Robert Koch: Begründer der modernen Bakteriologie
Als drittes von dreizehn Kindern wurde Robert Koch am 11. Dezember 1843 in Clausthal im Harz geboren, wo sein Vater als Bergbauingenieur arbeitete. Im Jahr 1862 machte er das Abitur und begann ein Studium in Göttingen. Angeblich wollte Koch zunächst Lehrer für die Naturwissenschaften werden, aber die Medizin reizte ihn mehr. Nach seinem Examen meldete er sich 1870 freiwillig als Arzt im Deutsch-Französischen-Krieg und ging anschließend als Kreisphysikus nach Posen. Dort begann für ihn eine intensive Forschungsphase.
Bescheidene Anfänge
Koch war, wie viele Ärzte seiner Zeit, frustriert darüber, dass er gegen Infektionskrankheiten wie Cholera, Milzbrand oder Tuberkulose praktisch machtlos war. Als Student hatte ihn die These seines Anatomieprofessors Jacob Henle überzeugt, dass Infektionskrankheiten von lebenden Organismen verursacht werden. Nachdem er sich als Kreisarzt in Wollstein niedergelassen hatte, machte er sich – wie viele Ärzte – parallel zu seinen ärztlichen Pflichten daran, dieser Theorie auf den Grund zu gehen.
Sein Labor richtete Koch in der Vierzimmerwohnung ein, die er zusammen mit seiner Frau Emmy bewohnte. Die Ausstattung war bescheiden. Von seiner Frau hatte er ein Mikroskop geschenkt bekommen, den Rest finanzierte er selbst. Von der wissenschaftlichen Welt war er weitgehend abgeschnitten: Er hatte weder eine Bibliothek noch andere Forscher zum fachlichen Austausch in seiner Nähe.
Kochs erstes Forschungsprojekt drehte sich um den Milzbranderreger Bacillus anthracis, den 1849 der Arzt Aloys Pollender entdeckt hatte. Der junge Kreisarzt wollte den wissenschaftlichen Beweis dafür erbringen, dass allein dieser Erreger für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich war. Dazu injizierte er Mäusen das Blut von Nutztieren, die an Milzbrand verendet waren. Ergebnis: Alle Versuchstiere starben – im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe von Mäusen, denen Koch das Blut gesunder Tiere verabreicht hatte.
Diese Erkenntnis reichte dem Neu-Bakteriologen jedoch nicht aus. Im nächsten Schritt wollte er herausfinden, ob der Bacillus auch zum Tod führt, ohne vorher mit einem Tier in Berührung gekommen zu sein. Um diese Frage zu lösen, entwickelte er ein System der isolierten Züchtung von Bakterien auf Plattenkulturen – seitdem ein Standard in der bakteriologischen Forschung. Er züchtete den Bazillus in Reinkultur, studierte sein Wachstum und dokumentierte es in Zeichnungen und Fotografien – Koch war der erste Forscher, der Mikroskopiefotos von Mikroorganismen anfertigte. Er fand heraus, dass der Bacillus bei äußeren Umständen, die sein Wachstum bedrohen – zum Beispiel Sauerstoffmangel –, Sporen entwickelt, die auch unter ungünstigen Bedingungen überleben. Sobald sich die Umstände bessern, bilden sich erneut Bazillen. Koch züchtete mehrere Generationen des Bacillus und bewies in Versuchen, dass er Milzbrand auslösen konnte, ohne von einem Tier übertragen worden zu sein.
Koch präsentierte den Fund dem Botanikprofessor Ferdinand Cohn, der an der Universität Breslau lehrte. Der Kollege war so beeindruckt, dass er Kochs Forschungsergebnisse 1876 in einer von ihm herausgegebenen Botanikzeitschrift veröffentlichte. Der Artikel sorgte für viel Aufsehen und machte Koch in Forscherkreisen bekannt. Er blieb dennoch weitere vier Jahre in Posen und verfeinerte seine Forschungsmethoden. 1880 war dann aber Schluss mit dem ruhigen Leben als Landarzt: Koch wurde im Auftrag der Regierung nach Berlin berufen, wo er am neu gegründeten Kaiserlichen Gesundheitsamt die Leitung der Bakteriologischen Abteilung übernahm.
Der größte Erfolg
Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte es, die Wirkung der Antiseptik auf verschiedene Krankheitskeime zu untersuchen und an die Anforderungen der modernen Bakteriologie anzupassen. Er entwickelte neue Methoden, Bakterien zu färben, zu identifizieren und in Reinkultur zu züchten.
Im Jahr 1882 gelang Koch sein größter wissenschaftlicher Erfolg. Er entdeckte den bakteriellen Erreger der Schwindsucht: den Tuberkelbazillus. Für dessen ausführliche Erforschung blieb ihm zunächst keine Zeit. Er wurde 1883 als Leiter einer Forschungskommission nach Ägypten geschickt, von wo eine Choleraepidemie sich über ganz Europa auszubreiten drohte. Koch stieß noch im selben Jahr auf den Erreger der Krankheit. Dafür hatte er seine Forschungsreise bis nach Indien ausdehnen müssen. Er und sein Team fanden außerdem heraus, dass Cholerabakterien sich über verunreinigtes Wasser verbreiten.
Zurück in Deutschland wurde ihm 1885 im Alter von 41 Jahren der Professorentitel verliehen und die Leitung des neu gegründeten Instituts für Hygiene der Universität Berlin übertragen. 1891 nahm er die Stelle als Direktor des Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten an und leitete es bis 1905 – im Jahr 1912 wurde es ihm zu Ehren in Robert Koch-Institut umbenannt.
