Differentialdiagnose gutartiger Tumore der Ohrspeicheldrüse

Pleomorphes Adenom in der Parotis

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Vinay V. Kumar, Keyvan Sagheb, Christian Walter

Eine 57-jährige Patientin ohne weitere Allgemeinerkrankungen wurde zur Abklärung einer etwa kindsfaustgroßen, nicht schmerzhaften, seit 20 Jahren bestehenden Schwellung des linken unteren Parotispols in unserer Klinik vorgestellt (Abbildung 1). Die Patientin berichtete über eine geringgradige, jedoch stetige Größenprogredienz ohne weitere Symptome. Anamnestische Hinweise für das Vorliegen einer B-Symptomatik wie Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust lagen nicht vor. Weiterhin waren klinisch keine Entzündungszeichen oder Einschränkungen der Motorik beziehungsweise Sensorik im Gesichtsbereich nachweisbar. Palpatorisch war die Raumforderung nicht druckschmerzhaft und zur Unterlage sowie gegenüber der Haut gut verschieblich.

In der B-Mode Sonographie (Abbildung 2A) zeigte sich eine deutlich abgrenzbare, nicht komprimierbare Raumforderung mit inhomogenem Binnenecho. Eine gesteigerte Durchblutung im Dopplermode konnte nicht nachgewiesen werden (Abbildung 2B). Die weitere sonographische Untersuchung im Kopf-Hals- Bereich war insbesondere hinsichtlich der Lymphknoten unauffällig. Korrespondierend zum klinischen und zum sonographischen Befund zeigte sich in der Bildschichtgebung mittels MRT eine scharf begrenzte, inhomogen Kontrastmittel-aufnehmende, lobulär strukturierte Raumforderung von etwa 6 cm x 4 cm x 5 cm Größe (Abbildung 3).

Über einen präaurikulären Zugang ließ sich die bekapselte Raumforderung gut aus dem umliegenden Gewebe entfernen (Abbildung 4A). Der Anschnitt zeigte eine grau glänzende, teils zystische Struktur (Abbildung 4B). Die histopathologische Aufarbeitung des Präparats (Abbildung 5) bestätigte die Verdachtsdiagnose eines pleomorphen Adenoms.

Diskussion

Das pleomorphe Adenom ist mit circa 60 Prozent der häufigste gutartige Tumor der Speicheldrüsen und gleichzeitig mit circa 80 Prozent der häufigste Tumor der Parotis. Pleomorph heißt der Tumor aufgrund des sehr variablen histologischen Erscheinungsbildes mit epithelialen und myoepithelialen Elementen. Daher erklärt sich auch der durch den Erstbeschreiber Walton (1849) eingeführte Begriff eines Mischtumors der Speicheldrüse.

Das pleomorphe Adenom betrifft alle Altersgruppen, wobei das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung zwischen dem 30. und dem 60. Lebensjahr liegt bei leichter Bevorzugung des weiblichen Geschlechts [Eveson et al., 1985].

Wie viele benigne Tumore weist das pleomorphe Adenom eine unspezifische Klinik auf mit einem oft langjährigen, asymptomatischem Wachstum. Hierdurch kann der Tumor, wie in diesem Fall, bei geringem Leidensdruck der Patienten, extreme Ausmaße annehmen. Neben der typischen Lokalisation in der Parotis findet sich das pleomorphe Adenom auch in der Gl. submandibularis und in den kleinen Speicheldrüsen, wo es eine wichtige Differentialdiagnose darstellt. Eine maligne Transformation innerhalb des Adenoms ist selten und wird in der Literatur mit ein bis sechs Prozent beziffert. Typische klinische Hinweise für eine solche maligne Entartung sind neben plötzlichem Größenwachstum, eine Parese des Nervus facialis, suspekte Lymphknoten oder Infiltration und Ulzerationen der Haut [Maier et al., 2007].

Therapie der Wahl ist die vollständige Exzision des Tumors im Gesunden, wobei die Rezidivtendenz niedrig ist. Viele Autoren empfehlen zur Entfernung des Tumors eine laterale Parotidektomie, um eine Verletzung der dünnen Tumorkapsel mit konsekutiv erhöhter Rezidivgefahr zu vermeiden [Witt, 2002].

Der hier vorgestellte Fall mit typischem Verlauf für ein pleomorphes Adenom soll auf die zahlreichen Varianten von Weichgewebstumoren im Kopf-Hals-Bereich hinweisen. Auch sehr langsam wachsende, unklare Raumforderungen bedürfen stets einer histologischen Abklärung, um ein malignes Geschehen auszuschließen. Hierbei kann durch eine frühzeitige, operative Entfernung eine durch progredientes Tumorwachstum bedingte ausgedehnte, funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung vermieden werden.

Dr. Vinay V. KumarDr. Keyvan SaghebPD Dr. Dr. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg- UniversitätAugustusplatz 255131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

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