Repetitorium

Die Dupuytren’sche Erkrankung

Eine Wucherung des Fasziengewebes unter der Haut der Innenhand ist Ursache der sogenannten Dupuytren’schen Erkrankung. Das Gewebe verhärtet sich und es kommt zur Beugekontraktur, wobei zumeist der vierte und der fünfte Finger der Hand nicht mehr gestreckt werden können. Effektive konservative Therapiemöglichkeiten des Morbus Dupuytren gibt es nicht, in gravierenden Fällen hilft nur die Operation.

In Deutschland leben rund eineinhalb Millionen Menschen mit einer Erkrankung, die durch eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes im Bereich der Palmaraponeurose, einer strangförmigen Gewebsschicht zwischen der Haut, den Beugesehnen und den Nerven in der Hand charakterisiert ist. Dieser Gewebsschicht kommt im Normalfall offenbar eine Schutzfunktion im Hinblick auf Verletzungen der Sehnen und Nerven in der Hand zu. Bei der Dupuytren’schen Erkrankung, auch Morbus Dupuytren oder Dupuytrensche Kontraktur genannt, handelt es sich um eine gutartige Erkrankung des Bindegewebes in der Handinnenfläche. Dabei beginnt das Fasziengewebe zu wuchern. Es verhärtet und verkürzt sich, und es kommt zunächst zu knotigen Veränderungen und schließlich zur Bildung eines festen Gewebestrangs, was eine Beugekontraktur und Streckhemmung der betroffenen Finger zur Folge hat.

Es handelt sich somit nicht um eine Erkrankung der Sehnen, wie oft fälschlicherweise angenommen wird, sondern um eine Störung der bindegewebigen Strukturen, die die Sehnen umgeben. Nicht selten kommt es außerdem zu einer Verdickung an der Rückseite der Fingergelenke, den sogenannten Knöchelpolstern, auch „Knuckle Pads“ genannt.

Meist betroffen: Ringfinger und kleiner Finger

In den meisten Fällen vermehrt sich das Bindegewebe im Bereich des Ringfingers und des kleinen Fingers. Seltener bildet sich vermehrt knotiges Bindewebe im Bereich der Hohlhand und des Mittelfingers. Noch seltener sind Zeigefinger und Daumen betroffen. Je stärker die Veränderungen auf die betroffenen Finger übergreifen, umso ausgeprägter wird deren Verkrümmung.

Die resultierende Fibromatose, die von den Myofibroblasten ausgeht, ist primär schmerzlos. Bei Fortschreiten der Erkrankung treten jedoch beim kräftigen Zupacken Druckschmerzen auf.

Die Fibromatose kommt auch in anderen Körperregionen vor, beispielsweise in Form des sogenannten Morbus Ledderhose als Verhärtung der Fußsohle, die bei fünf bis 20 Prozent der Patienten mit Morbus Dupuytren zu beobachten ist, als Morbus Peyronie oder Induratio penis plastica im Bereich des Penis bei vier Prozent der Patienten und gelegentlich auch als Fascilitis nodularis in Form einer Verhärtung an der Bauchwand. In sehr seltenen Fällen kann eine Fibromatose außerdem am Unterarm auftreten, an der Ohrmuschel oder auch an der Zunge.

Ursachen des Morbus Dupuytren

Basis der 1831 durch den französischen Chirurgen Baron Guillaume Dupuytren (1777- 1835) erstmals operierten und nach ihm benannten Erkrankung ist eine Veränderung der Fibroblasten, die beginnen, vermehrt das sogenannte „Smooth Muscle Protein“ zu bilden. Die genaue Ursache dieser Störung ist bislang nicht geklärt. Allerdings ist aufgrund der familiären Häufung des Krankheitsbildes von einer ausgeprägten genetischen Disposition auszugehen. So leiden bei jedem vierten Patienten weitere Familienmitglieder an der Dupuytren’schen Erkrankung.

Für eine hohe genetische Prädisposition spricht außerdem die Tatsache, dass bei 70 bis 80 Prozent der Patienten beide Hände die charakteristischen Veränderungen aufweisen. Allerdings spielen offenbar auch Umweltfaktoren eine gewisse Rolle, wobei vermutet wird, dass insbesondere Traumata wie Verletzungen oder Operationen, durchaus aber auch Mikrotraumen im Handbereich die Manifestation der Erkrankung triggern.

Ein erhöhtes Krankheitsrisiko scheint außerdem beim Vorliegen verschiedener anderer Störungen zu bestehen. Hierzu gehören ein Diabetes mellitus, eine Epilepsie, ein Alkoholabusus sowie eine Leberzirrhose. Überproportional häufig ist außerdem eine Koinzidenz mit rheumatischen sowie fibroblastischen Erkrankungen und mit Autoimmunerkrankungen.

Vier Krankheitsstadien

Es werden verschiedene Krankheitsstadien in Abhängigkeit vom Ausmaß der Beugekontraktur unterschieden. Vom Stadium I ist bei einer Beugung bis 45 Grad auszugehen. Liegt die Beugung bei 45 bis 90 Grad, so wird vom Stadium II gesprochen, bis 135 Grad vom Stadium III und bei einem praktisch völlig abgewinkelten Finger vom Stadium IV. Die Beugung kann in diesem Stadium so ausgeprägt sein, dass es beim Feuchtwerden nicht mehr zur Abtrocknung in den Hautfalten des Fingers kommt und sich Entzündungen ausbilden, die wiederum Infektionen den Boden bereiten.

Der Verlauf der Erkrankung ist variabel, wobei üblicherweise eine langsame Progression über Jahre hinweg zu beobachten ist. Allerdings kann das Krankheitsbild durchaus auch für Jahre zum Stillstand kommen, ehe eine weitere Progredienz auftritt.

Der Morbus Dupuytren manifestiert sich üblicherweise im mittleren Lebensalter und vor allem jenseits des 50. Lebensjahres, wobei Männer etwa acht- bis zehnmal häufiger betroffen sind als Frauen. Die Erkrankung tritt allerdings bei Männern im Durchschnitt früher auf, was zu der falschen Annahme einer höheren Prävalenz führen kann.

Die Häufigkeit der Erkrankung liegt in den westlichen Industrienationen bei etwa ein bis drei Prozent der Bevölkerung. Inzidenz und Prävalenz der Erkrankung sind im Norden Europas höher als im Süden und am höchsten in Frankreich, Irland und Schottland mit einer Verbreitung von bis zu 17 Prozent. Auch in Nordamerika und in Australien ist die Erkrankung vergleichsweise häufig. Selten tritt sie dagegen in Afrika und Asien auf. Manifestiert sich die Störung schon vor dem fünften Lebensjahr, so zeigt sich oft eine rasche Progredienz. Es kommt bei jungen Menschen dann meist zu ausgeprägten Kontrakturen, wobei in aller Regel zudem mehrere Finger betroffen sind.

Limitierte Therapiemöglichkeiten

Der Morbus Dupuytren ist bislang nicht definitiv heilbar. Die Behandlung zielt damit auf eine symptomatische Besserung ab, auf eine Hemmung der Krankheitsprogression und auf eine Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Hand. Es wurden verschiedenste konservative Behandlungsverfahren von der Ultraschallbehandlung über die Injektion von Kortison bis hin zu einer Lasertherapie erprobt, jedoch ohne wissenschaftlich dokumentierte Heilungserfolge. Diskutiert wurden und werden ferner günstige Effekte einer Behandlung mit Vitamin E, doch fehlt es auch bei dieser Therapieform bislang an wissenschaftlichen Belegen der Wirksamkeit.

In der Diskussion ist auch der Stellenwert der früher üblichen Röntgenbestrahlung, der vor allem im Frühstadium der Erkrankung günstige Effekte zugeschrieben wurden. Diese sind jedoch ebenfalls nicht belegt und es besteht ein nicht unerhebliches Risiko für das Auftreten von Strahlenschäden an der Haut. Als neues Verfahren wird derzeit die Injektion bakterieller Kollagenase aus Clostridium histolyticum erprobt. Die Kollagenasen sollen das narbige Bindegewebe enzymatisch abbauen, wobei erste Studien bei rund zwei Drittel der Patienten eine nachhaltige Besserung andeuten. Langzeitdaten zu dem Verfahren stehen allerdings noch aus.

Operation als häufigste Therapie

Therapie der Wahl ist daher die Operation, wobei eine Operationsindikation in der Regel gesehen wird, wenn der Streckverlust 20 bis 45 Grad beträgt, was konkret bedeutet, dass die betreffende Hand nicht mehr flach auf den Tisch gelegt werden kann. Eine Indikation zur chirurgischen Korrektur der Veränderungen kann auch bestehen, wenn die Streckhemmung zwar weniger ausgeprägt ist, der Patient aber unter Schmerzen leidet, wenn eine starke Hauteinziehung besteht oder wenn die knotigen Veränderungen als sehr störend erlebt werden.

