Wissen wollen
Kinder auch aus der Perspektive der Wissenschaftspolitik als wichtigen Teil der Gesellschaft wahrzunehmen, ist erklärtes Ziel der Initiative „SiS-Catalyst“. Das Stichwort der EU-Bildungsstrategie lautet „Mutual Learning – Wechselseitiges Lernen“. Es geht darum, mehr über die Vorstellungswelt von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf wissenschaftliche Themen zu erfahren. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen später in die Gestaltung von Wissenschaftsvermittlung ein. Die Strategien für eine innovative Bildungslandschaft werden im Dialog von Wissenschaftlern und Kindern beziehungsweise Jugendlichen im Alter zwischen acht und 14 Jahren entwickelt. Idee ist, auch denen eine Stimme zu geben, die von den zukünftigen Herausforderungen am meisten betroffen sein werden.
Hier schließt ein weiteres Ziel an: „Soziale Inklusion“. Dahinter steht die These, dass die Wissenschaft angesichts demografischer Veränderungen auf alle zur Verfügung stehenden Talente angewiesen ist, um zukünftige Herausforderungen zu meistern. Dafür werden Richtlinien erarbeitet, wie Wissenschaftskommunikation auch bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche erreichen und damit teilhaben lassen kann. Vor Ort werden Institutionen darin unterstützt, in ihrem regionalen Kontext zu erkennen, welche Kinder einen erschwerten Zugang zu akademischer Bildung haben. Insgesamt sind 30 Partnerorganisationen aus 23 Ländern beteiligt.
In Deutschland wirkt die Universität Tübingen an dem Großprojekt mit, über ihre Kinder-Uni und deren „Außenstellen“ auf dem Land. Dieses Alleinstellungsmerkmal wurde als eines von acht europäischen Best-Practice-Beispielen identifiziert und soll nun als Modell ausgearbeitet werden.
Die Vorlesungen der Kinder-Uni befassen sich neben anderen Feldern auch mit medizinischen Themen. Die Titel lauten „Warum schlägt das Herz?“ oder „Warum knurrt der Magen?“. Michael Seifert leitet die Abteilung externe und interne Kommunikation an der Uni Tübingen. Seiner Sicht nach „zwingt die selbstverständliche Anforderung, komplexe wissenschaftliche Sachverhalte in kindgerechte Äußerungen zu übersetzen die Wissenschaftler, über ihre Arbeit neu nachzudenken und bei der Vermittlung unkonventionelle Wege zu gehen.“ Kinder könnten so zu Schlüsselfiguren didaktischer Weiterentwicklung werden. Indirekt könnte sogar eine Verbesserung bei den Angeboten für die Studierenden ausgelöst werden.
Die Politik – auch auf Bundesebene – betrachte Kinder-Unis als wichtigen Bestandteil der europäischen Bildungsszene. Die Bereitschaft zur Förderung belege dies erneut. Dass die junge Zielgruppe von der Kinder-Uni begeistert sei, könne dadurch begründet werden, dass sie an einer Art Rollenspiel teilnimmt. Seifert: „Sie bekommen etwas geboten, zu dem sonst nur Erwachsene Zugang haben.“ Die sind in diesem Fall ausgeschlossen. Stattdessen werden hier die Kinder im Rahmen einer exklusiven Veranstaltung als junge „Studenten“ ernst genommen.
■ www.siscatalyst.eu
■ www.die-kinder-uni.de