Bündnis gegen den blauen Dunst
Derzeit rauchen in Deutschland schätzungsweise rund 20 Millionen Menschen. Damit greift nahezu jeder dritte Erwachsene mehr oder weniger regelmäßig zur Zigarette. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, eine COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) sowie Krebserkrankungen und allen voran ein Lungenkarzinom können die Folge sein. Denn Rauchen ist ein entscheidender Risikofaktor für diese Erkrankungen. Die dadurch verursachten Krankheitskosten werden auf jährlich 21 Milliarden Euro hierzulande geschätzt.
Obwohl dies alles Rauchern gut bekannt ist, können sie doch den Griff zur Zigarette nicht lassen. „Tabakprodukte haben ein hohes Suchtpotenzial“, heißt es erklärend in einem Positionspapier des Aktionsbündnisses Nichtrauchen (ABNR), einer Organisation, in der sich verschiedene Institutionen zusammengeschlossen haben, um effektiver gegen den „blauen Dunst“ vorzugehen.
Mit zum Aktionsbündnis Nichtrauchen gehören der Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e. V., die Bundesärztekammer, die Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung, die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie ebenso wie die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, das Deutsche Krebsforschungszentrum, die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und last but not least die Deutsche Lungenstiftung. Das Aktionsbündnis engagiert sich in allen drei Feldern der Tabakprävention, also der Prävention des Rauchens, dem Nichtraucherschutz und der Tabakentwöhnung.
Zehn Forderungen hat die Organisation – primär adressiert an die Politik – formuliert, um langfristig den Tabakkonsum in allen Teilen der Bevölkerung zu senken. Zu den geforderten Maßnahmen gehört zunächst eine weitere Verbesserung des Nichtraucherschutzes. Konkret verlangt das Aktionsbündnis ein ausnahmsloses und einheitliches Rauchverbot in allen öffentlich zugänglichen Innenräumen.
Es wird in dem Maßnahmenkatalog außerdem moniert, dass Tabakwerbung zwar in Zeitungen und Zeitschriften, im Internet sowie in Funk und Fernsehen und bei grenzüberschreitenden Veranstaltungen verboten ist, dass aber andererseits Plakatwerbung sowie Werbung an Verkaufsstellen und Werbefilme im Kino nach 18.00 Uhr weiterhin erlaubt sind. Zulässig ist ferner nach wie vor das Sponsoring öffentlicher Veranstaltungen durch die Zigarettenindustrie. Damit soll Schluss sein, meinen die Vertreter des ABNR und setzen sich für ein absolutes Werbe-, Promotionund Sponsoringverbot für Tabakprodukte ein.
Gefordert wird darüber hinaus, die Tabaksteuer wirksam und kontinuierlich zu erhöhen, da ein Preisanstieg vor allem bei den Jugendlichen eine deutliche Reduzierung des Tabakkonsums bewirken kann. Es werden ferner – entsprechend dem diesjährigen Motto des Weltnichtrauchertages – bildliche Warnhinweise auf den Verpackungen von Tabakwaren gefordert. Außerdem sollen die Verkaufsmöglichkeiten von Tabakprodukten weiter eingeschränkt werden. „Erforderlich sind ein Verbot der öffentlich zugänglichen Zigarettenautomaten und eine Lizenzierung von Tabakverkaufsstellen“, heißt es in dem Positionspapier.
Da viele Raucher die Kriterien der Tabakabhängigkeit erfüllen, müssen nach Ansicht der Rauchgegner die Beratungsund Therapieangebote zur Tabakentwöhnung ausgebaut werden. Das Rauchen darf nicht mehr als „Life- Style“-Phänomen verharmlost werden und es sind Regelungen zur Kostenübernahme für die Raucherentwöhnung notwendig.
Die weiteren Forderungen zielen darauf ab, die Einflussnahme der Tabakindustrie auf die Politik und die Gesellschaft einzudämmen, die Produktkontrolle zu verbessern, den Zigarettenschmuggel wirksam zu bekämpfen und mehr öffentliche Mittel für die Tabakprävention bereitgestellt zu bekommen.
Fünf Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich weltweit
Begründet wird der Forderungskatalog mit der durch das Rauchen bedingten enorm hohen Morbidität und Mortalität. So wird die Zahl der Menschen, die infolge des Rauchens vorzeitig zu Tode kommen, von der Weltgesundheitsorganisation auf jährlich weltweit 4,9 Millionen geschätzt.
Ein wesentlicher Anteil dieser Todesfälle geht auf das Konto der durch das Rauchen bedingten Krebserkrankungen. Dass ein regelmäßiger Tabakkonsum das Krebsrisiko spürbar erhöht, wurde nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg bereits in den 50er-Jahren wissenschaftlich belegt und seitdem mehrfach bestätigt. Rauchen zeichnet dabei nicht nur für das Bronchialkarzinom verantwortlich. Es trägt als Risikofaktor laut DKFZ auch zur Entstehung anderer maligner Tumoren bei, wobei aktuellen Schätzungen zufolge rund ein Drittel aller Krebserkrankungen in den Industrienationen auf den Konsum von Tabak zurückgehen soll.
Besonders eindrucksvoll ist bekanntermaßen der Zusammenhang beim Bronchialkarzinom: Rund 90 Prozent aller Männer und 60 bis 80 Prozent der Frauen, die einen Tumor der Lunge entwickeln, sind oder waren Raucher, so heißt es in einer Informationsschrift des Heidelberger Forschungsinstituts. Als besonders problematisch kommt hinzu, dass der Lungenkrebs im Vergleich zu anderen Tumoren eine deutlich schlechtere Prognose besitzt, da er zumeist erst in fortgeschrittenem Stadium erkannt wird. So steht das Bronchialkarzinom bei den Krebsneuerkrankungen in der Statistik bei Männern wie auch Frauen auf Platz drei. Bei den Krebstodesursachen führt das Lungenkarzinom die Liste bei den Männern allerdings mit weitem Abstand an.
