Leitartikel

Auf Augenhöhe bleiben

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

nichts eignet sich so gut als Aufreger der Öffentlichkeit wie das deutsche Gesundheitssystem. Das haben die Reaktionen einzelner GKVen auf die Aufnahmegesuche von Versicherten der insolventen City-BKK wieder einmal bestätigt.

Dabei ist es ein Fehler des Systems: Die Selbstverständlichkeit, dass eine gesetzliche Krankenkasse die Mitglieder zahlungsunfähiger „Systemschwestern“ in Solidarität übernehmen muss, widerspricht dem politisch geforderten Wettbewerb und daraus resultierenden unternehmerisch geprägten Denkmustern. Hier haben Wettbewerbsgebot und staatsgeprägter Regulierungsanspruch ein unauflösbares Dilemma geschaffen.

Das Ende der City-BKK ist nicht das Ende staatlich motivierter Konzentrationsprozesse im Gesundheitswesen. Rationalisierungs- und Rationierungsansprüche bilden eine unglückliche Allianz, deren Ausprägung oft nicht nur den bürgerlichen Laien, sondern auch systemisch geschulte Profis erstaunt.

Diese immer komplexere Systematik kann nur mit viel Sachverstand beobachtet, analysiert und begleitet werden. Und das aktuelle Ärgernis um die Rationalisierung im GKV-Bereich ist nur ein Stein in einem umfassenden Mosaik um sich greifender Zentralisierungstendenzen.

Beispiele hierfür – ob erkennbare Konvergenzen zwischen PKV und GKV oder auch die immer weiter anwachsende Machtfülle eines Gemeinsamen Bundesausschusses, der unter dem übergestülpten Deckmantel der Selbstverwaltung politische Regulierungsarbeit übernimmt, – verdeutlichen, dass im deutschen Gesundheitswesen künftig nur noch der erfolgreich Interessen vertreten kann, der das dafür notwendige Rüstzeug hat.

Hier haben die Selbstverwaltungen der Heilberufe in den letzten zwei Jahrzehnten gewaltige Anstrengungen und Weichenstellungen vorgenommen, um sich in einer rapide professionalisierenden Fachwelt behaupten zu können.

Für die Bundeszahnärztekammer war der inzwischen ein Jahrzehnt zurückliegende Umzug in das bundesdeutsche Regierungszentrum Berlin sicherlich ein bedeutender Schritt, den Dingen gewachsen zu bleiben. Der frühe Umzug in die Bundeshauptstadt war aber die richtige Entscheidung. Sie hat sich für Deutschlands Zahnärzteschaft gelohnt. Denn heute ist diese Bundeszahnärztekammer mehr denn je der von Staat und Politik anerkannte Gesprächspartner des zahnärztlichen Berufsstands.

Trotzdem zeigt die Entwicklung der letzten Jahre auf, dass Herausforderungen nur noch angenommen werden können, wenn man fähig ist, den vom Staat getragenen, quantitativ wie qualitativ steigenden Anforderungen in ganzer Bandbreite mit Sachverstand zu begegnen. Schon der Ausbau der Super-Regulierungsinstitution G-Ba erfordert aktive Begleitung, die nur mit entsprechender Kapazität geleistet werden kann. Die BZÄK braucht eine Vertretung im G-Ba.

Die Wahrnehmung zahnärztlicher Ineressen muss im Vorfeld gesetzlicher Maßnahmen erfolgen. Hier muss mit einer gut funktionierenden Speerspitze gearbeitet werden. Alles, was Berlin durchläuft, was sich hier ohne sachlichen oder politischen Widerstand gesetzt hat, kann auf Länderebene wie auch von den Kollegen in den Praxen nicht mehr aufgehalten werden. Für die immer komplexere und in ihrer fachlichen Interdependenz nur mit gezieltem Aufwand leistbare Interessenarbeit braucht die zahnärztliche Profession eine leistungsstarke Vertretung, die die Aufträge und Beschlüsse ihrer Basis im ebenfalls hochprofessionalisierten Gefüge erfolgreich verfolgen kann.

Die BZÄK wird sich in den kommenden Monaten und Jahren – in Einverständnis und nach Rücksprache mit den Landeskammern und den Kollegen in den Praxen – auf diese Entwicklung einstellen müssen. Nur so kann sich der Berufsstand angesichts der absehbaren Herausforderungen mit den sich masssiv professionalisierenden Verwaltungsgremien auf Augenhöhe auseinandersetzen. Das braucht Deutschlands Zahnärzteschaft, wenn sie auch künftig ihre Interessen erfolgreich vertreten will.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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