Bunte Koalition
Sowohl auf bundes- wie landespolitischer Ebene laufen intensive Vorbereitungen für ein „Versorgungsgesetz“. Obwohl es gesundheitspolitisch zum Vorzeigegesetz für die Regierungskoalition avancieren sollte, erhärtet sich der Eindruck, dass Schwarz und Gelb hier jeweils im Alleingang unterwegs sind, mit der CSU in der Zwitter-Rolle.
So versucht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit dem sehr selbstbewussten gesundheitspolitischen Führungsteam, dem Sprecher ihrer AG Gesundheitspolitik Jens Spahn und seinem Stellvertreter Rolf Koschorrek, den bundespolitischen Ton bei diesem Gesetz anzugeben. Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler ist derweil dabei, die Grundzüge des Gesetzes im Vorfeld mit den Ländern auszuhandeln. Von der Sache her sind die Koalitionsparteien ziemlich nahe beieinander, wie aus ersten Arbeitspapieren deutlich wird. Die Opposition wird nur schwerlich Gegenpositionen entwickeln können.
Kernpunkt der Reform ist die ärztliche Bedarfsplanung: Hielt sich Rösler bislang eher bedeckt, ist das Bundesgesundheitsministerium nun offensichtlich doch gewillt, mit dem Gesetz die Einwirkungsmöglichkeiten der Länder, respektive die Landesbehörden, zu stärken. Das BMG hat hier wohl schon sehr detaillierte Vorstellungen und denkt über ein Beanstandungsrecht der Landesbehörden bei den Bedarfsplänen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen auf Landesebene nach. Im Gespräch ist auch, das Recht der Länder auszuweiten. Sie sollen nicht mehr nur an den Landesausschüssen teilnehmen, sondern auch den lokalen Versorgungsbedarf betreffende Beschlüsse beanstanden dürfen.
Darüber hinaus sollen sie auch ein Initiativrecht bei dort zu fassenden Beschlüssen erhalten. Daneben wird darüber debattiert, ob regionale Besonderheiten zukünftig ein Abweichen von der Bedarfsplanungsrichtlinie des G-BA erlauben sollten sowie die Verhältniszahlennunmehr ganz auf sachgerechte Kriterien auszurichten und dem G-BA die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung bei der Anpassung der Verhältniszahlen vorzuschreiben.
Sektorenübergreifend könnten alle an der ambulanten Versorgung beteiligten Ärzte, seien es Krankenhausärzte oder auch psychiatrische Institutsambulanzen, bei der Bedarfsplanung erfasst werden. Sonderbedarfszulassungen sollen „funktionstüchtig“ ausgestaltet werden. Außerdem diskutiert man intensiv darüber, den Verzicht auf Zulassungen in überversorgten Gebieten zu fördern. Stichworte sind hier die Aufhebung der Altersgrenze von 62 Jahren wie die Bevorzugung von Bewerbern, die besondere Versorgungsbedürfnisse erfüllen – beispielsweise neben der Tätigkeit in überversorgten auch in schlecht versorgten Gebieten arbeiten.
Bemerkenswert sind bei den ersten Vorstellungen des BMG besonders einige Punkte, die die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung betreffen. Grundsätzlich sollen in Gebieten mit besonderem Versorgungsbedarf alle ärztlichen Leistungen von der Abstaffelung ausgenommen werden – hier wird sogar eher an Preiszuschläge gedacht. Zudem könnte die Einzelermächtigung nicht nur für Krankenhausärzte, sondern auch für Ärzte aus Reha-Einrichtungen Realität werden: Kliniken sollen nicht nur bei Unterversorgung, sondern auch bei lokalem Versorgungsbedarf zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt werden. Sogar kommunale Träger sollen Eigeneinrichtungen unterhalten können, wenn sich sonst niemand findet. Ärztinnen will man fördern, indem man Familie und Beruf mehr vereinbart. Sogar eine befristete Beteiligung des Bundes an den Kosten für die Erhöhung der Medizinstudienplätze ist im Gespräch. Ob dies alles den Ländern reicht, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Eins ist aber jetzt schon sicher: In der Gestaltung des Versorgungsgesetzes gibt es eine bunte Koalition.
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