Das Konzept der freien Praxis siegt
Beim 14. – letzten gesamtdeutschen – Zahnärztetag 1959 in Berlin provoziert Professor Dr. Erwin Reichenbach aus Halle bei den SED-Oberen besonderes Misstrauen. Das ostdeutsche Gesundheitsministerium kreidet es den bundesdeutschen Organisatoren übel an, dass den Ostberliner und mitteldeutschen Zahnärzten die Kongressgebühren erspart werden. Auch das Grußtelegramm von Bundeskanzler Konrad Adenauer, öffentlich verlesen, passt den SED-Machthabern ganz und gar nicht. Aufpasser belauern die Gruppierungen und ihre Gespräche, es folgen widerwärtige Schikanen. Reichenbach und Walter Hoffmann-Axthelm, die beiden ostdeutschen Mitveranstalter, werden ins Ministerium bestellt und müssen sich eine scharfe Abfuhr gefallen lassen. Bei diesem allerhöchsten Donnerwetter wird ihnen aufgetragen, einen Protestbrief an ihre bundesdeutschen Kollegen zu verfassen und einen Durchschlag davon dem ostdeutschen Gesundheitsministerium zu apportieren.
Die beiden Herren feilen einen Nachmittag lang in der Staatsoper an dem Text, um ihn möglichst moderat und diplomatisch zu Papier zu bringen, er wird in Westberlin auch mit Augenzwinkern gelesen. Bundesdeutschen Zahnärzten wird anschließend der Besuch des Kongress-Programmteils in Ostberlin verweigert mit der Begründung, sie seien „unerwünscht“. Der Kontakt zwischen den organisierten Beziehungen der gesamtdeutschen Kollegenschaft war zerrissen. Dabei hatte dieser letzte gesamtdeutsche Zahnärztetag mit so großen Hoffnungen begonnen. Dr. Erich Müller betonte in seinem Grußwort „nämlich die Tatsache, dass er in Berlin begangen wird, in Berlin, das uns Deutschen heute als Symbol der Einheit und Freiheit gilt. Der ‚Eiserne Vorhang’ trennt zwar organisatorisch die deutschen Zahnärzte; aber die jubilierende Deutsche Gesellschaft [die DGZMK feierte gleichzeitig ihr 100-jähriges Bestehen, d. Autor] umfasst als Mitglieder Zahnärzte aus beiden Teilen des deutschen Vaterlandes, und so werden wir gerade in Berlin die Möglichkeit haben, Zahnärzte aus allen deutschen Gauen zu begrüßen ... Das Bekenntnis zu Berlin ist ein Bekenntnis zum ungeteilten und freien Deutschland“.
Beteiligung mitteldeutscher Kollegen
Die Beteiligung der mitteldeutschen Kollegen war sorgfältig in die Wege geleitet worden: Dr. Carl Brodmann, Leipzig, hatte man ein Jahr vorher mit der Hermann-Euler-Medaille ausgezeichnet. Die Kollegen Reichenbach und Schönherr, Dresden, hatten die Veranstalter zu den vorbereitenden Sitzungen eingeladen, um den bewusst geplanten gesamtdeutschen Zahnärztetag 1959 auch als eine bewusst gesamtdeutsche Kundgebung in der Verbandsgeschichte festzuschreiben. In langwierigen Verhandlungen mit den Ostberliner Behörden war es der DGZMK und der Bundeszahnärztekammer gelungen, die Feierlichkeiten sowohl in der Westberliner Kongresshalle als auch in der Ostberliner Staatsoper zu terminieren. Es half alles nichts: Ostberlin fürchtete den freiheitlichen Virus und hatte Gründe für den Riss provoziert, um den organisatorischen Schlussstrich zu ziehen.
Keine offizielle Verbindung
Im Geschäftsbericht 1960 steht unter der Rubrik „12. Sowjetische Zone“: „Eine offizielle Verbindung zwischen den Berufsorganisationen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs besteht nicht. Der Erfahrungsaustausch in der wissenschaftlichen Forschung wurde durch Vortragende bei wissenschaftlichen Veranstaltungen im bisherigen Maße aufrechterhalten. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als die umfassende wissenschaftliche Gesellschaft der Zahnärzte in der Bundesrepublik gab der engen Verbundenheit aller deutschen Zahnärzte dadurch Ausdruck, dass sie zu ihrem Jahrespräsidenten einen Wissenschaftler aus der Ostzone, Professor Reichenbach, Halle, wählte.“
„Die Fluchtbewegung aus der Zone in die Bundesrepublik hält an“, heißt es weiter in dem Geschäftsbericht. „In den Jahren 1954 bis 1959 befanden sich unter den Flüchtlingen 928 Zahnärzte. Im Jahre 1960 waren es 296. Die Zahl der Zahnärzte, die sich in den letzten drei Jahren aus der sowjetischen Zone abgesetzt haben, beträgt etwas über 300.“
Noch können nach diesem Eklat deutsche Zahnärzte in privatindividueller Verantwortung zu Kongressen in die DDR reisen und dort Vorträge halten, so etwa auch zur Herbsttagung der Medizinisch-Wissenschaftlichen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Halle am 28./29. Oktober 1961. Einige Tage später kommen Emissäre vom Ostberliner Gesundheitsministerium und werfen Reichenbach vor, er habe 50 westdeutsche Kollegen „eingeladen“ und sie „gewissermaßen subkutan eingeschleust“. Der Wind weht immer eisiger. Die Mauer steht in Berlin, im August zuvor errichtet. Ostberlin fürchtet wieder „Demonstrationen“ und liberale Infektion durch bundesdeutsche Gäste. Gesundheitsminister Max Sefrin, gleichzeitig stellvertretender Ministerpräsident der DDR, und seine Kalfaktoren drohen in Korrespondenz versteckt und setzen Reichenbach in Gesprächen unter Druck. Ihr Vorwurf: Reichenbach verweigere die Zusammenarbeit mit den „staatlichen Organen“. Schließlich stellt er seine Ämter zur Verfügung. Staatssekretär Dr. Wilhelm Girnus nimmt an mit dem Kommentar, er, Reichenbach, sei unfähig, „den Erfordernissen der Ausbildung und Erziehung junger Ärzte für den sozialistischen Staat“ gerecht zu werden.
Reichenbach erhält Hausverbot
Der unter Pression gesetzte und entlassene Gelehrte hat noch Rückhalt bei der „Leopoldina“; ihre Laudationes und Ehrungen sind Beispiele, wie zwischen den Zeilen der Diktatur abgesagt wird – und die ein Zensor zähneknirschend passieren lassen muss, weil sie in ihren Formulierungen keine Handhabe zur Intervention bieten. Reichenbach wird untersagt, für die Dauer eines Jahres sein Klinikgebäude zu betreten.
Untersagt wird ihm auch der Besuch des FDI-Kongresses 1962 in Köln. Professor Wolfgang Rosenthal und drei SED- Leute werden vom bundesdeutschen Nachrichtendienst abgewiesen und müssen zurückreisen. Reichenbach starb am 24. Januar 1973 an einer Lungenembolie; auf einem Augsburger Friedhof ist er im Familiengrab beigesetzt. Laut glaubwürdiger Quelle haben in der Bundesrepublik praktizierende Schüler von ihm für ihren in Not lebenden Lehrer in seinen letzten Jahren Geld gesammelt.
Explosionsartiger Prozess
Im Gegensatz zu der phasenweisen Abwürgung der Kontakte zwischen der west- und ostdeutschen Kollegenschaft von 1945 bis 1960 durch Sowjetische Militäradministration, FDGB und SED vollzog sich der Prozess der Wiedervereinigung nach dem Fall der Mauer 1989 zeitlich und organisatorisch fast explosionsartig und war 1992 im Großen und Ganzen abgeschlossen.
Im Geschäftsbericht der Bundeszahnärztekammer 1991/1992 heißt es: „80 Prozent der Zahnärzte in den neuen Bundesländern sind in freier Praxis niedergelassen, arbeitsfähige Zahnärztekammern sind aufgebaut“ [Seite 25]. Eine lapidare Bemerkung, die von Zeitzeugen, an diesem geschichtlichen Ereignis aktiv und per Person beteiligt, ohne Weiteres bestätigt werden kann. Das Konzept der freien Niederlassung siegte fast über Nacht; die Ambulatoriums-Wirtschaft und erstarrte Großbürokratie des kommunistisches Staates brachen, in ihrer Bedeutung und Struktur völlig vermorscht und defunktionalisiert, fast ebenso schnell zusammen.
Die Wunden der Spaltung in beiden Landesteile verheilten nie und blieben latent-unterbewusst in berufspolitischer Erinnerung, auch wenn wenig oder kaum darüber gesprochen wurde. Viele Zahnärzte in Ost- und Westdeutschland pflegten ihre verwandtschaftlichen Bande oder gemeinsamen universitären Erinnerungen und ließen sich die freundschaftlichen Kontakte auch durch noch so kleinkarierte Schikanen der kommunistischen Gewaltherrschaft nicht zerstören.
Dröhnender Beifall
Beifall dröhnte, als Bundeskammer-Präsident Dr. Horst Sebastian beim Deutschen Zahnärztetag 1986 in Köln in seiner Festansprache laut die Hoffnung auf eine in Freiheit wiedervereinigte Kollegenschaft äußerte („entweder erlebe ich es noch oder einer meiner Nachfolger ...“). Wenn bei FDI-Terminen nach dem Aufbegehren der Solidarność-Werftarbeiter in Danzig polnische Gäste auftraten – erste Indizien des Zusammenbruchs kommunistischer Herrschaft – trampelten die Auditorien der Festsäle Zustimmung.
In der Poststelle des Kölner Zahnärztehauses und auf den Schreibtischen der zm-Redaktion landeten – inzwischen leider verloren gegangene – Briefe und Karten aus der DDR, auf Um- und Irrwegen in den Westen gelangt, Hilferufe und Mitteilungen des Inhalts: Wir würden gerne zu Euch in die Bundesrepublik kommen, „aber diese Schurken lassen uns nicht reisen“ (so einmal wörtlich). Die westlichen Kollegen verfolgten die Zustände in der DDR aufmerksam.
Stille Arbeit der Zusammenführung
Nach November 1989 schlug die Stunde der Bundeszahnärztekammer, sie war – wieder einmal – „da“.
Der Vorstand agierte ohne rhetorische Durchreißer. Die Kammer leistete bei der Zusammenführung meist stille Arbeit. Von oppositionellen Paradesprechern als Versammlung von bedächtigen Honoratioren bespöttelt, bestand sie diese politische Probe glänzend; erst recht, als mitten in den brisanten Monaten der Wiedervereinigung im September 1990 in Timmendorf bei der Hauptversammlung ein Teil der Kammern dem BDZ die Kooperation versagte, ausscherte und eine so genannte „Arbeitsgemeinschaft“ gründete. Kurzsichtiger und leichtfertiger hätte von diesen Initiatoren, die zur Bewältigung der schwierigen politischen Probleme keinen einzigen Finger rührten, nicht gehandelt werden können.
Mit Bestürzung reagierten die Vertreter der assoziierten Kammern der neuen Bundesländer auf diese Entwicklung. Der damalige (und heutige) Präsident der Landeszahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern und jetzige BZÄK-Vizepräsident Dr. Dietmar Oesterreich verlas eine entsprechende Erklärung. Er warnte angesichts der zusammenwachsenden politischen Einheit Deutschlands vor der Uneinigkeit der Zahnärzte: „In dieser Stunde der Gefahr sind wir aufgerufen, über alle Unterschiede hinweg, uns die Hand zu geben und mit einer Stimme als Zahnärzte Deutschlands zu sprechen. Wir werden unseren Delegierten empfehlen, dem BDZ schnellstens als ordentliches Mitglied beizutreten, und sehen dahin unseren Beitrag zur Vollziehung der Vereinigung Deutschlands.“
Bundeskammer-Präsident Adolf Schneider und seine Kollegen vom Teil-Vorstand haben maßgeblichen Anteil, dass innere und äußere Spaltung geheilt und überwunden, die (Wieder-)Vereinigung zu einem guten Abschluss gebracht werden konnte. Geschichtsbewusste Akteure handeln bedächtig und ohne Lautstärke.
