Investition in Rohstoffe

Seltene Erden heiß begehrt

Die High-Tech-Branchen der deutschen Industrie brauchen die Metalle der Seltenen Erden wie die Luft zum Atmen. Denn ohne Elemente wie Scandium, Yttrium oder die Lanthanoide funktioniert kaum ein i-Phone, Flachbildschirm oder Hybridauto. Doch die Chinesen halten als größte Förderer den Daumen auf die begehrten Rohstoffe. Die Folgen: Die Ware ist knapp, die Preise steigen und die Spekulanten wittern ihre Chance.

Es herrschen Heulen und Zähneknirschen in den westlichen Industriestaaten. Die Metalle der Seltenen Erden stehen der Industrie nicht mehr in ausreichendem Maß zur Verfügung. Dabei sind sie für viele Schlüsseltechnologien unerlässlich. Kaum vorstellbar, dass die Welt auf Handys, Windkraftrotoren, Katalysatoren, Flachbildschirme oder Lasergeräte verzichten müsste. Dabei handelt es sich, anders als der Name erwarten lässt, durchaus nicht um Raritäten unter den Rohstoffen. Der Name stammt aus der Zeit der Entdeckung dieser Elemente Ende des 18. Jahrhunderts. Gefunden wurden sie in seltenen Mineralien, aus denen sie als Oxide isoliert wurden. Die Gruppe besteht aus den 14 Lanthanoiden sowie den Elementen Scandium, Yttrium und Lanthan. So steht beispielsweise Cerium an 26. Stelle der häufig vorkommenden Metalle noch vor Blei.  

Selbst das als besonders selten geltende Thulium ist immer noch häufiger vorhanden als Gold und Platin. Neben den erwähnten elektronischen Geräten finden sie ihre Verwendung auch in der Rüstungsindustrie. Hier vor allem in Radar- und Raketenlenksystemen. Neodym-Magnete bewirken zum Beispiel, dass magnetisiertes Eisen seine magnetische Wirkung nicht verliert. Zum Einsatz kommen sie als Dauermagnete in Generatoren von Windkraftanlagen. Das Element Lanthan wird für Legierungen in Batterien benutzt. Sie haben nur einen winzigen Anteil an der Herstellung der Produkte, aber eben einen essenziellen und sind nicht zu ersetzen.  

Chinesen produzieren am meisten 

Die Chinesen wissen das. Sie produzieren zwar zirka 97 Prozent der Weltförderung, doch ausführen wollen sie immer weniger. So stellen sie für 2011 nur noch 14 446 Tonnen des begehrten Materials für chinesische und ausländische Unternehmen zur Verfügung. Im Jahr 2010 waren es noch 22 282 Tonnen – also eine erhebliche Reduzierung. In Prozent ausgedrückt: Die Exportmenge liegt um 35 Prozent unter der von 2010. Allein im vergangenen Jahr sind die Preise deshalb zum Teil um 600 Prozent gestiegen. Die USA üben Druck aus und prüfen, ob sie sich wegen einer Klage gegen China an die Welthandelsorganisation WTO wenden.  

Gunther Maassen hingegen hält diese Maßnahme keineswegs für geschäftsfördernd. Im Gegenteil, er kann die Reaktion der Chinesen verstehen und ihre Argumente gut nachvollziehen. Der Bonner Metallhändler verfügt über sehr gute Beziehungen nach China und kennt das Geschäft seit 30 Jahren. Zusammen mit Bruder und Vater führt er die alteingesessene Firma. Was er in China aus der Politik hört, lautet so: „Warum sollen wir heute Rohstoffe günstig verkaufen, wenn dann unsere Kinder und Enkel diese Elemente wieder teuer einkaufen müssen“ und „Die Welt hat genügend Seltene Erden, wir können es uns nicht erlauben, alle aus der Reisschale unseres Landes zu ernähren“. Hinzu kommt, dass die Chinesen endlich die gerade von den westlichen Ländern geforderten Maßnahmen für den Umweltschutz umsetzen wollen – ein Grund für den Anstieg der Preise.  

Förderstopp aus Umweltgründen 

Speziell die Rücksichtnahme auf die Umwelt war damals der Anlass, warum Minen in Australien und den USA ihre Förderung eingestellt haben. Bis dahin produzierten allein die Amerikaner etwa ein Drittel der Weltfördermenge. Die Chinesen, denen Umweltaspekte und Ausbeutung der Arbeiter damals nicht so wichtig waren, schufen sich so eine Monopolstellung als Produzent der Seltenen Erden.  

Eine Studie der Commerzbank von Ende letzten Jahres belegt, dass beispielsweise der Preis für Cerium von durchschnittlich 3,88 Dollar je Kilogramm in 2009 auf 50 Dollar Anfang November 2010 gestiegen ist. Eine Mitschuld an den exorbitanten Preissteigerungen tragen die abhängigen Länder selbst. Zwar fördern die Chinesen praktisch im Alleingang die Seltenen Erden, doch verfügen sie nur über 30 Prozent der Vorkommen. Insgesamt liegen die weltweit bekannten Reserven bei 99 Millionen Tonnen. Laut Commerzbank-Studie reicht der Vorrat – vorausgesetzt das Abbautempo von gut 124 000 Tonnen pro Jahr bleibt – für 800 Jahre.  

Die Reserven liegen über den Erdball verteilt. So verfügt China über geschätzte 36 Millionen Tonnen. Die Amerikaner sitzen auf 13 Millionen, Russland auf 19 Millionen und die Australier auf fünf Millionen Tonnen. Auch Indien kann etwa drei Millionen Tonnen abbauen. Ebenso verfügen die Grönländer über große Reserven. Sogar auf dem Mond soll es die Seltenen Erden geben. Doch die Förderung ist nicht nur auf dem entfernten Satelliten mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die größten Probleme ergeben sich bei der Förderung der Metalle. Sie treten zwar wegen ihrer ähnlichen Eigenschaften meist gemeinsam auf, allerdings in niedrigen Konzentrationen. Um sie für die industrielle Nutzung vorzubereiten, müssen sie voneinander getrennt werden. Die zum Teil sehr giftigen Metalle werden mit Hilfe von Säuren aus der Erde gewaschen. Auch die Aufbewahrung bereitet bei einigen große Schwierigkeiten. Manche oxidieren sehr schnell oder entzünden sich sogar, wenn sie mit der Luft in Kontakt kommen. Um also beim Abbau Mensch und Umwelt zu schützen, bedarf es eines großen Aufwands.  

Nachfrage größer als Förderkapazität  

Dank der immens gestiegenen Preise lohnt sich die Förderung in den alten Minen wieder. So arbeitet die größte der westlichen Selte-Erden-Mine, die 2001 geschlossene Mountain Pass-Mine von Moly Corp in den USA wieder. Sie will ab 2012 rund 40 000 Tonnen produzieren. In Australien will die Mount-Weld-Mine (Lynas) zunächst mit 11 000 Tonnen starten, Anfang 2013 sollen es doppelt so viel sein. Doch alle Anstrengungen zusammen genommen werden nicht reichen, um die Nachfrage in kurzer Zeit zu decken. Lynas hat beispielsweise die zukünftige Produktion bereits verkauft. So  schätzt das australische Unternehmen, dass die weltweite Nachfrage bis 2014 jährlich um neun Prozent auf 190 000 Tonnen steigen wird. Metallhändler Maassen rechnet damit, dass „wenn alle Minen termingerecht ans Netz kommen und der Verbrauch nicht unerwartet schneller steigt, werden wir in fünf Jahren genügend Seltene Erden für die Industrie bereitstellen können.“ Seiner Meinung nach ist die Verknappung vorübergehend und politisch gewollt, aber langfristig betrachtet gibt es genügend Seltene Erden überall auf der Welt. Maassen geht davon aus, „dass wir in den nächsten zwei bis drei Jahren noch einige Stürme durchstehen müssen.“ Auch das Recyceln der Seltenen Erden scheint so schnell nicht als Lösung in Frage zu kommen. Derzeit steckt es noch in den Kinderschuhen und dürfte trotz der hohen Preise für die begehrten Rohstoffe auch noch zu teuer sein.  

