Fit für den Vergleich von Behandlungsenheiten auf der IDS

Ergo Haltung bewahren

Heftarchiv Zahnmedizin
Die Internationale Dental-Schau (IDS) steht vor der Tür, und wo sonst könnte man besser das neue zentrale, repräsentativste und kostbarste Stück für die eigene Praxis aussuchen, die Behandlungseinheit? Vom 22. bis zum 26. März 2011 lassen sich in den Kölner Messehallen alle namhaften Hersteller besuchen, verschiedene Modelle vergleichen und genau das richtige wählen. Was dabei im Besonderen zu beachten ist, wird im Folgenden auf den Punkt gebracht. Den Schwerpunkt bildet die Ergonomie.

Der Zahnarzt ist wohl der Facharzt, der am meisten Wert auf eine stabile und bequeme Lagerung des Patienten legt. Noch wichtiger erscheint jedoch die gesunde Körperhaltung jedes einzelnen Mitglieds des Teams. Denn alle Mitarbeiter arbeiten schließlich mehrere Stunden am Tag. Moderne Behandlungseinheiten können jedoch durch konsequente ergonomische Konzepte für alle Beteiligten nahe an das physiologische Optimum herankommen.

Die Zahlen sind hoch: 64 Prozent der Zahnärzte geben Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule an, 42 Prozent haltungsbedingte Kopfschmerzen. Die orthopädischen Beschwerden konzentrieren sich auf die Nacken-, Schulter- und die untere Rückenmuskulatur. Der gute Rat, keine Zwangshaltung einzunehmen, ist allerdings leicht gesagt: aufrecht und nicht verdreht sitzen, Oberarme dicht am Körper, angewinkelte Unterarme aufstützen, Füße flach auf den Boden, Kopf nur leicht beugen – spätestens nach der ersten Präparation eines Siebeners im Oberkiefer links bukkal weiß man, wie schwer das in der Praxis fällt.

Leider schleifen sich im Studentenkurs einmal angenommene falsche Haltungen und Bewegungsabläufe ein und sind später nur mit Mühe wieder wegzutrainieren. Zunächst bemerkt der Zahnarzt nichts, doch über die Jahre eines ganzen Berufslebens summieren sich die Belastungen, so dass die oben genannten Prozentzahlen   verständlich werden.

Zu den Alarmsignalen zählen Anzeichen von Bruxismus und ein sehr hoher Muskeltonus (Musculus masseter und Musculus temporalis), kurz: alles, was der Zahnarzt als Ansprechpartner Nummer eins beim Patienten unter dem Beschwerdekomplex „craniomandibuläre Dysfunktion“ diagnostiziert. Die Therapie sieht entsprechend ähnlich aus: die klassische Physiotherapie einschließlich der manuellen Therapie. Anschließend oder vorbeugend hilft in Absprache mit einem Facharzt Ausgleichssport. Dabei ist Golf – auch wenn Unkundige hier ein Klischee wittern mögen – oft eine geeignete Disziplin, alternativ Nordic Walking oder auch Pilates (Ganzkörpertraining zur Kräftigung der Muskulatur). Im Allgemeinen ist von Tennis dagegen wegen der einseitigen Muskelbelastung abzuraten.

Unterschiedliche Konzepte für gesunde Arbeitshaltung

Ein Arbeitsumfeld, in dem alles auf kurze Wege und physiologische Haltung abgestimmt ist, bildet eine Voraussetzung für die Gesunderhaltung des Bewegungsapparates: Behandlungseinheiten, Trays, Instrumente und die gesamte Anordnung von Ablagen und Schränken. Speziell bei Zahnarztstühlen gibt es durchaus unterschiedliche Philosophien. Eine davon ist das „ergonomische Konzept von Dr. Daryl Beach“. Sein Begründer beobachtete unter anderem, wie Versuchspersonen „blind“ einen Apfel schälten – als Modell für Präzisionsarbeiten. Daraus leitete er eine natürliche und stabile Körperhaltung ab, bei der lediglich die Unterarme aktiv werden. Der Zahnarzt sitzt hinter dem Kopf des waagerecht liegenden Patienten und streckt beziehungsweise dreht dessen Kopf in verschiedene Richtungen, je nachdem, welchen Bereich und welche Zahnfläche er gerade einsehen möchte. Der Ausgangspunkt der Hände befindet sich in der Sagittalebene in der Höhe des Herzens knapp 20 cm vor dem Behandler. Der Körper sitzt aufrecht, der Kopf ist ein wenig geneigt, der Abstand zum Behandlungsfeld etwa 38 Millimeter. Neben der möglichst dünnen und beweglichen Kopfstütze stellt die Höhe die zweite wesentliche Variable dar. Vorzugsweise über Bewegungen des Fußhebels wird der Patient für filigrane Präzisionsarbeiten etwas weiter nach oben gefahren, für größere Kraftübertragung – etwa bei einer Extraktion – nach unten. Die Lagerung der Instrumente ergibt sich aus der natürlichen Greifbewegung bei am Körper angelegten Oberarmen: zur Seite und dabei etwas abwärts gerichtet. Darum werden die Instrumente seitlich unterhalb des Patientenkopfes gelagert.

Die vorstehend beschriebene Philosophie wird nach der Position des Behandlers auch Zwölf-Uhr-Konzept genannt, ist auch für die Alleinbehandlung ohne Assistenz geeignet und stellt die Grundlage einiger führender Behandlungseinheiten dar (wie EMCIA, Morita). Bei anderen Konzepten nimmt der Zahnarzt seine Grundposition zwischen acht und zwölf Uhr ein, während sich die Assistenz auf zwei Uhr befindet. Hier kommt es auch darauf an, ob unter direkter oder indirekter Sicht, also über den Mundspiegel, gearbeitet wird. Zum Beispiel lautet eine Faustregel für „Oberkiefer rechts“: Neun- Uhr-Position bei direkter und zehn bis elf Uhr bei indirekter Sicht.

Anamnese, Besprechung, Spülen und Abdrucknahme werden in aufrechter Sitzposition des Patienten ausgeführt, Arbeiten im Unterkiefer am halb liegenden, Arbeiten im Oberkiefer am liegenden Patienten mit überstrecktem Kopf. Eine weitere generelle Empfehlung dabei: Die Assistenz sollte etwa 10 cm höher sitzen als der Zahnarzt – was gar nicht so einfach ist. Behandler mit einer Körpergröße über 1,80 m müssen ohnehin beim Erwerb einer Einheit genauer auf die Vermeidung von Zwangshaltungen achtgeben. Erst recht muss in Kombination mit einer kleinen Assistentin auf ein ergonomisch günstiges Zusammenspiel geschaut werden. Zum Beispiel muss sich das Speibecken so einstellen lassen, dass auch der Assistenz eine aufrechte Sitzposition möglich ist. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich, die rund zwanzig Hersteller auf der Internationalen Dental-Schau mit dem gesamten Team aufzusuchen und die Behandlungseinheiten gemeinsam zu begutachten. Die ergonomische Arbeitsweise wird idealerweise in einem professionellen Kurs „Systematische Absaug- und Haltetechnik“ erlernt und immer wieder aufgefrischt.

Platzierung der Instrumente

Liegen die Instrumente nach dem einen Konzept links und rechts neben dem Patientenkopf bereit, so gibt es daneben verschiedene elegante Lagerungsmöglichkeiten. Eine davon ist die bekannte Schwingbügelkonstruktion, bei der das Arztelement sehr dicht direkt über dem Patienten positioniert schwebt. Ergonomisch ideal sind die kurzen Greifwege. Allerdings muss, da sich die Aerosolwolke aus dem Patientenmund stets unmittelbar in den Bereich der Instrumente erstreckt, gegebenenfalls ein höherer Hygieneaufwand betrieben werden. Eine Alternative stellen Verschiebebahngeräte dar. Das Arztelement ist fest mit dem Patientenstuhl verbunden und kann, parallel zum Patienten, vom Fuß- zum Kopfende manuell (zum Beispiel Sirona C4+) oder per Motor verschoben werden. Im letzteren Falle lässt sich bei bestimmten Modellen die genaue Position vorprogrammieren und während der Behandlung per Knopfdruck anfahren (wie Sirona TENEO).