Für Koordinierungs- und Kooperationskonferenzen zur Angleichung der Rechtsordnungen reihte sich Termin an Termin. Lange, abendliche, nächtliche Konferenzen. BDZ/KZBV-Justitiar Rechtsanwalt Dr. Heribert Pohl sorgte dafür, dass die zwischen den Ministerien in Ost und West ausgehandelten Transferleistungen sicher und punktgenau an die richtige Adresse kamen. Adolf Schneider am 8. März 1990 vor der Stomatologischen Gesellschaft der DDR in Dresden in einem Vortrag unter dem Titel „Zahnheilkunde gestern, heute und morgen“: „Nutzen wir ein Geschenk der Geschichte!“
Die menschlichen und zwischenmenschlichen Begegnungen in diesen Phasen des Neuaufbaus und Zusammenfügens sind bewegend. Die berufspolitischen Emissäre und vor allem die Redakteure und Journalisten der zahnärztlichen Verbandspresse finden eine Ära der Herzlichkeit und Gastfreundschaft vor, eine Ära und Aura des Zusammenwachsen; bekanntlich sind Milieus der Pionierzeit publizistisch farbiger und „interessanter“ als die Stätten, die endloser Bürokratismus, höchstrichterliche Urteile und dschungelhaft wuchernde Verbands-Verwaltung kaum durchdringlich überwuchert haben.
Bemerkenswert: Neben den damals anfänglich sisyphushaft scheinenden Bemühungen um Wiedervereinigung, Zusammenführung der Kollegenschaften und Angleichung der Berufsrechte hatten sich die Akteure der Bundeszahnärzte-Kammerführung ununterbrochen intervenierender oppositioneller Vorstellungen und Nörgeleien über innerverbandliche „Strukturreformen“ zu erwehren, die die eigentlich drängenden politischen Arbeiten empfindlich retardierten und die Kollegen im Osten verwirrten.
Schlag auf Schlag
Wende und Wiedervereinigung erfolgten Schlag auf Schlag. Eine Auswahl der wichtigsten Termine des Vereinigungsprozesses und der Brückenbauten:
15. Februar 1990: Bundeszahnärztekammer-Vizepräsident Dr. Wolfgang Sprekels leitet in Frankfurt am Main die „DDR-Koordinierungskonferenz“. Die Handlungsstränge werden festgelegt, Patenschaften abgesprochen, aktuelle Soforthilfen durchdiskutiert und beschlossen.
Die Konferenz signalisiert Rechtshilfe. Die Bundeszahnärztekammer nutzt die Gunst der Stunde, die Verbandsgeschichte hat ihr auch die normative Kraft des Faktischen geschenkt.
In der zugrunde gehenden DDR bildet sich eine fast unübersehbare Menge freiheitlich organisierter Fraktionen wie „Unabhängiger Deutscher Zahnärzteverband“, der sich als „eigenständiger, von anderen Medizinervereinigungen unabhängiger Berufsverband“ versteht, Zahnärztekammern, eine „Kassenzahnärztliche Vereinigung“, eine „Initiativgruppe Gebührenordnung“, eine „Zahnärztliche Standesvereinigung“, eine „Interessenvereinigung der Niedergelassenen Zahnärzte Sachsens“
[Es gab leider auch Geschäftemacher. Nachzulesen in der zm-Ausgabe 6/1990 unter der Überschrift „Die Geier ziehen wieder ihre Kreise“, Seite 580].
20. Februar 1990: Bundeszahnärztekammer, Verbände des deutschen Dentalhandels, der Dentalindustrie, Chefs der Deutschen Apotheker- und Ärztebank formulieren das „Modell BDZ“ zur Praxisgründung freiberuflicher Zahnärzte in der noch existierenden DDR. Die Apo-Bank stellt Kredite zur Verfügung, die ersten fünf Jahre frei von Tilgungsbeträgen.