Weiterer Preisanstieg prognostiziert  

Die Experten der Commerzbank rechnen jedenfalls damit, dass es noch Jahre dauern wird, bis das Angebot der Nachfrage entspricht. Die Preise werden trotz der bisherigen Höhenflüge weiter spürbar zulegen. Diese Zeit wollen Anleger und vor allem die Spekulanten unter ihnen nutzen, um sich eine Scheibe vom Kuchen der enormen Preissprünge bei den Seltenen Erden zu sichern. Ein großes Hindernis für Spekulanten, vom Auftrieb den begehrten Metallen zu profitieren, ist, dass sie nicht wie etwa Gold an der Börse gehandelt werden. Wegen der mangelnden Transparenz können Anleger sich also nur schwer einen Überblick über die Preise verschaffen. Sie können theoretisch Metalle in fester Form oder als Oxyde in Tüten verpackt kaufen, zu Hause lagern und wieder einen Käufer finden, wenn der Preis hoch genug gestiegen ist. Gunther Maassen rät davon ab. Er hält eine solche Vorgehensweise nicht für praktikabel: „Zum einen sind die Mengen, die private Anleger halten können, viel zu klein, um damit zu handeln. Außerdem würde ich zum Beispiel als Handy- Produzent niemals privat gelagertes Material kaufen. Das muss professionell aufbewahrt werden. Denn das Pulver lässt sich sehr leicht manipulieren, zum Beispiel mit Mehl strecken.“

Als Alternativen bleiben da nur der Kauf von Fonds, Zertifikaten oder Aktien. Viel Auswahl gibt es nicht. Fonds werden derzeit in Deutschland nicht angeboten. Für die Commerzbank stehen die Seltenen Erden im Privatkundengeschäft auch nicht im Fokus. Rohstoffexperte Daniel Briesemann: „Dieses Thema läuft bei uns am Rand mit. Es ist eher für sehr spekulativ eingestellte Anleger von Interesse.“ Für diese Klientel hält das Bankhaus ein Zertifikat bereit. Es basiert auf einem Index, den die Bank aus den Aktien der Förderfirmen zusammengesetzt hat. Moly Corp und Lynas Corp stellen mit je 17,5 Prozent den Hauptanteil. Auch die schweizerische UBS beteiligt sich an dem Hype um die Seltenen Erden. Sie hat ebenfalls ein Zertifikat emittiert. Dafür hat das Geldhaus einen Korb aus Aktien von Unternehmen zusammengestellt, die nicht in China fördern. Marcel Langer, von UBS Deutschland warnt selbst auf der Homepage: „Dieses Papier eignet sich nur für risikobewusste Anleger, die sich darüber im Klaren sind, dass die Kurse der Aktien schon gestiegen sind.“  

Gute Aktienentwicklung nicht garantiert  

Viele Aktien von Unternehmen, die sich mit den Seltenen Erden beschäftigen, haben ihren Kurs zum Teil schon verdoppelt. Anzunehmen ist dabei, dass die Förderpläne von Moly Corp und Lysan Corp hierin bereits eingepreist sind. Experten munkeln derweil, dass beide Unternehmen ihre Kapitalerhöhungen im vergangenen Jahr am Markt nicht gut platzieren konnten. Allerdings spricht die enorme Bedeutung der Rohstoffe für die Industrie dafür, dass die Kurse der Papiere sehr unwahrscheinlich in den Keller rutschen werden.  

Interessant für Spekulanten sind auch die australische Arafura Resources. Sie verfügen angeblich über ein vielversprechendes Vorkommen Seltener Erden in Australien. Der kanadische Produzent Neo Materials Technologies fördert hauptsächlich in China. Und Chinas größter Förderer, die China Rare Earth, wird sogar an der Frankfurter Börse gehandelt. Anleger, die schon ein Kribbeln verspüren, sollten sich genau informieren, bevor sie schwer verdiente Euro in die gar nicht so Seltenen Erden stecken. Denn oft ist es zu spät für den Einstieg in eine Anlage, wenn schon alle darüber reden. Gunther Maassen jedenfalls setzt privat nicht unbedingt auf Seltene Erden und auch nicht auf Gold. Seiner Ansicht nach gibt es genügend Alternativen im Bereich der strategischen Metalle.  

Marlene EndruweitFachjournalistinm.endruweit@netcologne.de

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