Neue Chance für Krebspatienten
Etwa alle 45 Minuten wird laut Angaben der DKMS in Deutschland die Diagnose „Leukämie“ gestellt. Oft handelt es sich bei den Patienten um Kinder oder Jugendliche und nicht selten ist eine Stammzelltransplantation für sie die einzige Überlebenschance. Stammzellspenden sind allerdings nur möglich zwischen Menschen mit hoher Übereinstimmung der HLA-Merkmale (Human Leukocyte Antigene). Es handelt sich hierbei um Gewebemerkmale auf der Oberfläche der Leukozyten, die für die Erkennung von „selbst“ und „fremd“ durch das Immunsystem verantwortlich zeichnen. Stimmen die Merkmale des HLA-Systems, das oft auch als Gewebeverträglichkeitssystem bezeichnet wird, überein, so wird der Empfänger des Gewebes dieses nicht abstoßen. Ist jedoch keine Übereinstimmung gegeben, so erfolgt eine Abstoßungsreaktion und damit der Untergang des übertragenen Gewebes.
Unzählige Möglichkeiten des HLA-Gewebemusters
Die genetische Information der Gewebemerkmale wird durch vier Gene kodiert, die auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 lokalisiert sind. Es handelt sich um HLA-A-, HLA-B-, HLA-C- und HLA-DR-Merkmale, wobei es beim HLA-DR noch weitere Unterteilungen gibt. Die jeweiligen Gene können zudem in unterschiedlicher Ausprägung vorliegen, wodurch es quasi unzählige Möglichkeiten gibt, wie sich bei einem Individuum das HLA-Gewebemuster zusammensetzen kann. Da die einzelnen Gewebemerkmale in der Bevölkerung unterschiedlich häufig vorkommen, reicht laut DKMS die Wahrscheinlichkeit, für einen Patienten einen passenden Spender mit demselben HLA-Gewebemuster, also quasi einen „genetischen Zwilling“, zu finden, etwa von 1:20 000 bis zu weit über eins zu mehreren Millionen.
Wenn im Einzelfall ein Stammzellspender für einen Krebspatienten gesucht wird und in der Familie ein geeigneter Spender nicht verfügbar ist, so kommt daher die Suche nach einem Spender in der Bevölkerung der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleich. Erfolgreich kann sie nur sein, wenn im Vorfeld bereits die Daten zu den HLA-Merkmalen einer sehr großen Zahl potenzieller Spender bekannt sind. Daher ruft die DKMS die Bevölkerung immer wieder dazu auf, sich als potenzielle Stammzellspender registrieren zu lassen.
So wird man potenzieller Stammzellspender
Geschieht die Registrierung über eine der öffentlichen Typisierungsaktionen, so erfolgt die Feststellung der HLA-Merkmale im Allgemeinen über Blutentnahmen. Diese sind allerdings nicht unbedingt erforderlich und Interessierte können sich sogar quasi online bei der DKMS registrieren. Sie erhalten von der Organisation dann auf dem Postweg zwei Wattestäbchen, mit denen sie Abstriche von der Mundschleimhaut nehmen und somit die Registrierung schnell und bequem von zu Hause aus einleiten können.
Denn der Abstrich ist denkbar einfach zu realisieren: Zu Beginn sollte der Rachenraum gründlich mit Wasser durchgespült werden, um Speisereste zu entfernen, wobei aber keine desinfizierenden Lösungen verwendet werden dürfen. Mit der steril verpackten und an einem Stiel befestigten Watte, die selbstverständlich nicht mit den Fingern berührt werden darf, werden mindestens 30 Sekunden lang die Wangeninnenseiten abgerieben, wobei die Watte durch die Hoch-Tief-Bewegungen und die Rotation genügend Zellen der Schleimhaut aufnimmt. Der Watteträger muss dann zwei Minuten trocknen und wird anschließend in der mitgeschickten Halterung mitsamt Barcode-Aufkleber und Einverständniserklärung an die DKMS geschickt.
Positive Typisierung kein Fahrschein zur Spende
Die Typisierung erfolgt dabei nur für den Fall der Fälle und bedeutet keinesfalls zwingend, dass es für den Betreffenden jemals zu einer Stammzellspende kommen wird. Nach den Erfahrungen der DKMS realisiert sich die Stammzellspende höchstens bei fünf Prozent der Spender innerhalb der folgenden zehn Jahre und nur bei etwa einem Prozent innerhalb eines Jahres nach der Typisierung.
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Zahl der potenziellen Spender bei den im Bedarfsfall notwendigen weiteren Untersuchungen immer mehr einengt. Denn zeigt sich im ersten Schritt eine weitgehende Übereinstimmung der ermittelten Gewebemerkmale mit denjenigen eines Krebspatienten, der einer Stammzellspende bedarf, so stehen weitere Analysen an. Es wird in einem solchen Fall eine weitere Gewebetypisierung und vor allem eine genaue Analyse des HLA-DR-Merkmals veranlasst. Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dieser Typisierung der Spender weiterhin für einen bestimmten Patienten als Stammzellspender in Frage kommt, beträgt nach Angaben der DKMS nur noch etwa fünf Prozent. Es folgen in solchen Fällen weitere Untersuchungsschritte. So wird vor der Stammzellspende eine sogenannte Bestätigungstypisierung (Confirmatory Typing) vorgenommen, wobei im Transplantationszentrum nochmals alle Gewebemerkmale des Spenders hochauflösend untersucht werden. Außerdem wird das Blut des Spenders auf bestimmte Infek tionserreger wie zum Beispiel auf HIV oder Hepatitisviren geprüft, um mögliche Infektionskrankheiten auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es nach dieser Unter suchung dann tatsächlich zur Stammzellspende kommt, beträgt laut DKMS etwa 20 Prozent.
Chancen auf ein weiteres Leben
Stammzellen spenden dürfen, so die Informationen der Organisation, grundsätzlich alle gesunden Menschen zwischen 18 und 55 Jahren. Kommt es zur Stammzelltransplantation, so bedeutet dies für den jeweiligen Krebspatienten die Chance, weiterleben zu können. Der Eingriff verläuft laut DKMS in 40 bis 80 Prozent der Fälle erfolgreich, wobei allerdings die individuelle Überlebensdauer der Patienten nach einer Transplantation von deren Alter und Gesundheitszustand abhängt, vom Zeitpunkt der Transplantation, von der Art der zugrunde liegenden Erkrankung und vom Auftreten möglicher Komplikationen.
Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln