Zukunftskongress öffentliche Apotheken

Weniger Markt – mehr Verantwortung

Apotheken können oder sollen in Zukunft auch ärztliche Aufgaben übernehmen dürfen, um dazu beizutragen, eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen. Ärzte sollten im Gegenzug ein Dispensierrecht für bestimmte Medikamente erhalten. Dies regte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens auf dem „3. Zukunftskongress öffentliche Apotheken“ in Bonn an. Prof. Dr. Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung wies auf die soziale Verantwortung der Pharmazeuten als Vertrauenspersonen für kranke und hilfsbedürftige Menschen hin.

Zu viel Markt im Gesundheitssystem kann krank machen. Diese These vertrat Prof. Dr. Heribert Prantl, Ressortchef Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, in seinem Festvortrag auf dem vom Apothekerverband Nordrhein veranstalteten „3. Zukunftskongress öffentliche Apotheken“ in Bonn. „Das Soziale verliert zunehmend seinen Stellenwert“, so Prantl. Das Menschenbild in unserer Gesellschaft werde zunehmend von ökonomischen Vorstellungen geprägt, mit Folgen insbesondere für die Versorgung von Alten, Schwachen und Hilfsbedürftigen. Ein Gesundheitswesen aber, das der Behandlungsrentabilität Vorrang vor der Mitmenschlichkeit einräume, sei wie eine Kfz-Werkstatt, in der Autos nur repariert werden, solange es sich rechnet. „Das deutsche Gesundheitssystem benötigt wieder mehr Kooperation und weniger Konkurrenz, damit Kranke sich in ihm gut aufgehoben fühlen“, mahnte Prantl.

Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, sich Fragen zu beantworten, wie: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, „Wollen wir ein soziales Gesundheitssystem?“oder „Wie muss die Gesellschaft mit alten Menschen umgehen?“ Eine auf dem Sozialstaatsprinzip beruhende Versorgung sei wie eine Klammer, die das Leben von seinem Start bis zu seinem Ende umspanne. Prantl forderte in diesem Zusammenhang auch, die Palliativmedizin auszubauen. „Unsere Gesellschaft muss wieder lernen, sich mit dem Sterben als Teil des Lebens auseinanderzusetzen“, so der Journalist.

Vertrauen geben

Den Apothekern käme bei all dem die wichtige Rolle zu, den Menschen das Vertrauen zu geben, dass sie Hilfe bekommen, wenn sie sie benötigen. „Das Mit-dem-Patienten-Reden kann dabei so wichtig sein, wie das Arzneimittel selbst“, betonte Prantl. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Fremd- und Mehrbesitzverbot sei deshalb ein „unerwartetes Geschenk an die deutschen Apotheken“. Der EuGH hatte im Mai 2009 entschieden, dass die Inhabergeführte Apotheke einen besonderen Stellenwert genießt und dass daher das im deutschen Apothekenrecht bestehende Fremdund Mehrbesitzverbot bestehen bleiben müsse. Die Luxemburger Richter haben damit der Bildung von Apothekenketten – vorerst jedenfalls – einen Riegel vorgeschoben. Es sei jetzt Aufgabe der Apotheker, das Urteil zu nutzen, um ihr eigenes Überleben zu sichern, so Prantl.

Wohnortnahe Versorgung

Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Die Grünen) wandte sich auf dem Zukunftskongress ebenfalls gegen eine zu sehr in Richtung Kommerz gehende Entwicklung und betonte den Wert der wohnortnahen Versorgung mit Arzneimitteln. „Apotheken sind keine Handelsgeschäfte wie andere, sondern ein wichtiger Teil des Gesundheitswesens“, so die Ministerin. Als solche garantierten sie ein Stück soziale Infrastruktur in den Gemeinden und Quartieren. Die Ministerin sprach sich deshalb nicht nur gegen Apothekenketten, sondern auch gegen den Versandhandel und Pick-up-Stellen aus.

Sinnvoller als solche Ansätze zu forcieren, sei es, über neue Konzepte nachzudenken, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. „Unser System ist zu stark von Sektoren bestimmt“, kritisierte Steffens. Deren starre Grenzen gelte es zu überdenken. „Warum sollen nicht Arztpraxen, dort, wo es im ländlichen Raum keine Apotheken gibt, Arzneimittel abgeben können?“ Apotheker wiederum könnten in Einzelfällen auch medizinische Aufgaben übernehmen, schlug die Ministerin vor. Dies gelte insbesondere für die Prävention. Beispielhaft nannte Steffens die Schulung von Diabetikern und Asthmatikern sowie von Kindergarten-, Schulkindern und Senioren durch Apotheker.

Politiker anderer Parteien beschäftigten sich auf dem Kongress derweil vorrangig mit den Auswirkungen des Arzneimittelneuordnungsgesetzes (AMNOG) auf die Apothekenlandschaft, wie bei der Podiumsdiskussion mit Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Bärbel Bas, Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Fraktion, deutlich wurde. Hans Lanfermann von der FDP hatte aus Termingründen kurzfristig abgesagt.

Dem Vorwurf der Apotheker, dass die „Konstruktionsfehler des AMNOG“ die Apotheken wirtschaftlich über Gebühr belaste, begegnete Spahn grundsätzlich mit Verständnis. So signalisierte er seine Gesprächsbereitschaft, um über die Großhandelsrabatte neu nachzudenken.

Positivliste angeregt

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbandes Nordrhein, hatte kritisiert, dass die Apotheken durch die neuen Großhandelskonditionen 200 Millionen Euro zusätzlich zu dem gesetzlich vorgesehenen Sparbetrag von 200 Millionen Euro schultern müssten. Dies sei zu befürchten gewesen, bestätigte Bas. Die SPD-Politikerin regte daher an, über eine Positivliste nachzudenken. Spahn räumte gleichwohl ein, dass man derzeit noch nicht genau wisse, wie viel tatsächlich vom Großhandel auf die Apotheken abgewälzt werde. Wenn allerdings das Fass neu aufgemacht werden solle, dann müsse die Diskussion über die Großhandelsrabatte grundlegend neu geführt werden. „Und damit werden wir uns auch über die Arzneimittelpreisverordnung insgesamt unterhalten müssen“, betonte der CDU-Politiker.

Offen zeigte sich Spahn auch für mögliche Änderungen bei der Packungsgrößenverordnung. Die Regelungen des AMNOG sollten zu einer besseren Austauschbarkeit zwischen den Packungsgrößen führen. „Die Mehrkostenregelung muss so gestaltet sein, dass der Patient sein Wunschmedikament als Alternative zu den kassenbestimmten Einheitsmedikamenten frei wählen kann“, forderte Preis.

Petra SpielbergChristian-Gau-Str. 2450933 Köln

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