Hausärzte fordern Schlüsselposition
In der Schweiz droht der medizinischen Grundversorgung der Garaus. Das jedenfalls fürchtet die Initiative „Ja zur Hausarztmedizin“. Der Grund: Bis 2016 wird nach einer Studie der Universität Basel die Hälfte der heute praktizierenden Hausärzte in Pension gehen. Weitere fünf Jahre später sollen es sogar 75 Prozent sein. Um den Versorgungsbedarf zu decken, müssten bis 2022 etwa 4 700 neue Kollegen nachrücken. Doch nur noch rund zehn Prozent aller Medizinstudenten wollen der Studie zufolge in die Hausarztmedizin einsteigen.
Ursächlich hierfür ist zum einen der zunehmende Trend zur Feminisierung der Medizin und dem dadurch bedingten Wunsch nach einer Vereinbarkeit von Familie und Beruf, was sich mit den Arbeitszeiten eines Hausarztes von im Schnitt 50 Wochenstunden nur schlecht vereinbaren lässt. Aber auch immer mehr männliche Jungärzte strebten Teilzeitarbeit an, so Prof. Dr. med. Peter Tschudi, Präsident des Initiativkomitees.
Der Berufsverband der Haus- und Kinderärzte „Hausärzte Schweiz“ will daher mit der Volksinitiative „Ja zur Hausarztmedizin“ die Politiker überzeugen, die Rahmenbedingungen für die hausärztliche Tätigkeit zu verbessern, um diese für den ärztlichen Nachwuchs wieder attraktiv zu machen.
In der Bevölkerung findet die Initiative viel Unterstützung. Anfang vergangenen Jahres hatte der Verband innerhalb von nur fünf Monaten 200 000 Unterschriften gesammelt und die Initiative daraufhin beim Bundesrat in Bern eingereicht. Seit April 2011 tourt zudem für zwei Jahre ein roter Bus durchs Land, um über die vielfältigen Aspekte und Probleme der Hausarztmedizin zu informieren. Ziel der Aktionen ist es, den Hausarzt in der schweizerischen Verfassung zu verankern, um darauf aufbauend die gesetzliche Grundlage für eine verbesserte Hausarztmedizin zu schaffen.
Dem Initiativkomitee gehört auch die Vereinigung „Junge Hausärztinnen und Hausärzte Schweiz“ (JHaS) an. „Die Studierenden und jungen Ärztinnen und Ärzte nehmen nur das schlechte Image und die schlechte Wertschätzung gegenüber anderen Ärztegruppen wahr“, moniert Dr. med. Miriam Schöni, Co-Präsidentin der JHaS. „Sie erfahren, dass Hausärztinnen und Hausärzte ein deutlich tieferes Einkommen haben als Spezialisten, dass sie immer erreichbar sein sollen und dass sie der zunehmenden Reglementierung durch Bund und Kantone unterworfen sind.“ Dabei sei der Beruf des Hausarztes viel umfangreicher und interessanter, so Schöni.
Das Initiativkomitee fordert daher, die Hausarztmedizin umfassend zu reformieren. „Dazu gehört zunächst einmal eine strukturierte Ausbildung, eine fünfjährige Weiterbildung sowie die Einrichtung von Lehrstühlen für Hausarztmedizin an den Universitäten“, erklärt Tschudi. Bislang existiert ein solcher Lehrstuhl nur an der Universität Zürich. Auch sei es von Nachteil, dass Praxisassistenten in der Hausarztmedizin von den Hausärzten bezahlt werden müssten. Der Staat müsse sich an der Finanzierung beteiligen, fordert Tschudi. Vorbild hierfür sei die Niederlande, in der angehende Hausärzte ihre Weiterbildung vom Staat vergütet bekommen.
Bürokratische Hindernisse
Darüber hinaus behinderten bürokratische Vorgaben den Zugang zur Niederlassung. So habe jeder Kanton eigene Gesetze und eigene Anforderungsprofile zum Beispiel für die Einrichtung einer Praxisapotheke. Diese administrativen Hürden hielten viele junge Ärzte davon ab, sich selbstständig zu machen, kritisiert das JHaS.
Für wesentlich hält Tschudi auch eine adäquate Entschädigung für die hausärztliche Tätigkeit. Derzeit liege das Einkommen von Hausärzten im Schnitt um 50 Prozent unter dem zum Beispiel eines Kardiologen. Die JHaS verweist auf England, wo die Beliebtheit des Berufs Hausarzt durch eine höhere, den Spezialisten entsprechende Entlohnung massiv verbessert werden konnte. Auch streben Jungärzte zunehmend eine Niederlassung in Gemeinschaftspraxen oder eine Vernetzung mit anderen Praxen an, um Familie, Freizeit und Beruf miteinander vereinbaren zu können.
Die jungen Hausärzte betonen, dass es ihnen bei ihren Forderungen nicht um „Artenschutz“ gehe, sondern um eine Sicherung der Grundversorgung im Team mit anderen Gesundheitsberufen, wie Apothekern und Physiotherapeuten. Sie sollten dabei allerdings die Schlüsselrolle als Koordinator im Gesundheitssystem spielen, macht Tschudi deutlich.
Chancen nicht schlecht
Die Chancen auf einen Erfolg der Initiative stehen nicht schlecht. Ein Gegenentwurf des Bundesrats fand bei Kantonen, Parteien und anderen medizinischen Organisationen mehrheitlich keine Zustimmung. Der Bundesrat ist nun am Zug, einen neuen Vorschlag vorzulegen. Anfang 2013 entscheidet sich, wie es mit der Hausarztmedizin in der Schweiz weitergeht.
Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden