Ein Nein muss manchmal sein
Menschen im Praxisbetrieb, die „alles“ geben, ab und zu freiwillig sogar noch mehr als das, wozu sie verpflichtet sind, werden vom Patienten immer gern gesehen. Sein Dank schmeichelt und stärkt. Man hat sich als Mediziner an die Rolle des professionellen Helfers gewöhnt und fühlt sich daher verpflichtet, alle Wünsche zu erfüllen, stets dienstbereit zu sein. Doch, vorausgesetzt, man merkt, wann einem ein „Nein“ lieber ist als ein “Ja“, hat man die Chance, mehr im Einklang mit sich selbst zu leben. Und : Als Chef nimmt man den Angestellten und Patienten nicht länger die Chance, Umsichtigkeit und Organisieren zu lernen, einzelne Arbeitsgänge selbst durchzuführen, die eigenen Kompetenzen zu erweitern und die Verantwortung für sich und seine Gesundheit zu übernehmen.
Wege zum Nein-Sagen
Das „Nein“ wird besser akzeptiert, wenn man folgende Tipps beachtet:
• Mitgefühl und Interesse bei einem Nein zeigen, mit dem Patienten zusammen Alternativen überlegen und eventuell die Absage begründen, ohne sich zu rechtfertigen.
• Andere Menschen beobachten: Wie „gestalten“ diese eine Absage, was gefällt daran und was kann man sich davon angewöhnen?
• Falls man noch unsicher ist, ob man ja oder nein antworten möchte, hört man seinem Gegenüber gut zu, bekundet Interesse, fragt nach, fasst zusammen. Manchmal ergibt sich so eine Lösung, an die vorher niemand gedacht hat.
• Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten verdeutlichen, dadurch wird eine klare Absage freundlicher, das Gegenüber fühlt sich nicht im Stich gelassen.
• Auf andere wichtigere Arbeitsaufträge hinweisen und sich für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken. Eine telefonische Beratung, bei der der Patient immer neue Fragen aufwirft, lässt sich besser beenden, wenn man ihn wissen lässt, dass ein anderer Patient ganz aktuell behandelt werden muss, da zum Beispiel sonst die Betäubung wieder nachlässt. Der Telefonpartner möchte in einer solchen Situation selbst auch in der geringsten Schmerzphase behandelt werden, oder?
• Die Körpersprache sendet Signale, also: dem Gegenüber zugewandt Blickkontakt halten und lächeln.
• Achtet man auf seine entspannte Stimmung, kann man schneller und ergebnisreicher nachdenken als im Ärger oder bei Irritationen anderer Art. So gelingt es auch, sich nach eigenen unternehmerischen Praxisregeln zu verhalten, anstatt diese in der Aufregung außer Acht zu lassen.
• Aggressive, aufgebrachte Menschen lässt man am besten ausreden, und äußert soweit wie möglich Verständnis. Falls das Gegenüber über sein Ziel hinausschießt und beleidigend oder ungerecht wird, wartet man auf eine ruhigere Stimmung, bespricht das Vorgefallene und verdeutlicht, dass man sich so ein Verhalten nicht noch einmal gefallen lässt.
• Balance halten: Die größte Gefahr beim Thema Ja- oder Nein-Sagen ist es, durch seine Reaktion die partnerschaftliche Situation zu verändern. Wenn man auf die einfache Anfrage eines anderen mit einer Entschuldigung antwortet, hat man die Frage als Befehl oder sogar Anklage aufgefasst. Reagiert man aggressiv, macht man aus der Frage eine Beleidigung. Beides ist unangemessen und kann negative Folgen haben. Wichtig ist es, gedanklich stets auf Augenhöhe mit dem Fragenden zu bleiben. Gleichgültig, ob der andere eine Angestellte oder ein Pharmareferent ist: Was die Anfrage betrifft, befinden sich beide auf einer Ebene. Das Nein ist ebenso erlaubt wie ein Ja. Wenn man diese Ausgewogenheit nicht empfindet, hat das Nein keine Chance.
Störungen vorbeugen
Man gerät nicht in Versuchung, Dinge zu tun, die man eigentlich nicht tun möchte, wenn man
• Zeiten für Büroarbeit einrichtet, in denen man ungestört sein möchte, seine Tür schließt und das Handy ausschaltet,
• einen zeitlichen Rahmen für Gespräche setzt, etwa bei Pharmareferenten,
• mit Hilfs- und Checklisten arbeitet, die wiederkehrende Fragen und Aufgaben erläutern, so spart man zum Beispiel viel Zeit bei Teamsitzungen.
Viele Menschen denken bei Zielen und Wünschen in erster Linie daran, was alles schief gehen könnte, was sie für Fehler machen könnten und was passiert, wenn sie scheitern und versagen. Legt man den Fokus beim Nein-Sagen darauf, was alles falsch laufen könnte, dann fängt man am besten gar nicht erst an. Denn damit zementiert man nur seine Zweifel, dass es nicht zu schaffen ist. Wenn man es nicht versucht, gibt es keine Chance auf Erfolg, und ohne Erfolg bekommt man kein Vertrauen in seine Fähigkeiten. Startet man, und es klappt nicht sofort, hat man vielleicht nur Pech gehabt oder sich einfach zu viel vorgenommen.
Eine gute Möglichkeit ist, sich selbst viele kleine Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Man nehme sich immer wieder eine Kleinigkeit vor, mit der sich das Leben einfacher gestaltet und setzt die Dinge um. Gelingen solche kleinen Aufgaben regelmäßig – ohne sich dabei zu über- oder unterfordern – dann wird es einfacher, zu sich selbst zu stehen. Mit der Zeit wächst auch das Selbstvertrauen.
Selbstzweifel überwinden
Der Kritiker in einem selbst wird sich natürlich zu Wort melden, sobald man sich das erste Mal zu einem „Nein“ durchringt. Es ist vorteilhaft, diese innere Stimme nicht zu unterdrücken, sondern zuzuhören, in den Dialog zu gehen und das Gemäkel Punkt für Punkt zu entkräften. Ist man wirklich sicher, dass man etwas nicht will, schafft man es auch, dieses auszudrücken. Meistens bedeutet ein „Nein“ zu Anderen ein „Ja“ zu sich selbst. Erfolge sind bewusst zu genießen, Erfolg bedeutet nicht: „Jetzt ist alles perfekt“, sondern: „Es ging besser als das letzte Mal.“
Ute JürgensDiplompädagogin/KommunikationstrainerinPeter-Sonnenschein-Str. 5928865 Lilienthal