Facebook und die Folgen
„Facebook hat den Bereich der sozialen Interaktion grundlegend verändert – besonders unter jungen Menschen. Die psychologische Forschung beginnt aber jetzt erst, handfeste Ergebnisse für die guten und die schlechten Effekte dieser Entwicklung zu liefern“, erklärte Dr. Larry Rosen von der California State University im August beim 119. Jahrestreffen der American Psychological Association in Washington. Passend dazu nannte der Psychologe seinen Vortrag: „Stups mich an – wie soziale Netzwerke unseren Kindern gleichzeitig helfen und schaden können“. Anstupsen ist auf Facebook eine beliebte Aktion, um mit anderen in Kontakt zu treten.
Narziss im Netz
Rosen ging auf verschiedene negative Auswirkungen sozialer Netzwerke ein, die aktuell in der Forschung diskutiert werden. Zum einen beobachten Psychologen, dass Teenager, die viel Zeit auf Facebook verbringen, häufiger narzisstische Tendenzen erkennen lassen als solche, die das Netzwerk seltener nutzen. In der Gruppe der jungen Erwachsenen zeigen Dauergäste der Community zudem mehr Anzeichen für psychische Störungen wie antisoziales, manisches oder aggressives Verhalten.
Auch die schulischen Leistungen können unter Facebook & Co leiden. „Studien ergaben, dass Schüler an Junior High Schools und High Schools sowie Collegestudenten, die während einer 15-minütigen Lernphase mindestens einmal Facebook checken, schlechtere Noten erzielen“, sagte Rosen in seiner Präsentation. Generell schade täglicher Überkonsum von Medien der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, weil er sie anfälliger mache für Ängste, Depressionen und andere psychische Krankheiten.
Rosen stellte aber auch heraus, dass Kinder und Jugendliche durchaus von Facebook profitieren können. Neue Forschungsergebnisse zeigten, dass junge Erwachsene, die oft auf Facebook surfen, viel Empathie für ihre Online-Freunde empfinden – und ihr auch Ausdruck verleihen. „Wenn jemand schreibt, dass es ihm nicht gut geht, posten ihm andere aus der Community üblicherweise aufmunternde Kommentare von „Ich drück dich“ bis „Ruf mich an, wenn du sprechen willst“ auf seine Pinnwand“, erklärte der Psychologe in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender ABC.
Netzwerken im Internet sei im Übrigen auch eine Chance für introvertierte Heranwachsende, Freundschaften aufzubauen. Dass sie via Computer oder Smartphone mit anderen in Kontakt treten, gebe ihnen die nötige Sicherheit.
Kontrolle bringt allerdings nichts. Rosen: „Wenn Sie die Aktivität Ihrer Kinder in einem sozialen Netzwerk mit einer Spezialsoftware heimlich überwachen wollen, verschwenden Sie Ihre Zeit! Ihre Sprösslinge finden innerhalb von Minuten einen Weg, das Programm auszutricksen.“ Eltern sollten stattdessen früher und häufiger mit ihren Kindern über den richtigen Umgang mit Technologien wie dem Internet sprechen. Zur erfolgreichen Prävention gehört seiner Meinung nach außerdem, dass sich Eltern intensiv um das Vertrauen ihrer Kinder bemühen. „So stellen Sie sicher, dass Ihre Söhne und Töchter zu Ihnen kommen, wenn Probleme wie Cyber-Bullying auftreten oder wenn sie auf verstörende Inhalte im Netz stoßen.“
Krux der Kindererziehung
Das bedeutet für Erwachsene: Um mit ihrem Nachwuchs über dessen Onlineaktivitäten im Gespräch zu bleiben, sollten sie sich auf dem Laufenden halten. Wichtig ist, ein Auge auf neue Trends, Technologien und Apps zu haben, die die Kinder nutzen. Auf der Website des amerikanischen „Center for Parenting/Youth Understanding“ können Erwachsene beispielsweise recherchieren, welche Themen bei jungen Menschen gerade in sind. Das Institut pflegt zahlreiche Top-10-Listen, die Auskunft über Trends wie die meist besuchten Internetseiten, die beliebtesten Computerspiele oder die am häufigsten heruntergeladenen Songs geben – in einer globalisierten Welt auch für Eltern in Deutschland interessant.
Mit Nachdruck empfiehlt Rosen, dass nicht Verbote, sondern offene Diskussionen über bedenkliche Inhalte und Onlinekontakte der beste Schutz sind. „Eltern sollten sich angewöhnen, beim Abendessen zu fragen, was denn gerade auf Facebook los ist“, so der Psychologe im ABC-Interview. In seinem Vortrag hatte er Kommunikation als die „Krux der Kindererziehung“ bezeichnet: „Eltern müssen mit ihren Kindern reden – oder vielmehr ihnen zuhören. Das Verhältnis sollte bei eins zu fünf liegen: eine Minute reden, fünf zuhören.”
Susanne TheisenFreie Journalistin in Kölninfo@susanne-theisen.de