Koch kehrte zu seiner Tuberkuloseforschung zurück und stellte 1890 den Impfstoff Tuberkulin vor, den er aus Kulturen des Tuberkelbazillus gewonnen hatte. Euphorie über diese Entdeckung machte sich breit und ihren Erfinder über die Landesgrenzen berühmt. Doch bald stellte sich heraus, dass das Tuberkulin die Schwindsucht nicht heilen konnte. Kochs Nimbus war angekratzt, wurde durch den Misserfolg aber nicht zerstört. Auch nicht, als er 1896 ein neues Tuberkulin vorstellte, dem ebenfalls die Heilkraft fehlte. Großen Nutzen hat das Mittel jedoch bis heute als Tuberkulose-Diagnostikum. Ein Heilmittel zu finden, gelang Koch nicht. Für seine Grundlagenforschung zur Tuberkulose wurde ihm aber 1905 der Nobelpreis für Medizin und Physiologie verliehen.
Ab 1896 bis zu seinem Tod war Koch jährlich für mehrere Monate auf Expedition: 1886/97 erforschte er die Rinderpest in Südafrika, 1897 die Pest in Indien. In den darauffolgenden Jahren beschäftigte er sich mit Malaria, Texasfieber, Pest und der Tstetsekrankheit in Ostafrika, mit Malaria noch einmal in Italien, Jakarta und Neu-Guinea. Zuletzt erforschte er die Schlafkrankheit in Ostafrika. Auf seinen Reisen wurde Koch stets von seiner zweiten Frau Hedwig begleitet, die Ehe mit Emmy war 1893 geschieden worden.
Henle-Koch-Postulate
Robert Kochs Einfluss ist bis heute in der Wissenschaft spürbar. 1890 hielt er auf dem 10. Internationalen Medizinischen Kongress in Berlin seinen Vortrag „Über bakteriologische Forschung“. Darin definierte er, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um zweifelsfrei zu beweisen, dass eine bestimmte Krankheit durch ein bestimmtes Bakterium ausgelöst wird. Er führte aus:
„Wenn es sich nun aber nachweisen ließe:
• erstens, dass der Parasit in jedem einzelnen Falle der betreffenden Krankheit anzutreffen ist, und zwar unter Verhältnissen, welche den pathologischen Veränderungen und dem klinischen Verlauf der Krankheit entsprechen;
• zweitens, dass er bei keiner anderen Krankheit als zufälliger und nicht pathogener Schmarotzer vorkommt;
• und drittens, dass er von dem Körper vollkommen isoliert und in Reinkulturen hinreichend oft umgezüchtet, imstande ist, von neuem die Krankheit zu erzeugen, dann könnte er nicht mehr zufälliges Akzidens der Krankheit sein, sondern es ließe sich in jedem Falle kein anderes Verhältnis mehr zwischen Parasit und Krankheit denken, als dass der Parasit Ursache der Krankheit ist.“
In abgewandelter und erweiterter Form sind diese Regeln als Henle-Koch-Postulate in die Forschung eingegangen. Jakob Henle war ein Pathologe, der sich ebenfalls mit der Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Parasit und Wirt beschäftigt hatte. Die Postulate besagen, dass
• erstens, der mutmaßliche Krankheitserreger immer mit der Krankheit assoziiert sein muss und nicht in gesunden Organismen vorhanden sein darf;
• zweitens, der Erreger in Reinkultur gezüchtet werden muss;
• drittens, die Reinkultur des gezüchteten Erregers die Krankheit in einem gesunden Organismus auslösen muss;
• und viertens, der reisolierte Erreger mit dem ursprünglichen identisch sein muss.
Fokus auf Hygiene
Auf dem Gebiet der Sterilisation und Desinfektion erzielte Robert Koch wichtige Erkenntnisse für die medizinische und zahnmedizinische Behandlung. Er fand heraus, dass Wasserdampf effektiver und geräteschonender desinfiziert als trockene Hitze. 1891 erschien dazu in den „Mitteilungen aus dem Kaiserlischen Gesundheitsamte“ seine Abhandlung „Versuche über die Verwertbarkeit heißer Wasserdämpfe zur Desinfektion“. Darin schrieb er: „Die umfassenden Versuche, welche über die praktische Verwertbarkeit heißer Luft zu Desinfektionszwecken angestellt waren, hatten [...] zu wenig befriedigenden Ergebnissen geführt. [...] Zur Beurteilung des Desinfektionswerts der Hitze hatten bakterienhaltige Objekte gedient, welche entweder die bekannten Dauersporen enthielten oder frei davon waren. Von diesen hatten nur die sporenhaltigen Substanzen den höheren Hitzegraden Widerstand zu leisten vermocht und es war in mehreren Versuchen ein dreistündiger Aufenthalt in einer 140° C heißen Luft erforderlich gewesen, um die Sporen zu vernichten. Nun ist aber bekannt, dass dieselben Sporen in kochendem Wasser, also bei einer erheblich niedrigeren Temperatur, in weit kürzerer Zeit getötet werden können. So hatten beispielsweise einige Versuche, in denen Milzbrandsporen mit heißem Wasser behandelt wurden, ergeben, dass schon ein zwei Minuten langer Aufenthalt in kochendem Wasser genügte, um diese Sporen zu töten, während genau ebenso und mit demselben Sporenmaterial hergerichtete Objekte in der heißen Luft erst bei 140° C und nach drei Stunden getötet wurden.“
Bis heute sind die Experten des RKI Ansprechpartner in Sachen Hygiene. Zum Beispiel in Form der Empfehlung der RKIKommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention „Infektionsprävention in der Zahnmedizin – Anforderungen an die Hygiene“, die zuletzt 2006 herausgegeben wurde.
Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net