Berliner Kammer in der Vermittler-Rolle
2./4. März 1990: „DDR-Forum“ der Bundeszahnärztekammer im Seminargebäude der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin. Informationsabende, Kontakte, Begegnungen, gegenseitiges Sich-Kennenlernen. Bei einem Gespräch mit den Leitern der Bezirksabrechnungsstellen werden Möglichkeiten und Probleme für die freie Niederlassung eruiert. Der BDZ fordert eine klare Absage an die Bindungen des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes“ als Voraussetzung für die direkte Hilfe der bundesdeutschen Organisationen.
24. März 1990: Etwa 1 200 mitteldeutsche Zahnärzte sind gespanntaufmerksame Zuhörer bei einem Einführungsseminar in das bundesdeutsche Berufsrecht. Der Berliner Kammerpräsident Dr. Raimund Harndt begrüßt und vermittelt einen Überblick. Eine turbulente Versammlung in den Schultheiss-Festsälen, Ostberlin.
Mai 1990: Die Bundeszahnärztekammer verabschiedet in ihrer Vorstandssitzung die „Grundsätze der Bundeszahnärztekammer (BDZ) zur zukünftigen Gestaltung des Gesundheitswesens in der DDR“. Diese Grundsätze werden auch von der kurz zuvor gegründeten „Ständigen Koordinierungskonferenz“ der im Aufbau befindlichen Zahnärztekammern in den künftigen neuen Ländern beraten und gebilligt.
29. Januar 1991: Das Niederlassungsgesetz gewährleistet die freie Niederlassung von Zahnärzten.
Es folgen rund 70 Informations- und Schulungsveranstaltungen; berufsständische Versorgungswerke werden aufgebaut; die Aus-, Weiter- und Fortbildung wird geregelt. Unvergessen ist die Vermittlerrolle der Berliner Zahnärztekammer, die aufgrund ihrer leidvollen Erfahrungen in der geteilten Hauptstadt bei der Zusammenführung der Kollegenschaften die Bundeskammer tatkräftig beraten und unterstützt hat.
Zwischenmenschliche Begegnungen
Die zwischenmenschlichen Begegnungen sind unvergessen, aus denen Kontakte entstanden, die bis heute blieben. Es sei nur über einige wenige berichtet.
DDR-Forum März 1990 in Berlin: Ein Treffen im KBV-Seminargebäude und in der Kammer der Berliner Zahnärzte mit den ehemaligen Abteilungsleitern des untergehenden Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und ihren Geschäftsführern. Sie wahrten und verwalteten in jahrzehntelanger Isolierung die Relikte der vom Regime auf den Aussterbe-Etat gesetzten freien Praxis. Es waren ehemalige Kollegen, Bekannte und Freunde der nach dem Krieg in der Kölner Verbandsgeschäftsstelle arbeitenden Abteilungsleiter Heinrich Schröder und Heinz Brodthuhn, die das Schicksal auseinander gerissen hatte und die nun wie diese selbst, alte Männer geworden waren. Sie baten, den alten Freunden am Rhein Grüße auszurichten. Einer von ihnen fragte resigniert: „Was werden Sie mit uns machen, wenn Sie uns vereinnahmt haben?“ Die Antwort: „Wir werden versuchen, Ihr Leben besser zu machen!“
Die Equipe Adolf Schneider erkundet die Situation in Ostdeutschland. Besucht wurden staatliche Praxen in Ostberlin und Umgebung. Die Hauseingänge waren verwahrlost, die Wartezimmer trostlos, die Bezüge auf den Stühlen rissig – wie hätte es auch anders sein können. Einer der zahnärztlichen Kollegen, schon ein älterer Herr, erklärte dem Präsidenten, er und seine Kollegen hätten Angst um die Altersversorgung und Rente. Präsident Schneider versucht zu beruhigen.
Die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrand ist bei der Gründungsversammlung der brandenburgischen Kammer Gastrednerin und bricht eine Lanze für die Ambulatorien, sie plädiert, diese Institutionen seien doch gar nicht so schlecht gewesen und man solle ihnen im Wettbewerb mit den freien Praxen auch noch eine Chance geben. Heiße Diskussionen folgen.
Bundeszahnärzte-Kammerpräsident Adolf Schneider betonte immer wieder: „Nutzen wir die Gunst der Stunde.“ Beide Seiten haben sie genutzt.
Dr. Ekkhard HäussermannGreifswalder Str. 950737 Köln