Preissenkung um jeden Preis
Die Gebührenordnungen der Zahnärzte (GOZ) und Ärzte (GOÄ) sehen grundsätzlich nur ein Abrechnungsspektrum ab dem 1,0-fachen Satz vor. In der Regel darf die Gebührenordnung nicht unterschritten werden.
Das Ansinnen auf politischer Ebene war es nun, diesen 1,0-fachen Satz auch unterschreiten (öffnen) zu können, damit private Krankenversicherungen und auch die Beihilfe Kosten senken können. Die Idee hierzu war ferner, Zahnärztinnen und Zahnärzte aufzufordern, entsprechende Preisangebote für Leistungen abzugeben, die unter dem 1,0-fachen GOZ-Satz liegen. Damit würden sich Zahnärztinnen und Zahnärzte einen erbitterten Preiskampf liefern, der nicht zuletzt für die Qualität der Leistung unangenehme Folgen beim Patienten haben kann. Der Vorwurf eines ruinösen Wettbewerbs ist daher durchaus berechtigt, wenngleich oberflächlich betrachtet niemand zum Mitmachen gezwungen wird (dazu unten mehr).
Dem Preis folgt die Qualität
Die Qualität einer Leistung ist immer dann in Gefahr, wenn die Leistung unter Wert angeboten wird. Betriebswirtschaftlich lässt sich eine Preissenkung nur dann rechtfertigen, wenn dadurch die Anzahl der Leistungen steigt oder ein Verdrängungswettbewerb mit dem Ziel der Ausschaltung der Konkurrenz angestrebt wird. Bei Letzterem würde jeder erfolgreiche Marktteilnehmer nach Verdrängung der Konkurrenz die Preise wieder heben – das dürfte bei einer vertraglich vereinbarten Reduktion unter den 1,0-fachen Satz einseitig durch die vertraglich gebundenen Zahnärzte kaum möglich sein.
Die Steigerung der Menge der Leistung mag per se als Versprechen interessant klingen, muss aber detailliert durchgerechnet sein. Denn mehr Patienten bei weniger Einnahmen verursachen dennoch in der Regel mehr Kosten, allein das Personal betreffend. Häufig gehen daher die „Bauchrechnungen“ der Preissenker nicht auf – mit dem Erfolg, dass die Einnahmen sinken und der Aufwand (die Kosten) steigen. Um dieses Ungleichgewicht einigermaßen wieder aufzufangen, muss häufig die Qualität der Leistung geopfert werden.
Die Gebührenordnung hat im Zusammenhang mit dem Berufsrecht nicht zuletzt die Aufgabe, sicherzustellen, dass die Qualität der angebotenen Leistung gegenüber dem Patienten auch erbracht werden kann. Sie schützt daher auch den Patienten vor einem Preis- und damit Qualitätsdumping.
Die „Öffnungsklausel“ und Selektivverträge
Was hat die Öffnungsklausel mit Selektivverträgen zu tun? Grundsätzlich erst einmal gar nichts, beide Begriffe werden jedoch häufig miteinander vermengt. Selektivverträge können auch ohne die Öffnungsklausel abgeschlossen werden, allerdings dann nicht unter dem 1,0-fachen GOZ-Satz. Allerdings ist es in der PKV ohnehin schwierig, Selektivverträge abzuschließen, da diese zwischen Krankenversicherung, Zahnarzt/-ärztin und Patient abgeschlossen werden müssen. Damit modifizieren Selektivverträge die privatrechtlichen Bestandsverträge der Privatpatienten – jedoch geht das nicht gegen deren Willen, sondern nur mit deren Einverständnis.
Allerdings birgt gerade dieses Detail eine steuerliche und Haftungsfalle für Zahnärzte für den Abschluss des neuen Versicherungsvertrages in sich. Bietet der Zahnarzt seinen Patienten eine Leistung auf der Basis eines solchen Vertrages in seiner Praxis an, und unterzeichnen diese den (neuen oder ergänzenden) Vertrag in der Praxis, „makelt“ der Zahnarzt eine Versicherungsleistung. Dazu ist er berufsrechtlich nicht befugt, schlimmer noch löst dies unter Umständen steuerliche Nachteile aus.
Für die Vermittlung von Versicherungsleistungen ist der Zahnarzt jedoch auch nicht zertifiziert, geschweige denn besitzt er eine Haftpflichtversicherung für eine falsche Beratung. Damit besteht das Risiko einer Inanspruchnahme durch den Patienten für eine fehlerhafte Versicherungsberatung, die Zahnärzte dann aus der eigenen Tasche zahlen müssten. Insoweit ist auch die Frage der Art und Weise, sowie des Ortes des Vertragsschlusses unklar.
