Grünes Licht für Oldenburg
Mit der Zustimmung zur Gründung eines neuen medizinischen Standortes an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg hat der Wissenschaftsrat auf seiner Sitzung im November die Erprobung neuer Wege in der ärztlichen Ausbildung freigegeben. Das Konzept sieht eine enge Kooperation mit der niederländischen Nachbaruniversität in Groningen vor. Im Rahmen der European Medical School Oldenburg- Groningen (EMS) sollen Studierende beider Universitäten ein gemeinsames humanmedizinisches Studium von sechs Jahren absolvieren, mindestens ein Drittel davon soll am jeweils anderen Ort erbracht werden.
Das Studium kann wahlweise mit einem niederländischen „Master of Science in Geneeskunde“ oder mit einem deutschen Staatsexamen abgeschlossen werden. Auch ein Doppelabschluss ist möglich. Nach europarechtlichen Vorgaben sollen beide Abschlüsse zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in allen EUStaaten befähigen. Ein nach drei Jahren angebotener niederländischer „Bachelor of Human Life Sciences“ soll für medizinnahe Berufsbereiche qualifizieren, nicht jedoch für eine ärztliche Tätigkeit. Damit will man neue Möglichkeiten zur inhaltlichen und zeitlichen Flexibilisierung der deutschen Medizinerausbildung erproben.
Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet [siehe Heft 47, 26. November 2010, Seiten 2322 - 2323], soll das Studium in Oldenburg die Anforderungen der deutschen Approbationsordnung für Ärzte erfüllen. Es falle unter die Klausel für Modellstudiengänge. Die Vergabe eines deutschen Bachelor und Master durch die Universität Oldenburg sei nicht vorgesehen.
Der neue medizinische Standort in Oldenburg mit 40 Studienplätzen soll drei Krankenhäuser der Stadt als Lehrkrankenhäuser einbeziehen, in enger Kooperation mit der Universität Groningen. Dabei sollen neue Wege der Lehre, die bereits in Groningen umgesetzt werden, auch in Deutschland erprobt werden, dazu gehört problemorientiertes und kompetenzbasiertes Lernen.
Bedingungen gestellt
Der Wissenschaftsrat knüpft sein Votum an einige Bedingungen. Es bestehe Nachbesserungsbedarf, um auf Dauer den Qualitätsansprüchen in Lehre, Forschung und Krankenversorgung zu decken. Zu den Kritikpunkten gehöre auch die personelle Abdeckung einiger medizinischer Fächer, Teile des Finanzierungskonzeptes und die rechtliche Ausgestaltung zur Schaffung eines Universitätsklinikums. Ausdrücklich behält sich der Wissenschaftsrat vor, das Konzept im Jahr 2017 noch einmal zu überprüfen.
Der Entscheidungsprozess war lang und schwierig. Kernproblem waren die ursprünglich geplanten BA/MA-Abschlüsse auch für deutsche Studenten, gegen die sich aber das Bundesgesundheitsministerium stellte. Mit dem nun gefundenen Kompromiss des wahlweise deutschen Staatsexamens oder niederländischen Masters scheint auch Gesundheitsminister Philipp Rösler leben zu können: „Die Entscheidung ist zu begrüßen“, zitiert ihn die Nordwest Zeitung (Online-Ausgabe vom 18.11. 2010). „Durch unser Engagement wurde das Ziel erreicht, dass Studenten in Deutschland nur das Staatsexamen ablegen können. Bachelor- und Masterstudiengänge für Medizin lehne ich für Deutschland aus fachlicher Überzeugung ab.“ Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister betrachtet die Entscheidung als positiv im Sinne einer vorausschauenden Investition in die künftige Gesundheitsversorgung.
Heftige Kritik kommt hingegen von der Ärzteschaft. Ärztepräsident Prof. Dr. Jörg- Dietrich Hoppe warnte eindringlich vor Bachelor/Master-Strukturen in der Medizin: „Absolventen eines drei- bis vierjährigen Bachelor-Medizinstudiums würden dem Arbeitsmarkt zwar als vergleichsweise billige Mediziner zur Verfügung stehen, die Versorgungsqualität der Bürger würde aber erheblich reduziert,“ erklärte er. Eine Schnellausbildung könne den erforderlichen hohen Qualitätsstandard nicht erreichen. Zudem konterkariere die Aufteilung in ein zweistufiges System die deutsche Approbationsordnung, deren Ziel es sei, eine tief greifende Verzahnung von theoretischen Grundlagen und klinischer Anwendung zu erreichen.