufwendungen für die Risikoabsicherung. Übrig bleibt nur ein relativ kleiner Teil. Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart, rechnet vor. „Von 100 Euro Versicherungsbeitrag bleiben so oft nur 80 bis 85 Euro übrig, auf die der Garantiezins kommt.“ Die Assekurata bestätigt, dass im Marktdurchschnitt bei einer Kapitallebensversicherung mit 30 Jahren Laufzeit für einen 30-jährigen Mann nur rund 80 Prozent der Prämie für den Sparprozess zur Verfügung stehen. Die garantierte Beitragsrendite liegt demnach bei etwa 1,3 Prozent. Diese Kennzahl sollte bei der Entscheidung für oder gegen den Abschluss einer Lebensversicherung eine große Rolle spielen. Der Anleger sollte sich genau überlegen, ob er sich mit diesen mageren Erträgen zufrieden geben will. Denn auf längere Sicht wäre bei einer steigenden Inflationsrate allein mit der garantierten Verzinsung der Erhalt des Kapitals nicht gesichert.

Vergessen sollte der Sparer bei seinen Überlegungen auch nicht, dass eine Lebensversicherung vom Konzept her in erster Linie dazu dient, Risiken abzusichern und erst an zweiter Stelle als Geldanlage dient. Deshalb hinkt ein direkter Vergleich mit anderen Anlageprodukten. Doch dank der staatlichen Förderung und der Produktvariationen gilt die Lebensversicherung in erster Linie der Altersvorsorge. Vor allem die Varianten, die mit mehr Garantien ausgestattet sind, erfreuen sich steigender Beliebtheit. Anleger sollten sich aber vergewissern, ob diese Garantien während der gesamten Laufzeit greifen oder erst am Ende. Der derzeitige Garantiezins in Höhe von 2,25 Prozent scheint jedenfalls nicht gefährdet. Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) empfiehlt dem Bundesfinanzminister, den Garantiezins für Verträge ab 2011 trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase unverändert zu lassen.

Neben den niedrigen Zinsen macht Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin noch einen anderen Grund für die sinkenden Renditen bei Lebensversicherungen verantwortlich: „Es wirken sich auch die veränderten Sterbetafeln aus, die dank der längeren Lebensdauer der Versicherten geändert worden sind.“ Die Unternehmen kalkulieren mit längeren Zahlungen bei den Rentenversicherungen, die ja vom Prinzip her den Lebensversicherungen ähnlich sind, nur dass das Kapital nicht in einer Summe, sondern als Rente ausgezahlt wird. Es ist also mehr Kapital gebunden, das nicht für Zinszahlungen zur Verfügung steht.

Effizienzprinzip: Gut Ding will Weile haben

Wer eine klassische Kapitallebensversicherung abgeschlossen hat, sollte auch dabei bleiben. Ein Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt brächte viele Nachteile. Zum einen gibt es zurzeit so gut wie keine lukrativen Alternativen für eine Geldanlage. Zum anderen kommt außer einer Kündigung, die eher zu Verlusten führt, kaum ein Ausstieg in Frage. Der Verkauf der Police macht zurzeit keinen Sinn, weil der Zweitmarkt, auf dem Verträge normalerweise gehandelt werden, derzeit kaum Chancen bietet. Wer sich fürs Durchhalten entscheidet, wird am Ende belohnt: So liegen die maximal erreichten Renditen für einen Vertrag, den ein 30-jähriger Nichtraucher abgeschlossen hat, bei zwölfjähriger Laufzeit bei 5,35 Prozent, nach 20 Jahren bei 6,43 Prozent und nach 30 Jahren bei 6,56 Prozent. Verbraucherschützer Gaschke empfiehlt den Abschluss einer Lebensversicherung deshalb unter Vorbehalt: „Ob eine Lebensversicherung sinnvoll ist, hängt von den individuellen Gegebenheiten beim Verbraucher ab. Das Produkt ist auf einen langen Zeitraum ausgelegt. Die Schwankungen bei den Erträgen werden über die Jahre geglättet.“

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Anteil an der Gesamtverzinsung in %

2003

2005

2008

2010

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Garantiezins

11,09

13,11

13,61

13,60

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Laufender Überschuss

29,20

31,35

42,05

39,90

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Schlussüberschuss

59,71

55,54

44,34

46,50

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Quelle: Assekurata

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