Differentialdiagnose cervicaler Metastasierungen

Bronchialkarzinom-Metastase im Kopf-Hals-Bereich

197524-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin

Eine 68-jährige Patientin ohne weitere Allgemeinerkrankungen wurde uns zur Abklärung einer etwa 4 x 5 cm großen, nicht schmerzhaften Schwellung am Hals rechts vorgestellt. Die Patientin berichtete über eine massive Größenprogredienz innerhalb der letzten sechs Wochen bei Fehlen weiterer Symptome. Anamnestische Hinweise für das Vorliegen einer B-Symptomatik wie Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust lagen nicht vor. Palpatorisch lag ein nicht druckschmerzhafter und zur Unterlage adhärenter, derber Tumor vor (Abbildung 1). Entzündungszeichen, eine Einschränkung der Motorik oder der Sensorik im betreffenden Bereich lagen nicht vor.

Die enorale Befundung zeigte drei mit Konuskronen versorgte Zähne, die radiologisch eine endodontische Versorgung und apikale Aufhellungen aufwiesen (Abbildung 2).

Im Ultraschall zeigte sich eine in allen Raumebenen gut 4 cm große, nicht komprimierbare Raumforderung mit inhomogenem Binnenecho sowie dorsaler Echoverstärkung bei Fehlen von Anzeichen einer gesteigerten Durchblutung. Eine Abgrenzung zum umgebenden Gewebe, wie dem Musculus sternocleidomastoideus war teilweise nicht mehr möglich (Abbildung 3).

Zur weiterführenden Diagnostik und Operationsplanung wurde eine Computertomographie veranlasst, in der neben einer zentralen Nekrose eine deutliche periphere Kontrastmittelaufnahme auffiel, wobei der unscharf begrenzte Prozess die Vena jugularis verdrängte und partiell infiltrierte (Abbildung 4).

Bei hochgradigem Verdacht auf einen malignen Prozesses wurde im initiierten Staging beim Röntgenthorax eine im rechten Unterlappen gelegen circa 7 x 5,5 cm messende, unscharf begrenzte ovaläre Raumforderung sowie eine weitere circa 4 x 5 cm messende Raumforderung im linken Oberlappen festgestellt (Abbildung 5). Eine daraufhin durchgeführte Probeexzision am cervicalen Befund sowie bronchoskopisch gewonnene Probe an den Lungenbefunden ergaben die histopathologische Diagnose eines cervical metastasierten, nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms. Auf Grund des fortgeschrittenen Stadiums wurde die Patientin einer palliativen Chemotherapie zugeführt.

Diskussion

Cervicale Lymphknotenmetastasen können die klinische Erstmanifestation eines Malignoms sein. Der korrespondierende Primärtumor ist hierbei in den allermeisten Fällen ein Plattenepithelkarzinom des oberen Aerodigestivtraktes, da Metastasen anderer Tumorentitäten im Kopf-Hals-Bereich weitaus seltener vorkommen. Lymphknotenmetastasen im oberen und mittleren Halsbereich werden im Allgemeinen durch Kopf-Hals-Malignome verursacht, wohingegen Metastasen der unteren Halsregion häufig durch subclaviculär lokalisierte primäre Malignome her vorgerufen werden [Jereczek- Fossa et al., 2004].

Neben der Metastasierung in die Weichgewebe der Halsregion kommt es auch zu oralen Absiedlungen von Metastasen. Ossäre Metastasierungen betreffen mit 80 Prozent meist den Unterkiefer. Unter den Primarien finden sich seltener Sarkome sondern meist Karzinome. In absteigender Reihenfolge sind hier Brust- und Lungenkarzinome zu nennen, die in etwa einem Drittel der Fälle den Primarius stellen. Weitere häufigere Ursachen sind Schilddrüsen-, Prostata-, Leber-, Nieren- und Nebennierenkarzinome [Hirsh berg et al., 2008]. Bei Metastasen im Bereich der oralen Weichgewebe ist mit Abstand das Lungenkarzinom für die meisten Metastasen verantwortlich, gefolgt von Nieren-, Haut- und Brusttumoren [Hirshberg et al., 2008]. Bei Metastasen, ohne dass der Primarius detektiert werden kann, spricht man von einem sogenannten CUP, einem cancer of unknown primary.

Die Symptome sind abhängig von ihrer Lage in der Kopf-Hals-Region. Dies können neben Schwellungen auch Schmerzen und/ oder Parästhesien sein, die meist innerhalb kurzer Zeit entstehen. Aufgrund der durch die Metastasen hervorgerufenen, unspezifischen Beschwerden wird in der Regel erst durch die bioptische Sicherung die Diagnose möglich.

Obwohl einzelne Lymphknotenmetastasen im Halsbereich als auch Metastasen im Unterkiefer einer chirurgischen Therapie gut zugänglich sind, haben Patienten mit Fernmetastasen im Allgemeinen eine schlechte Prognose, was sich im Falle des hier vorgestellten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomes durch Zuordnung in das Stadium IV mit einer 5-JÜR von nur einem Prozent widerspiegelt [Detterbeck et al., 2009]. Häufig hat bei Diagnosestellung bereits eine ausgedehnte Metastasierung des Primarius stattgefunden, sodass wie in diesem Fall kein kurativer Therapieansatz mehr verfolgt wird.

Der klinische Fall soll auf eine seltene aber für die Prognose des Patienten sehr relevante Entität von Weichgewebstumoren in Halsbereich hinweisen. Unklare Raumforderungen bedürfen stets einer histologischen Abklärung um ein malignes Geschehen auszuschließen.

Literatur:

1. Detterbeck FC, Boffa DJ and Tanoue LT (2009). The new lung cancer staging system. Chest 136: 260–271

2. Hirshberg A, Shnaiderman-Shapiro A, Kaplan I and Berger R (2008). Metastatic tumours to the oral cavity – pathogenesis and analysis of 673 cases. Oral Oncol 44: 743–752

3. Jereczek-Fossa BA, Jassem J and Orecchia R (2004). Cervical lymph node metastases of squamous cell carcinoma from an unknown primary. Cancer Treat Rev 30: 153–164

Dr. Keyvan SaghebPD Dr. med. Dr. med. dent. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg UniversitätAugustusplatz 2, 55131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

 

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