Ratingverfahren

Anspruch und Wirklichkeit

Die Botschaft ist eindeutig: Deutsche Banken und Sparkassen haben ihre „Selbstverpflichtung zur Rating-Kommunikation“ erneuert. Die Frage ist nur: Kommt sie bei den Arztpraxen auch tatsächlich an?

Bereits 2006 wurde die „Selbstverpflichtung der deutschen Kreditwirtschaft zur Rating- Kommunikation“ in der Rating-Broschüre der „Initiative Finanzstandort Deutschland“ erstmals veröffentlicht. Diese Initiative, kurz „IFD“ genannt, wird von den Großbanken sowie von den Verbänden der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken getragen, sodass bei den Banken vor Ort zumindest grundsätzlich von einer Identifikation mit diesem wichtigen Ziel ausgegangen werden sollte. Immerhin liefern die bankinternen Ratingsysteme den Kreditinstituten für deren Risikosteuerung bei der Kreditvergabe wichtige Entscheidungsgrundlagen.  

Bankseitige Zurückhaltung

Die von Banken und Sparkassen in der Vergangenheit offensichtliche Überbetonung der „bankinternen“ Definition des Begriffes hat erfahrungsgemäß jedoch häufig verhindert, dass vor allem die bankseitige (In)- Transparenz bei der konsequenten Offenlegung der Ratingdetails zu einem für Arztpraxen befriedigenden Ergebnis geführt hat. Hinzu kommt, dass offenbar längst nicht jedem Bank- oder Sparkassenmitarbeiter sämtliche entscheidungsrelevanten Zusammenhänge zur Ermittlung der jeweiligen Ratingnote auch tatsächlich bekannt sind. Dies gilt beispielsweise für die Gewichtung einzelner Ratingfaktoren ebenso wie für die Ermittlung des an der Bonität des Kunden orientierten Kreditzinssatzes.  

Im Ergebnis führt dieser Mangel an Transparenz in der Kunde-Bank-Beziehung häufig zu Irritationen beim Kreditnehmer: Während der Kunde gesetzlich vor allem auf Grundlage des § 18 Kreditwesengesetz zur Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse verpflichtet ist, besteht seitens der Kreditinstitute eine derartige Verpflichtung nicht. Vor diesem Hintergrund ist die erwähnte Selbstverpflichtung der Finanzbranche natürlich zu begrüßen. Sie muss nun aber auch zwingend und vor allem konsequent mit der Vorgabe umgesetzt werden, dass nicht nur mögliche Fragen des jeweiligen Praxisinhabers zu seinem Rating beantwortet werden, sondern dass der Kreditgeber selbst initiativ wird und bereits bei den Kreditvorgesprächen zumindest auf die wichtigen Ratingdetails eingeht. Dazu gehört insbesondere die Bedeutung der quantitativen Faktoren, die neben der Beurteilung der Kapitalstruktur der Praxis vor allem dessen Liquiditätssituation, Ertragslage und im Ergebnis die Kapitaldienstfähigkeit zählen. Darüber hinaus gewinnen die qualitativen Faktoren als ebenfalls wichtiger Bestandteil zur Ermittlung der Ratingnote an Bedeutung: Belastbare Fakten zur Marktund Wettbewerbssituation des Arztes, zu den Organisationsstrukturen der Praxis und zu seinen Managementqualitäten zählen ebenso dazu wie das Informationsverhalten des Arztes gegenüber seinem Bankinstitut. Da es innerhalb der Banken durchaus üblich ist, für unterschiedliche Kundengruppen auch unterschiedliche Ratingverfahren anzuwenden, sollte auch darüber offen geredet werden. Es ist immer wieder ärgerlich, wenn sich ein Praxisinhaber in einem Ratingverfahren mit seiner Praxis nach seiner Überzeugung nicht wieder findet, weil etwa die Daten seines Fachbereichs auf Grund einer weiteren Spezialisierung möglicherweise nicht exakt zutreffen.  

Ratingbestandteile als Warnsignal 

Außerdem können Warnindikatoren als bonitätsrelevante Merkmale hinzukommen, die zusätzliche Hinweise auf eine erhöhte Ausfallgefahr des Kredites geben. Dazu zählen beispielsweise Verstöße gegen bereits bestehende Kreditverträge oder nicht ausdrücklich vereinbarte Kontoüberziehungen über den festgelegten Kreditrahmen hinaus. Auch hier muss der Kunde wissen, in welchem Umfang derartige Warnindikatoren Einfluss auf das Ratingergebnis haben. Dies sollte ein weiterer Grund für Banken und Sparkassen sein, die mit einer derartigen Selbstverpflichtung verbundene Transparenzzu fördern. Darüber hinaus bieten vor allem Warnindikatoren beiden Geschäftspartnern die Möglichkeit, rechtzeitig aufeinander zuzugehen und im Idealfall erst gar keine diesbezüglichen Irritationen entstehen zu lassen. Dies gilt vor allem für die erwähnten Kontoüberziehungen, die bankseitig durchaus offiziell genehmigt werden können, wenn sich der Arzt rechtzeitig mit seinem Gesprächspartner bei der Bank zusammensetzt und diesen um eine vorübergehende Krediterhöhung bittet.  Selbstverpflichtung verbundene Transparenz zu fördern. Darüber hinaus bieten  

Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist das so genannte „Overruling“ eines Ratings. Wenn es auch das Ziel eines Ratings bleibt, die durch vergangenheits- und zukunftsbezogene Informationen berechnete Ratingnote zu ermitteln, kann es natürlich sinnvoll sein, das Ratingergebnis durch bonitätsrelevante Faktoren, die im jeweiligen Ratingsystem keine oder nur eine unzureichende Berücksichtigung finden, durch ein ergänzendes Votum des Kreditverantwortlichen zu verändern. Dies ist bei der oftmals schwierigen Ermittlung stiller Reserven oder bei häufig ebenfalls schwer zu quantifizierenden Alleinstellungsmerkmalen der jeweiligen Praxis möglich.

Michael Vetter, Wirtschaftsjournalistvetter-finanz@t-online.de

Website der„Initiative Finanzstandort Deutschland“ (IFD):www.finanzstandort.de

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