Patientensteuerung versus freie Zahnarztwahl
Preissenkungen dienen in erster Linie dem, der die Leistung zahlt. Vordergründig könnte dies der Patient sein. Tatsächlich aber ist anzunehmen, dass Patienten eher durch geringere Beitragsprämien motiviert werden, einen „Vertragspartner-Zahnarzt“ aufzusuchen, ohne dass den Patienten offen gelegt werden muss, dass mit diesem geringere Preise vereinbart worden sind. Insoweit verzichten Patienten auf der Basis eines solchen Vertrages auf die freie Zahnarztwahl. Da sie hierzu ihr Einverständnis geben, ist dieser Verzicht auf die Freiheit der Zahnarztwahl wohl rechtens. Bei Privatpatienten bestehen allerdings Zweifel, ob sie sich so gut „steuern“ lassen, da diese Patientengruppe erfahrungsgemäß mit ihren Beiträgen auch hohe Ansprüche verbindet. Dabei ist die freie Zahnarztwahl ein hohes Gut, das Privatpatienten ungern aufgeben. Aus diesem Grund ist das Versprechen nach einer höheren Anzahl von Privatpatienten skeptisch zu betrachten – schon gar dann, wenn im Gegenzug der Preis gesenkt werden soll.
Kein Beitrittszwang
Muss ich einem Vertragsangebot als Zahnarzt/-ärztin überhaupt beitreten? Soweit eine private Krankenversicherung ein Vertragsangebot für einzelne Zahnärzte auslobt, ist niemand gezwungen, einen solchen Vertrag abzuschließen. Problematisch sind allerdings zwei Szenarien:
– zum einen der Vertragsabschluss der regionalen Wettbewerber,
– zum anderen der Vertragsabschluss eines (Berufs-)Verbandes oder Vereins.
Vertragsabschlüsse mit regionalen konkurrierenden Zahnärztinnen und -ärzten werden nicht veröffentlicht. Daher wird grundsätzlich erst einmal unklar bleiben, wer überhaupt an einem solchen Vertrag teilnimmt.
Gleichzeitig schwebt jedoch über jeder Praxis die Angst, dass regionale Wettbewerber eine bessere Marktposition erzielen. Die Frage wird lauten: „Sollte ich daher doch meine Preise senken und dem Vertrag beitreten?“ Jeder Zahnarzt ist daher aktiv oder passiv von einer regionalen Preissenkung betroffen und wird sich die Frage stellen müssen, wie viele Patienten man über einen solchen Vertrag gegebenenfalls verliert, wenn man dem nicht beitritt. Insoweit stellt sich die Frage, ob regional Einigkeit erzielt werden kann, einem solchen Vertrag nicht beizutreten.
Die Verhandlungsmacht von Vereinen und Verbänden kann bei der Öffnungsklausel ebenfalls eine große Rolle spielen, da sie einzelnen Zahnärztinnen und -ärzten unter Umständen die Freiheit nimmt, leistungsgerechte Preise anzubieten. Hat ein Verband einen solchen Vertrag unter Wert abgeschlossen, kann es schwierig sein, sich mit der eigenen Praxis diesem Angebot zu entziehen.
Für beide Fallvarianten sollte zudem nicht vergessen werden, dass Privatpatienten den Druck auf die Praxis ausüben werden, wenn sie die Leistungen nachfragen, die es nur über einen „Öffnungsvertrag“ geben kann. Wie viele Kollegen halten diesem Druck stand?
Ließen sich die Risiken der Öffnungsklausel mit höheren Gebührensätzen ausgleichen? Die vorigen Argumente zeigen, welche Unwegsamkeiten die Öffnungsklausel mit sich bringen kann, da sie im Kern die Zahnärzteschaft nur um den günstigsten Preis und nicht um die Qualität der Leistung konkurrieren lässt. Daher ist es wenig sachgerecht, die Einführung einer Öffnungsklausel an die Erhöhung der GOZ zu koppeln, denn die Risiken einer Öffnungsklausel bleiben auch bei einer deutlichen Erhöhung der GOZ bestehen und zwingen die PKV eher noch dazu, den Preiswettbewerb über die Öffnungsklausel zu eröffnen. Wem wäre damit gedient?
Prof. Dr. jur. Thomas SchlegelRechtsanwalt für Medizinrecht
Prof. Schlegel & KollegenKanzlei für MedizinrechtHanauer Landstr. 328–33060384 Frankfurt
Tel: 069–43059600Mail:Kanzlei@MedizinRecht.dewww.GesundheitsRecht.com