Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
laut Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler steht das Jahr 2011 im Zeichen einer Pflegereform. Die Versprechen für das „Pflegejahr“ lauten auf Optimierung von struktureller Qualität und verbesserter, vor allem nachhaltiger Finanzierung.
Neues wird da nicht erfunden. Man kennt diese Art von Zusagen aus den zurückliegenden Gesundheitsreformen. Wer die letzten Jahre verfolgt hat, vermeidet Erwartungshaltungen. Letztlich verwalten die Politiker von heute auch hier den Mangel. Und zwar nicht nur den von heute, sondern vor allem den von morgen.
Wer sich die Szenarien der Altersgessellschaft bewusst macht, verliert schnell die Illusion, dass die Finanzierung der sozialen Aufgaben künftiger Jahrzehnte unter Beibehaltung bisheriger Rahmenbedingungen wirklich noch funktionieren kann. Gegen Prognosen, die ausmalen, dass schon in wenigen Jahrzehnten auf einen aktiven Zahler von Sozialleistungen drei Empfänger kommen, wirkt selbst Ex-Minister Norbert Blüms „Die Rente ist sicher“ wie langweiliges Kabarett.
Ergo? Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos? Mit solchen Klischees kommt man nicht über den Berg. Aber sicher ist auch, dass sich diese Gesellschaft mit ihrem zunehmenden Hang öffentlicher Schwarzmalerei selbst lähmt. Wer die Hände mit der Begründung in den Schoß legt, er könne ohnehin nichts tun, macht alles nur noch schlimmer. Es gilt, Alternativen zu schaffen, quer zu denken, neue Wege zu gehen – sprich: sich den Dingen zu stellen.
Insofern ist Phlipp Röslers Unterfangen eine wichtige, von allen Beteiligten anzugehende Aufgabe. Wollen wir die seit Beginn der Aufklärung weitestgehend gepflegte Verpflichtung zur Menschlichkeit bewahren, brauchen wir eine breite Diskussion, sicherlich auch den Mut für unkonventionelle Wege, aber auch die Bereitschaft, zugunsten humaner Zustände über ein Umlenken von Finanzierungsmöglichkeiten nachzudenken.
Alufelgen, Apps oder Alpakapullover sind kein Ersatz für eine vernünftige Alters- und Pflegeversicherung. Und die Konzepte werden sicherlich abfordern, dass wir selbst – und nicht die kommenden Generationen für unser Morgen vorsorgen müssen.
Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung der Pflegesituation. Ob Vorschläge der Zahnärzte zur Verbesserung von Behandlung und Pflege in der Alters- und Behindertenzahnheilkunde oder auch aktuelle Diskussionen um notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Unterversorgung in ländlichen Regionen Deutschlands, in denen die medizinische Betreuung älterer Menschen ein gesondertes Problem darstellt: Wenn wir es verpassen, endlich die Weichen für eine humane Alten- und Krankenpflege richtig zu stellen, wird die gegenwärtig hohe Lebensqualität unserer Gesellschaft zur schönen Erinnerung verkommen. Noch können wir handeln.
Mit freundlichen Grüßen
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur