Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Warnung des ehemaligen Bundesärztekammerpräsidenten Karsten Vilmar vor dem „sozialverträglichen Frühableben“, die er angesichts der rot-grünen Spar-Gesundheitspolitik in einem NDR-Interview vor nunmehr zwölf Jahren in die Diskussion einbrachte, wurde zum Unwort des Jahres 1998. Man hatte Vilmar Sarkasmus vorgeworfen. Seine Mahnung an die Verantwortlichen wollte man nicht verstehen.
Inzwischen haben Regierungen gewechselt, aber der politische Kurs im Gesundheitswesen ist scheinbar derselbe geblieben. Kostendämpfung soll den Prozess verlangsamen, die Beiträge der Krankenkassen steigen trotzdem weiter. Und zwar in unverantwortliche Höhen, so man dem Kieler Systemforscher Prof. Beske mit seinen fortschreibenden Berechnungen über die Kosten im Gesundheitswesen der kommenden Jahrzehnte folgen mag.
Aber wer soll das bezahlen? Die Politik steht trotz mehrerer Gesundheitsreformen immer noch ratlos am Scheideweg. Dabei ist die Situation bis heute alles andere als leichter geworden.
Die Kassen werden immer leerer, die Gruppe derer, die über Ihre Lohnarbeit das System finanziell stemmen müssen, in den kommenden Jahrzehnten immer kleiner. Die Zahl der Bedürftigen, das wird inzwischen überdeutlich, steigt hingegen rapide. Ist da keine Einsicht in Sicht?
Wer meinte, dass mit dem Maulkorb für den damaligen BÄK-Präsidenten der Protest der Heilberufe verstummt wäre, hat sich getäuscht. Vielleicht ist die Tonart heute eine andere, aber auch Ärztepräsident Jörg- Dietrich Hoppe mahnt eine gesellschaftliche Debatte um Priorisierung in der medizinischen Versorgung an. Dabei ist der Grundgedanke nach wie vor ein ethisch verantwortlicher: Die Gesellschaft muss sich Gedanken machen, wie man den künftigen Anforderungen noch gerecht werden will.
Fest steht, die Verantwortung über die Verteilung des Mangels kann die Gesellschaft nicht den Heilberufen übertragen. Deren Aufgabe ist das genaue Gegenteil: Ihr Berufsethos verpflichtet zum Helfen und Heilen. Sich angesichts knapper Mittel dagegen zu entscheiden, gehört in einen Handlungsrahmen, dessen Grundlagen und Ausgestaltungen die Gesellschaft übernehmen muss.
Das Ergebnis dieser Debatte ist aber nicht vorbestimmt. Entscheidend ist eher, dass der wachsende Mangel bewusst wird. Politische Verantwortung dafür, was eine Gesellschaft investieren will, damit eine umfassende, qualitativ hochwertige und wissenschaftlich auf dem neuesten Stand stehende medizinische Versorgung möglich bleibt, kann auch zu anderen Schlüssen führen. Schließlich erfordert die Entscheidung zwischen Wohlstand auf der einen und Gefahr für Leib oder Leben auf der anderen Seite kein langes Nachdenken. Dafür verantwortlich ist aber nicht der Arzt, sondern die Gesellschaft.
Im Namen der zm-Redaktion wünsche ich Ihnen, Ihren Familien und Freunden ein schönes Weihnachtsfest, Gesundheit und ein gute Neues Jahr!
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur