100 Jahre Ausbildung akademischer Zahnärzte
Als im Jahr 1846 Prof. Dr. Carl Joseph Ringelmann erstmalig wissenschaftliche Zahnheilkunde las, war noch nicht abzusehen, welche Furore dieses Fach der Medizin – auch in Würzburg – einmal machen würde. Waren doch bislang Zahnärzte nicht akademisch ausgebildet, sondern erlernten ihren Beruf auf bislang herkömmliche Weise. Belief sich die Tätigkeit des Zahnarztes doch fast ausschließlich auf die Extraktion von Zähnen. Aber schon kurze Zeit später wurden die zahnmedizinischen Vorlesungen hier schon wieder eingestellt, denn es fehlte an Lehrern und man hatte erkannt, dass es sich eigentlich um ein „richtiges Fach“ in der Medizin handelt, was jedoch noch nicht so richtig „beschrieben“ war. Daher war die Würzburger Zahnheilkunde wieder zum „Stiefkind“ degradiert.
Situation der universitären Zahnmedizin
Schließlich erhielt dann der Würzburger Zahnarzt Dr. Andreas Michel im Jahre 1898 seine Lehrbefähigung, um das Fach Zahnheilkunde an Studenten mit praktischen Übungen und mit 17 Studierenden zu unterrichten. Räume allerdings gab es damals dafür nicht. So funktionierte er kurzerhand sein Wohnzimmer um und bat seine Studenten nach Hause in die Würzburger Plattnerstraße. Etwa zwölf Jahre später hatten auch die Ministerien die Wichtigkeit des Faches erkannt, das die Pflege der Zähne, ihre altersgemäße Entwicklung und den Erhalt eines guten Gebisses im Visier hatte. Ein Neubau am Pleicherwall wurde genehmigt und gebaut, die Studentenzahl stieg, und so bildete man bereits um 1910 rund 120 Studenten an der Würzburger Universität aus. Zur Einweihung des neuen Gebäudes am 29. Juni 1912 erschien sogar König Ludwig III. als Ehrengast. Und mit königlichem Segen blickte die Würzburger Universität nun stolz auf eine eigene Zahnklinik mit einem großen, „aufs Modernste“ eingerichteten „Plombiersaal“.
Anders an anderen Universitäten wie etwa Leipzig (dort begann man beispielsweise schon im Jahr 1885), Heidelberg, Berlin, München, Greifswald und auch Marburg, wo das Fach Zahnmedizin schon seit Jahren zum akademischen Lehrplan gehörte. In Frankfurt am Main war ja bereits 1890 die „Heilanstalt Carolinum“ mit einer zahnmedizinischen Abteilung ins Leben gerufen worden. Das geschah aufgrund persönlicher Initiative des Freifräulein Hannah Louise von Rothschild zum Andenken an ihren drei Jahre zuvor verstorbenen Vater.
Fast zeitgleich hatte sich in Marburg im Jahr 1890 am Marbacher Weg das erste zahnmedizinische Institut in zwei Räumen etabliert, das dann allerdings 1909 in ein Schulgebäude in Ketzerbach umsiedeln musste und schließlich erst 1920 zum planmäßigen Extraordinat der medizinischen Fakultät gradierte.
Es war die „zahnmedizinische Gründerzeit“, denn nachdem in der Berliner Dorotheenstraße 40 schon 1884 das erste Berliner Zahnärztliche Institut eröffnet worden war, bot man nun auch in Greifswald erstmalig im Wintersemester 1893/94 Zahnärztliche Spezialkurse für Studenten an der Chirurgischen Klinik an. 1895 wurden dann schon 128 Patienten behandelt.
Aber es gibt große regionale Unterschiede, denn erst kürzlich – die zm berichteten – wurde in Dresden der 20ste Geburtstag der vorklinischen Ausbildung an der Zahnklinik gefeiert. Hier hatte es bis 1992 nur die klinischen Semester gegeben, so dass die Studenten erst nach dem Physikum in Dresden Zahnmedizin fertig studieren konnten.
Frauen, als Studentinnen der Zahnmedizin zum Ende des 19. Jahrhunderts? Das gab es nicht. Wer in dieser Tätigkeit seine Profession sah, musste nach Amerika, was zum Beispiel Henriette Hirschfeld gegen viel Widerstand von Familie und Behörden dann auch erfolgreich am Pennsylvania Collage of Dental Surgery durchsetzte und dort ihren Doktorgrad erhielt. Anders heute: „Von unseren rund 100 Approbierten pro Studienjahr sind etwa 75 Prozent weiblich“, gab Prof. Dr. Bernd Klaiber anlässlich der Feierstunde einen Überblick über die heutige Geschlechterverteilung in Würzburg.
Eine Feier mit Rückblick
Anlässlich der Vorbereitung dieses Jubiläums waren ehemalige Absolventen der Würzburger Zahnmedizin angeschrieben und um Anekdoten und Bildmaterial gebeten worden. Das eingesandte Material wurde über Wochen gesichtet, reproduziert, vergrößert und zu einer spektakulären Ausstellung zusammengestellt. Zum Jubiläum prangten nun Gruppenfotos diverser Abschlussjahrgänge, Erinnerungsfotos von gemeinsamen Feiern, Ausflügen, Weinproben – denn neben dem Zahnmedizinstudium machte man es sich recht nett in Würzburg – an eigens dafür angefertigten Ausstellungstafeln. Hier schilderten Ehemalige ihre damalige Situation, war es doch für den einen oder anderen zum Beispiel um die Zeit der Währungsreform nicht einfach, seinen Traumberuf Zahnarzt zu erlangen. Geld war knapp, Zimmer gab es in der teilweise noch zerbombten Stadt kaum. Studenten besaßen, wenn es ihnen gut ging, zwei Anzüge und das Lernen und Überleben stand ganz im Mittelpunkt ihres jungen Lebens. Spannend ihre Geschichten, manchmal von Kindern oder gar Kindeskindern zusammengestellt, um das Bild des Zahnmedizinstudiums damals in Würzburg „rund zu malen“. Aus diesem Bildmaterial haben wir einen Film zusammen gestellt (siehe unter www.zm-online.de ).
Der Gang durch die umfangreiche Ausstellung ist beeindruckend, immer wieder sind Ausrufe wie „Hier das ist meine Mutter“, oder „Daneben, das ist mein Großvater“ und „Oh, schau mal, weißt Du noch, das war nach der Kons-Prüfung“ zu hören. Komplette Zahnarztdynastien schienen zur Jubelfeier nach Würzburg gereist zu sein. Man traf sich, tauschte alte Erinnerungen aus, berichtete über die inzwischen gut etablierte eigene Praxis und freute sich, ehemalige Kommilitonen und Lehrer zu treffen. Denn letztere hatten es sich nicht nehmen lassen, bei dieser Feier dabei zu sein, soweit es ihr Gesundheitszustand irgendwie zuließ.
Honoratioren der Universität, ehemalige Habilitanden der Zahnklinik und wissenschaftlicher Nachwuchs – sie alle gestalteten die Feierstunde, hielten Vorträge und gaben aktuelle zahnmedizinische Informationen an niedergelassene Zahnärzte und junge Studierende weiter.
Ständchen für den Minister
Wie familiär und ungezwungen die Würzburger Feierstunde ablief, bewies Prof. Dr. Bernd Klaiber mit seiner Gratulation an den Wissenschaftsminister. Denn der Zahnarzt Dr. Wolfgang Heubisch, seit 2008 Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst und einer der Honoratioren im Festsaal, hatte selbst bei Klaiber Kurse besucht und just zum Festtag Geburtstag. Hierfür hatte dieser sich etwas Besonderes überlegt: Es wurde ein Ständchen gebracht. Mehrere Hundert Stimmen – alles zahnärztliche wohlgemerkt – sangen aus vollem Hals im Kanon für den Minister: ein Moment, den Heubisch nie vergessen wird und der sicherlich für die eine oder andere Entscheidung der Würzburger Zahnklinik auch positiv im Gedächnis behalten wird, wie er sagte. sp