Es gibt unterschiedliche handchirurgische Verfahren bei der Dupuytren’schen Krankheit, die sich im Ausmaß der Operation, aber auch im anschließenden Rezidivrisiko unterscheiden. Neben der totalen Fasziotomie, bei der es um die möglichst vollständige Entfernung des krankhaft veränderten Gewebes geht, kommt auch eine partielle Fasziotomie in Frage sowie eine Knotenfasziotomie, bei der nur der Gewebeknoten (und eventuell der verhärtete Strang) entfernt wird. Möglich ist auch eine segmentielle Aponeurektomie, bei der nur einzelne Segmente des Gewebestrangs entfernt werden.

Je nach Schweregrad der Erkrankung und des Eingriffs kann dabei auch eine Hautverpflanzung notwendig werden, zum Beispiel wenn sich durch die Beugeverkürzung auch die Haut verkürzt hat. Es kann ebenso sein, dass Bandstrukturen gelöst werden müssen, wenn diese ebenfalls verkürzt sind. Die Operation wird damit im fortgeschrittenen Stadium zunehmend komplizierter, was erklärt, warum oft bereits in frühen Krankheitsstadien eine Operationsindikation gesehen wird. Für eine frühzeitige Operation spricht außerdem die Tatsache, dass bei sehr ausgedehnten Veränderungen eine völlige Wiederherstellung mit voller Streckung durch den Eingriff meist nicht mehr möglich ist.

Operationsrisiken immer abwägen

Andererseits sind auch die potenziellen Operationsrisiken zu bedenken wie etwa Wundheilungsstörungen oder in seltenen Fällen operationsbedingte Verletzungen im Bereich der Gefäße oder der Nerven, was anschließende Bewegungsstörungen, Schwellungen und Schmerzen zur Folge haben kann. Der Eingriff sollte deshalb stets in einem entsprechend versierten Zentrum für Handchirurgie vorgenommen werden.

In der Nachsorgephase wird die operierte Hand zunächst mit Bandagen oder einer Gipsschiene ruhiggestellt, wobei die Finger jedoch in allen Gelenken beweglich sein müssen. Anschließend erfolgt eine Versorgung mittels eines Kompressionsverbands, um Schwellungen vorzubeugen. Meist kommt es innerhalb von drei Wochen wieder zur völligen Bewegungsfähigkeit der Finger mit voller Streckung und Faustschluss. Ist das nicht der Fall, so sollte sich eine krankengymnastische Behandlung anschließen. Die operierte Hand sollte zudem in der Folgezeit schrittweise wieder an die normale alltägliche Belastung herangeführt werden und ist nach etwa zehn bis zwölf Wochen meist wieder vollständig belastbar.

Weniger invasiv als die geschilderten Operationen ist die perkutane Nadelfasziotomie, gelegentlich auch als Fibrosenperforation bezeichnet. Anders als bei der Operation wird dabei nicht versucht, die Wucherung möglicht vollständig zu entfernen. Vielmehr geht es darum, die verhärteten Gewebestränge mit Nadeln zu perforieren und so quasi aufzutrennen. Die perforierten Gewebestränge können anschließend mechanisch gestreckt werden, um so die Beweglichkeit zu verbessern.

Das Verfahren ist erheblich schonender als eine Operation und die Hand ist deutlich rascher wieder funktionsfähig. Ist das Krankheitsstadium noch nicht zu weit fortgeschritten, so sind den Berichten zufolge respektable Ergebnisse der perkutanen Nadelfasziotomie möglich. Allerdings kann mit diesem Verfahren die weitere Wucherung des Gewebes nicht unterbunden werden.

Rezidiv oder Neuerkrankung

Sind beide Hände von der Dupuytren’schen Erkrankung betroffen, so sollte die zweite Hand erst operiert werden, wenn wieder die volle Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit der operierten Hand gegeben ist.

Zu bedenken ist, dass es nach der Operation durchaus erneut zum Auftreten einer Beugekontraktur kommen kann. Von einem Rezidiv ist auszugehen, wenn dabei der gleiche Finger betroffen ist. Erhöht ist das Rezidivrisiko, wenn auch andere Familienmitglieder an einem Morbus Dupuytren leiden, wenn Veränderungen in anderen Körperbereichen wie eine Induratio penis plastica bestehen oder wenn die Erkrankung sich schon in jungen Jahren manifestiert hat.

Zu rechnen ist infolge der hohen genetischen Disposition allerdings auch mit dem Neuauftreten der Dupuytren’schen Erkrankung bei einem anderen Finger oder an der zweiten Hand, wobei es sich in einem solchen Fall streng genommen um eine Neuerkrankung handelt.

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