Zusätzlich lässt sich das Arzt- und/oder Assistenzelement an einem Tragarm mit hängenden Schläuchen über den Patienten hinweg seitlich positionieren („Schwebetisch“). Selbstverständlich muss neben Zahnarzt und Assistenz auch der Patient unter ergonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden: ein guter Einstieg in die Behandlungseinheit, eine bequeme Lagerung, eine physiologische Bewegung von der sitzenden über die halb liegende Stellung bis zur Waagerechten. Ein Muss ist daher die automatisierte Trendelenburg-Bewegung (zum Beispiel Ritter Contact, Ritter Concept). Denn damit verhindert man sicher, dass dem Patienten das Hemd beziehungsweise die Bluse aus der Hose gezogen und er oder sie bei der Gegenbewegung „zusammengestaucht“ wird. Der Patient sollte ungehindert einsteigen können, was zum Beispiel beim Verschiebebahnkonzept per se immer möglich ist. Für Senioren mit eingeschränkter (Bauch-)Muskulatur oder auch für Schwangere gibt es abklappbare Beinauflagen (Clair, Belmont Takara) – interessant für die Praxis mit dem Schwerpunkt Alterszahnheilkunde.

Einige Behandlungseinheiten können zusätzlich durch motorische Sitzflächenverstellungen selbst Patienten mit anatomischen Fehlbildungen, wie Hohlkreuz oder Rundrücken, komfortabel lagern (zum Beispiel KaVo Esthetica S50). Für eine „selbstständige“ Individualisierung kann zuweilen die so genannte Stammlänge eingegeben werden. Andere Modelle erkennen nach Vorgabe einfacher Kenngrößen wie Erwachsener/Kind, Frau/Mann, groß/klein nach dem Einstieg des Patienten selbstständig dessen Stammlänge und stellen sich dann automatisch darauf ein (wie Planmeca Souvereign).

ndividuell entscheiden: Basis- oder Zusatz-Modul

Auch vermeintliche Kleinigkeiten können später wichtig werden. So mag der eine lieber auf eine motorgetriebene Kopfstützenverstellung verzichten – eine präzise arbeitende Knebelschraube liegt ihm einfach besser in der Hand. Wer einen Schwerpunkt Kinderzahnheilkunde einrichtet, legt zum Beispiel Wert auf doppelt artikulierte Kopfstützen. Eine möglichst große Beinfreiheit für das Team versucht man zum Beispiel durch Schwebestühle ohne Unterbau zu schaffen. Andere Modelle optimieren den Platz in der Praxis durch Drehbarkeit um 360 Grad (wie Planmeca Souvereign). Um insgesamt eine hohe Zuverlässigkeit und Störunanfälligkeit zu erreichen, reduzieren einige Modelle die Elektronik auf ein Minimum (als Beispiele Clesta II, Belmont Takara). Die Ansteuerung erfolgt pneumatisch, bei den Stuhlantrieben über eine Ölhydraulik – verschleißfrei und ohne die für Spindelantriebe typische Gewichtsbegrenzung.

Neben der Mechanik spielt bei jeder Behandlungseinheit auch das Zusatz-Equipment eine wesentliche Rolle: Turbinenanschluss, zwei Motoren, Zahnsteinentfernungsgerät, Multifunktionsspritze – klar. Was die Praxis darüber hinaus benötigt, muss sich das Team vor der IDS überlegen. Es hängt nicht zuletzt von den Schwerpunkten ab. Das fängt bei der Kochsalzpumpe und der punktgenauen Absaugung mit Hochvakuum für den Implantologen an und hört bei eigens für den Kieferorthopäden nach Dr. Beach designten Behandlungseinheiten (wie Spaceline EMCIA KFO, Morita) auf. Durch die Etablierung von kollektorlosen Motoren mit der Möglichkeit der Drehmomentsteuerung können Endodontie- und Implantologiefunktion unkompliziert integriert und selbst neue Feilensysteme über Software- Updates eingebunden werden – ohne die Notwendigkeit externer Tischgeräte.

