Der besondere Fall

Adenomatoider odontogener Tumor

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Heftarchiv Zahnmedizin
Der adenomatoide odontogene Tumor (AOT) [Philipsen et al., 1969] ist eine seltene, benigne Raumforderung wahrscheinlich odontogenen Ursprungs, die histologisch durch drüsenähnliche Stukturen mit amyloidalen Ablagerungen gekennzeichnet ist. Charakteristisch ist sein langsam-progressives und symptomarmes Wachstum. Im vorliegenden Bericht wird der Fall und die Behandlung eines indischen zwölfjährigen Jungen mit einem ausgedehnt-rechtsmandibulären, follikulären AOT präsentiert und diskutiert.

Der zwölfjährige männliche Patient stellte sich in einer Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Mumbai, Indien, mit einer Schwellung des rechten Unterkiefers vor, die sich in den letzten zwölf Monaten progressiv entwickelt hatte. Neben der Schwellung bestanden keine klinischen Symptome (Sensibilität, Mobilität, Schmerzen). Anamnestisch waren weder zahnärztliche Vorbehandlungen noch allgemeinmedizinische Vorerkrankungen bekannt. Die Familienanamnese war blande.

Extraoral war eine nicht druck-dolente und nicht gegen den Unterkiefer verschiebbare Schwellung (circa 5 x 3 cm) paramandibulär rechts zu sehen. Es bestanden keine Störungen von Motorik und Sensibilität. Eine Lymphadenopathie lag nicht vor. Enoral befand sich eine nach bukkal expandierte, von der mandibulären Mittellinie bis zum ersten Molaren ausgedehnte Läsion. Die Zähne 31, 41, 42 und 83 waren verlagert und gekippt (Abbildung 2). Im anschließenden Orthopantomogramm (OPTG; Abbildung 3) ließ sich eine uniloculär, verdrängend wachsende, inhomogen-zystische Läsion von Regio 31 bis Regio 46 mit verlagerten Zähnen diagnostizieren. Die Computertomographie (CT; Abbildungen 4 a bis c) bestätigte diesen Befund und zeigte das genaue Ausmaß des Tumors mit lingualer Verlagerung des N. alveolaris inferior. Auffällig waren die multiplen radioopaken Strukturen innerhalb der Läsion. Bei Verdacht auf Vorliegen eines benignen odontogenen Tumors wurde die Läsion in Vollnarkose über einen enoralen Zugang entfernt (Abbildungen 5 a und b). Die mit der Kapsel verwachsenen Zähne konnten nicht erhalten werden. In der abschließenden histopathologischen Untersuchung konnte der Befund eines AOTs verifiziert wrden (Abbildung 6). Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos (Abbildung 7 a und b), der Patient beklagte keine Einschränkung von Motorik und Sensibilität. Er befindet sich seit einem halben Jahr im Follow-up der indischen Klinik.

AOTs sind seltene Tumore und stellen circa 2,2 bis 7,1 Prozent aller odontogenen Tumore und 0,1 Prozent aller Zysten und Tumore des Kiefers dar. Sie werden gehäuft im zweiten Lebensjahrzehnt (Im Mittel 13,2 Jahre) diagnostiziert. Das weibliche Geschlecht ist mehr als doppelt so häufig wie das männliche betroffen (Frauen : Männer = 2,3 : 1), bevorzugte Lokalisation ist der vordere Oberkieferbereich (Maxilla : Mandibula = 2,6 : 1) [Philipsen et al., 1998]. Im Gegensatz dazu war bei dem beschriebenen, männlichen Patienten der anteriore Unterkiefer betroffen.

Klinisch präsentierten sich AOTs üblicherweise, wie auch in dem vorgelegten Fall, als asymptomatisch und langsam wachsend. Die Beteiligung nicht eruptierter Zähne – besonders der Eckzähne – ist nicht ungewöhnlich. Daher werden AOTs häufig im Rahmen radiologischer Routineuntersuchungen auf der Suche nach ausbleibenden Zähnen detektiert. In dem hier berichteten Fall kam es im Gegensatz hierzu aufgrund der Veränderung der fazialen Symmetrie und Ästhetik zur Untersuchung.

Es wird zwischen follikulären, extrafollikulären und peripheren AOTs unterschieden, wobei die follikulären (73 Prozent) und extrafollikulären (24 Prozent) Varianten, die beide enossal gelegen sind, 96 Prozent aller AOTs ausmachen [Bravo et al., 2005]. Radiologisch ähneln adenomatoide, odontogene Tumore anderen odontogenen Läsionen wie beispielsweise kalzifizierenden odontogenen Zysten und Tumoren, Ameloblastomen oder ameloblastischen Fibromen [Nigam et al., 2005]. Der follikuläre AOT zeigt eine gut umschriebene, unilokuläre Radioluzenz, die, wie in dem vorgestellten Fall, mit Krone und/oder der Wurzel nicht eruptierter Zähne assoziiert ist, während der extrafollikuläre Typ zwischen oder unter den Wurzeln bereits eruptierter Zähne gelegen ist. Die winzigen, radio-opaken und in dem Befund gelegenen Partikel sind typisch [Garg et al., 2009]. Die seltenen peripheren AOTs zeigen möglicherweise Erosionen des benachbarten kortikalen Knochens. Insgesamt ist die Zahnverdrängung durch das Tumorwachstum häufiger als – ebenfalls mögliche-Wurzelresorptionen [Dayi et al., 1997]. Histologisch bieten alle Subtypen des AOTs ein identisches Bild mit odontogenem Epithel, drüsenähnlichen Strukturen und induktiven Veränderungen im Bindegewebe. Amyloid-ähnliches und kugelförmige Mengen an kalzifiziertem Material kommen vor [Philipsen et al., 1996; Dayi, Gurbuz et al., 1997; Batra et al., 2005].

Der Tumor ist üblicherweise umkapselt und zeigt ein benignes Wachstumsverhalten. Aufgrund der äußerst geringen Rezidivneigung ist die Prognose nach chirurgischer Enukleation, der Therapie der Wahl, sehr gut.

Fazit

Der hier beschriebene, eindrucksvolle Bericht eines rechtsmandibulären AOTs zeigt, dass im Fall radioluzenter Kieferschwellungen auch die Differenzialdiagnose eines adenomatoiden odontogenen Tumors in die Überlegungen einbezogen werden sollte. Zur Evaluierung einer eventuell vorliegenden Malignität ist eine histologische Untersuchung derartiger Befunde obligat.

Dr. Vinay KumarDr. Keyvan SaghebDr. Dr. Peer W. KämmererKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische OperationenUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainzpeer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de

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