Durchblick für den Kunden
Umsonst ist nur der Tod, für alles andere muss man bezahlen – diese düstere Fest - stellung trifft vielleicht nicht für persönliche Beziehungen zu, im Geldgeschäft stimmt sie auf jeden Fall. Nur glauben leider immer noch die meisten Bank- und Versicherungskunden, dass für sie die Beratung am Banktresen kostenlos wäre. Dass sie die vermeintlich gute Empfehlung aber sehr teuer zu stehen kommt, lässt sich anhand von Zahlen deutlich darstellen. So errechneten Niels Nauhauser und Werner Bareis, Autoren des Buches „Lexikon der Finanzirrtümer“, dass allein die Abschlusskosten für einen Aktienfondssparplan 2 000 Euro betragen, für den Abschluss einer privaten Rentenversicherung sind es 1 970 Euro. Unterstellt wird bei beiden Produkten, dass 20 Jahre lang jährlich 2 000 Euro angelegt werden. Die jährlichen Verwaltungskosten bleiben dabei sogar unberücksichtigt. Sie beinhalten die Kickbacks – Beträge, die auch dem Verkäufer regelmäßig gutgeschrieben werden. Auf diese Weise verlieren die Anleger große Summen bei der Geldanlage, von denen sie nichts ahnen. Hinzu kommt, dass die meisten Berater in den Banken jeden Montag ihre Anweisungen für die Woche bekommen, von welchem Produkt sie wie viel verkaufen müssen, um ihr Soll zu erfüllen. Kein Wunder, dass es sich dabei um möglichst provisonsträchtige und vor allem hauseigene Fonds oder Zertifikate handelt. Nur so konnte es passieren, dass sich nichts ahnende Kunden auf den Kauf der risikobehafteten Lehman- Papiere eingelassen haben. Im Vordergrund steht eben meistens das Wohl des Geldhauses und nicht das der Kunden. Eine Untersuchung des Verbraucherministeriums ergab, dass die Sparer im Jahr aufgrund mangelhafter Beratung 30 Milliarden Euro als Verlust abschreiben können. Deshalb plädieren Verbraucherschützer und die Fachministerin Ilse Aigner für eine Stärkung der Honorarberater. Diese verzichten auf Provisionen und bieten ihre Dienste gegen die Zahlung eines Entgelts an. Auf diese Weise können sie jedem Kunden die für ihn passenden Produkte empfehlen.
Provisionsverbot wie in Großbritannien
Rückenstärkung für dieses Modell gab es Anfang November letzten Jahres von unvermuteter Seite. Der Chef von Allianz Global Investors Deutschland (AGI) plädierte für ein neues Gebührenmodell im deutschen Finanzvertrieb. „Die Verkaufsprovisionen sind nicht förderlich, aber deswegen wird keine Bank sie abschaffen. Ich favorisiere deshalb ein Modell wie in Großbritannien.“ Auf der Insel sind Provisionen ab 2012 schlicht verboten. „Der Kunde wird dort ein Honorar bezahlen, das eine unabhängige Beratung ermöglicht“, so Dilworth.
Diese Worte sind Wasser auf die Mühlen der in Deutschland tätigen Honorarberater. Schon seit Jahren versuchen sie, die Vorteile der unabhängigen Kundenbetreuung in Finanzfragen breiter zu etablieren. Doch sie haben zwei Gegner. Zum einen kämpfen sie gegen die mächtige Finanzindustrie, die aus bekannten Gründen unbedingt am Provisionsmodell festhalten will. Andererseits weicht der Glaube der Verbraucher an die kostenlose Beratung nur langsam auf. Viele Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass nur wenige dazu bereit sind, Geld für eine unabhängige Beratung auszugeben. Dieter Rauch, Vorsitzender des Verbunds Deutscher Honorarberater (VDH) kritisiert aber: „Die meisten dieser Untersuchungen wurden von Banken in Auftrag gegeben. Da weiß man schon im Voraus, was dabei her-auskommt.“ Zu einem anderen Ergebnis kam im Mai 2010 eine Studie des Meinungsforschungsinstituts TNS Sofres. Auftraggeber war der Fondsanbieter Fidelity. Die Sparer wurden zu ihren Erwartungen an die Anlageberatung gefragt. Dabei zeigten sich 51 Prozent dazu bereit, für eine kompetente und unabhängige Beratung ein angemessenes Honorar zu zahlen. Als Gegenleistung erwarten die Kunden vollständige Gebührentransparenz, ganzheitliche Finanzplanung und die regelmäßige Anpassung der Anlagestrategie an die Lebensplanung. Diese Wünsche der Anleger zu erfüllen, haben sich seriöse Honorarberater auf die Fahnen geschrieben.
Klare Berufsbeschreibung für Honorarberater fehlt
Derzeit ist es für die Kunden aber nicht erkennbar, welcher Berater diese Wünsche erfüllen kann. Denn es gibt keine einheitliche Berufsbeschreibung. Deshalb nutzen noch viele Experten die Möglichkeit, zweigleisig zu fahren: Sie kassieren von den Kunden die Honorare und lassen sich gleichzeitig die Provisionen gutschreiben. Für Dieter Rauch ein Ding der Unmöglichkeit: „Leider gibt es auch bei den Honorarberatern schwarze Schafe. Wir warnen vor denen, die unbedingt ein Produkt verkaufen wollen. Seriöse Berater tun das nicht.“
Ähnlich sieht es auch Dorothea Mohn, Finanzexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin. Sie fordert: „Es darf einfach nicht mehr möglich sein, dass sich ein Vermittler aussuchen kann, ob er eine Provision oder ein Honorar kassiert. Mischsysteme müssen ausgeschlossen sein.“
Umso wichtiger ist der Festlegung eines einheitlichen Berufsbildes. Nach Vorstellung von Dieter Rauch soll darin stehen:
• Der Berater bekommt sein Honorar nur für seine Zeit und sein Wissen.
• Er darf keine Provisionen annehmen. Im Anlagebereich müssen sie erstattet werden.
• Der Kunde soll nachhaltig betreut werden.
• Der Staat soll die Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.
• Der Kunde soll die Vergütung für den Berater steuerlich absetzen dürfen.
Eigentlich wollte der Gesetzgeber bereits Ende letzten Jahres im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes den Honorarberatern die Arbeit erleichtern. Bislang gelang es den Beteiligten jedoch nicht, sich zu einigen. Einer der Streitpunkte ist die Frage, unter wessen Aufsicht die Honorarberater gestellt werden: Gewerbeamt oder Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Verbraucherschützer fordern Aufsicht
Aus Sicht der Verbraucher wäre eine Kontrolle durch die BaFin von Vorteil. Denn die Berater würden dem Kreditwesengesetz (KWG) unterstellt. Die Berater fürchten allerdings die Kosten und die Auflage, dann keine Provisionen mehr annehmen zu dürfen, die sie ehrlicherweise an ihre Kunden weiterreichen. Der VZBV befürwortet eine gesetzliche Verankerung aller Finanzvermittler im Kreditwesengesetz (KWG) und eine laufende Kontrolle durch die Finanzaufsicht BaFin. Expertin Mohn argumentiert: „Eine strenge gesetzliche Regelung ist erforderlich, verbunden mit einer klaren Kontrolle der Beratungsqualität.“
Wie nötig eine klare Regelung ist, zeigt das Ergebnis der Prüfung von 61 Beratungsprotokollen, die der VZBV in Banken durchgeführt hat. Nach Krediten und deren Höhe hat zum Beispiel kaum ein Berater gefragt, obwohl die Wohlverhaltensregeln des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) dies verlangen. „Meines Erachtens ist das ein eindeutiger Beratungsfehler“, konstatiert Mohn. Gleichzeitig fehlt es den Kunden an Problembewusstsein. Um es zu schärfen, fordert sie: „Die Behauptung, die Beratung bei Banken und Versicherungen sei kostenlos, müsste einfach verboten werden. Der Preis der Beratung soll klar und deutlich in Euro und Cent auszuweisen sein.“ Allerdings setzen sich die Verbraucherschützer für eine abgespeckte Variante der Aufsicht ein. Denn die Honorarberater verwalten keine Kundengelder.
Um ihre Anliegen besser vertreten zu können, haben sich der VDH und die Quirin Bank zum Berufsverband deutscher Honorarberater (BDVH) zusammengeschlossen. Die Bank mit Sitz in Berlin bietet die Beratung gegen Geld seit vier Jahren an. Der Erfolg gibt dem Vorstandssprecher Karl Matthäus Schmidt Recht. In dieser Zeit stieg die Anzahl der Kunden von 700 auf derzeit 7 500, die Bank verwaltet aktuell zwei Milliarden Euro Kundengelder. Das Erfolgsrezept steht in Paragraf vier der „Neuen Gesetze des Private Banking“, aufgestellt von Schmidt: „Sämtliche Ausgabeaufschläge, offene und versteckte Provisionen sowie von den Banken verschwiegene Kickbacks werden ab sofort dem Kundenkonto gutgeschrieben.“
Transparenz statt undurchsichtiger Geschäfte
Schmidt gründete seine eigene Bank, weil er den Erfahrungen, die er selbst als Bankangestellter gemacht hat, ein transparentes Modell entgegenstellen wollte. Für einen Pauschalpreis von 75 Euro im Monat bekommen Kunden eine detaillierte Finanzanalyse. Eventuelle Provisionen werden den Kunden gutgeschrieben. Das Angebot umfasst verschiedene Preismodelle. Eine Stunde Einzelberatungen kostet 150 Euro. Anders als bei herkömmlichen Instituten können die Berater ihren Kunden kostengünstige Produkte empfehlen wie zum Beispiel Indexfonds. Zertifikate, Optionsscheine oder geschlossene Fonds, mit denen Banken sonst gute Geschäfte machen, stehen nicht auf der Angebotsliste. Auch provisionsfreie Versicherungen können Kunden bei der Quirin Bank und bei den Mitgliedern des VDH abschließen. Dieter Rauch bestätigt, dass inzwischen 30 Gesellschaften zwei Tarife anbieten: mit und ohne Provision. Für die Honorarberater ist das wichtig, denn es besteht noch immer ein Verbot für Versicherungen, das es ihnen untersagt, die Provisionen an ihre Kunden weiter zu reichen. Neben der Quirin Bank bietet auch der Internetableger der Commerzbank die comdirect ein Honorarmodell an. Sie erstattet ihren Kunden alle Vergütungen, die sie von den Produktanbietern bekommt. Der Kunde muss dort ein Depot eröffnen und zahlt dafür monatlich eine Gebühr von 0,05 Prozent des Anlagevolumens oder mindestens 24,90 Euro. Zusammen mit seinem Berater legt er ein Risikoprofil fest. Auch die comdirect verzichtet auf Zertifikate und Optionsscheine. Gefällt dem Kunden die Beratung nach einem sechsmonatigen Test nicht, bekommt er das Geld für drei Monate zurück.
Dass es wirklich schwierig sein kann, die Kunden von den Vorteilen einer Honorarberatung zu überzeugen, zeigt das Beispiel Cortal Consors. Bei der Direktbank zahlt zum Beispiel ein Kunde mit einem Depotwert von 200 000 Euro 1 462 Euro für die Honorarberatung. Obwohl das Provisionsorientierte Angebot mit 2 300 Euro pro Jahr deutlich teurer ist, haben sich bislang nur knapp 300 Kunden für die günstigere Variante entschieden. Aber auch wenn noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten ist, der Zug zur Transparenz im Bankgeschäft lässt sich nicht mehr aufhalten. Die Regierungen in Großbritannien aber auch in den Niederlanden und in Skandinavien stützen diesen Trend. Da werden die Deutschen nicht hintanstehen.
Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de