Auf Beleuchtung achten

Für alle wichtig ist die richtige Beleuchtung. Ein Quantensprung war hier die LED-Technik. Manchen erschien es zunächst als „zu bläulich“, aber dank moderner Reflektoren kann man nun auch warmes Tageslicht erhalten – und dieses Leuchtmittel bleibt, anders als eine Halogenlampe, auch im Dauerbetrieb angenehm kalt. Wichtig für die Erkundigungen beim IDS-Rundgang: Die für entspanntes Sehen entscheidenden 2 000 Candela Lichtstärke müssen auch bei der roten Farbe der Mundschleimhaut erreicht werden.

Darüber hinaus wird das Team auf die vernünftige Integration von weiterem Equipment achten, zum Beispiel Intraoralkamera, Fluoreszenzkamera, Röntgensysteme. Das Elektrotom wird zunehmend durch externe Lasergeräte verdrängt, um den bürokratischen Aufwand für die regelmäßigen Prüfungen der ganzen Einheit zu reduzieren. Großes Potential entfaltet neuerdings die Anbindung an Media Player und Power Point zur vereinfachten Patientenkommunikation. Es gilt hier das gleiche wie bei der Ergonomie: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. Im Besonderen muss er den Überblick über die moderne Technik behalten können. Intelligente Software kann dabei helfen. Sie schaltet zum Beispiel bei der Eingabe „Chirurgie“ alle Systeme zu, die dafür benötigt werden, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Hygiene nach den Empfehlungen des RKI

Das Team sollte die Beurteilung einer Behandlungseinheit nicht ohne einen Gedanken an die Hygienefähigkeit abschließen. Die Stichworte „RKI-Empfehlungen“ (Robert- Koch-Institut) und „Qualitätsmanagement“ deuten hinreichend an, dass es sich um einen Seitenblick auf eine weitere Hauptsache handelt.

Einen wesentlichen Aspekt stellt dabei die Wasserqualität dar, insbesondere nach längeren Standzeiten bei höherer Temperatur. Ohne Weiteres kann sich in 20 Minuten die Keimzahl verdoppeln. Dem lässt sich mit 0,3-prozentigem Wasserstoffperoxid entgegenwirken, doch bleibt die Unsicherheit, ob sich dadurch nicht Resistenzen aufbauen können. Sicherer geht man mit einem automatischen periodischen Wasseraustausch. Nach Stillstandszeiten, wie sie über Nacht unvermeidlich sind, kann eine zusätzliche Entkeimung sinnvoll sein (wie Planosil-Intensiv- Entkeimung, Planmeca).

Die Polster sollten neben dem Liegekomfort für den Patienten auch gut zu reinigen, zu desinfizieren und zu pflegen sein, wobei auf ein abgestimmtes System von Hygienepräparaten namhafter Hersteller zurückgegriffen werden sollte. Und die Farbe? Dezent oder fröhlich ja, aber eher nicht zu hell, denn wie schnell färbt eine im Sommer verschwitzte Jeans ab.

Fazit für den IDS-Besucher

Nach diesen Vorüberlegungen ist das Team gerüstet für den Rundgang über die Internationale Dental-Schau 2011. Es ist auf jeden Fall ein interessanter „Ausflug“. Und die Aussteller sind schon auf die Investitionsentscheidung der Besucher gespannt.

Christian EhrensbergerZum Gipelhof 860594 Frankfurt am Main

Literaturhinweis:Rohmert, Walter; Mainzer, Jan ; Zipp, Peter:  Der Zahnarzt im Blickfeld der Ergonomie –  Eine Analyse zahnärztlicher Arbeitshaltungen.  Forschungsinstitut für die zahnärztliche  Versorgung. Deutscher Ärzte-Verlag 1986

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