Doch nicht nur Lungenkrebs wird durch das Rauchen verursacht. Auch 40 bis 60 Prozent der Krebserkrankungen von Kehlkopf, Mundhöhle und Speiseröhre gehen nach DKFZ-Angaben auf das Konto des Nikotinabusus oder der Kombination von Tabak- und Alkoholkonsum. Zusammenhänge werden auch beim Bauchspeicheldrüsen-, beim Harnblasen- und beim Gebärmutterhalskrebs gesehen sowie beim Nierenkarzinom und bei hämatologischen Tumoren.
20 bis 25 Jahre kürzere Lebenserwartung
Die Wissenschaftler des DKFZ betonen in diesem Zusammenhang die besondere Gefahr bei frühzeitigem Beginn der „Raucherkarriere“: „Etwa die Hälfte der Raucher, die schon in jungen Jahren damit angefangen hat, stirbt an den Folgen des Rauchens“, so heißt es in der Informationsbroschüre. Den Verlust an Lebensjahren beziffert das DKFZ auf durchschnittlich 20 bis 25 Jahre. Das Risiko steigt dabei mit der Dauer des Rauchens und mit der Zahl der gerauchten Zigaretten.
Zwar reduzieren Filterzigaretten gegenüber filterlosen Zigaretten die aufgenommene Schadstoffmenge um rund 20 Prozent, weder das Risiko für Krebs- noch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird dadurch jedoch maßgeblich gemindert. Das gilt ebenso für Light-Zigaretten, die keineswegs, wie der Name andeuten könnte, weniger riskant sind. Das liegt nach Angaben der Nikotinforscher daran, dass Raucher, die auf solche Zigaretten umsteigen, in aller Regel tiefer inhalieren oder jedoch insgesamt mehr rauchen und damit die gewohnte Menge an Nikotin auch weiterhin aufnehmen.
Niedriger ist jedoch das Lungenkrebsrisiko, wenn nicht Zigaretten, sondern Pfeife oder Zigarren geraucht werden. Das geringere Lungenkrebsrisiko wird dann jedoch durch ein höheres Risiko für Mundhöhlenkrebs und Speiseröhrenkrebs erkauft.
Auch Passivraucher leben gefährlich
Doch nicht nur der Raucher selbst, sondern auch die Menschen in seiner Umgebung sind erheblichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt. Denn Schadstoffe entstehen nicht nur im Hauptstrom des Rauches, der vom Raucher inhaliert wird, sondern auch im Nebenstromrauch, also dem Rauch, der von der glimmenden Zigarette ausgeht und den die Passivraucher einatmen. Die Konzentration der krebserregenden Nitrosamine ist im Nebenstromrauch sogar 100-fach höher als im Hauptstromrauch.
Das erklärt, warum Wissenschaftler immer wieder betonten, dass Passivrauchen für die Lungen und ebenso für das Herz-Kreislauf-System ebenfalls stark gefährdend ist.
Ein Grenzwert, unterhalb dessen keine Gesundheitsgefährdung besteht, lässt sich dabei für das Passivrauchen nicht festlegen. Zu beachten ist auch, dass die Schadstoffe lange in der Zimmerluft verweilen. Die Halbwertszeit der Feinstaubpartikel und der gasförmigen Bestandteile beziffert das ABNR auf zwei Stunden.
Die Komponenten des Tabakrauchs, die sich auf Gardinen, Möbeln und Tapeten niederschlagen, können sogar über Wochen wieder an die Raumluft abgegeben werden.
Tabakentwöhnung – der Weg zum Nichtraucher
Wirkungsvoll reduzieren lässt sich das Gesundheitsrisiko nur durch eine konsequente Tabakentwöhnung. Rund 70 bis 80 Prozent der Raucher geben dabei an, bereits mindestens einmal versucht zu haben, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Mehrzahl der Raucher schafft dies infolge des Suchtpotenzials von Nikotin aber nicht aus eigener Kraft. Lediglich rund drei bis fünf Prozent der Raucher, die tatsächlich aufhören wollen, gelingt dies allein mittels ihrer Willenskraft.
Mehr Erfolg verspricht die Teilnahme an einem speziellen Tabakentwöhnungsprogramm. Diese Programme setzen auf zwei Komponenten: eine umfassende Verhaltenstherapie sowie eine pharmakologische Unterstützung des Nikotinentzugs. Denn das Weglassen des Nikotins führt bei den meisten Rauchern zu nicht unerheblichen Entzugssymptomen wie Reizbarkeit und Nervosität, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen und Schlafstörungen. Mindern lassen sich solche Symptome durch Nikotinersatzprodukte, wie sie in Form von Nikotinkaugummis, -pflastern oder -nasensprays verfügbar sind.
Mit Bupropion und Vareniclin, das speziell für diese Indikation entwickelt wurde und ebenfalls die nikotinischen Acetylcholinrezeptoren im Gehirn besetzt, stehen außerdem zwei Wirkstoffe zur Verfügung, die die Tabakentwöhnung erleichtern, indem sie Entzugssymptome mindern und das Verlangen nach Nikotin reduzieren. Die pharmakologische Therapie sollte jedoch eingebettet sein in ein umfassendes Behandlungskonzept, da Studien zufolge nur so längerfristig anhaltende, relevante Abstinenzraten zu erwirken sind.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln