Wir Zahnärzte tun was
„2012 ist ein Schlüsseljahr, weil wir 2013 vor einer Richtungswahl stehen“, eröffnete der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz seine Rede. „Wer seine politischen Ideen, die daraus entwickelten Konzepte und abgeleiteten Forderungen im Vorfeld in die Berliner Köpfe bringen will, muss auf diesem Zahnärztetag sagen, wo es langgehen soll.“
Der Patient
Zentraler Meilenstein: die Agenda Mund-gesundheit. Während die Perspektive Mundgesundheit aus dem Jahr 2009 der Zahnärzteschaft als politischer Kompass gedient habe, definiere die Agenda in der Nachfolge die notwendige Basis gemein- samer politischer Aktionen für den Dialog mit der Politik.
„Mit der Agenda Mundgesundheit haben wir einen Rahmen abgesteckt, der jetzt mit Leben gefüllt werden muss“, sagte Fedderwitz. „Wir können uns jetzt wieder stärker auf unsere ureigenste Arbeit als Zahnärzte konzentrieren – also auf konkrete Versorgungsfragen, in deren Mittelpunkt der Patient steht.“
Ziel sei, die Mundgesundheit der Bevölkerung weiter zu verbessern. „Die Menschen sollen auch bei steigender Lebenserwartung ihre natürlichen Zähne bis zum Lebensende behalten und gesund erhalten können – auch dann, wenn sie ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben“, betonte Fedderwitz. Voraussetzung dafür sei eine zahnärztliche Versorgung, die auf vier Säulen beruht: patienten- wie präventionsorientiert, qualitativ hochwertig und wohnortnah.
Die KZBV stehe zu den umfangreichen Informations-, Schutz- und Beteiligungsrechten für die Patienten. Mit Sorge schaue man jedoch auf die aufwendigen Dokumentationspflichten, die damit einhergehen sollen.
„Wir müssen den Präventionsansatz konsequent auf alle Lebensphasen ausdehnen, die Defizite in der Versorgung über den Lebensbogen hinweg identifizieren, beheben und die Risikogruppen intensiv erkennen und begleiten“, führte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer aus. „Die Zahnärzte sind die Partner ihrer Patienten – nicht die Krankenkassen. Kassen behandeln keine Menschen, sie lindern keine Schmerzen, sie heilen nicht. Wir Zahnärzte tun das!“ Klar gebe es ein Wissens- gefälle zwischen Arzt und Patient. „Deshalb wollen wir das Behandlungsgeschehen partnerschaftlich gestalten. Und deshalb wollen wir die Patientenberatung weiter verbessern.“
Geplant sei, die vielfältigen Beratungsaktivitäten im Berufsstand in ihrer Individualität zu erhalten, aber ein gemeinsames Out- come zu ermöglichen. Von dem jüngst unterzeichneten Kooperationsvertrag zwischen KZBV, BZÄK und der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (UPD) profitierten denn auch in erster Linie die Patienten: Werden sie von der UPD an die zahnärztlichen Stellen überwiesen, stehe ihnen ein hochkompetentes Beratungsangebot zur Verfügung.
Was QS und QM betrifft, müsse der Berufsstand mit dem Thema offensiver umgehen, hob Fedderwitz hervor: „Wir müssen konsequent unsere Hausaufgaben machen, das heißt, wir dürfen nicht nur auf Vorschläge anderer reagieren.“
Die Qualität
Von Reform zu Reform kämen immer mehr Regelungen auf die Zahnärzte zu: „Hier liegt es an uns, offensiv auf den Gesetzgeber mit unseren Konzepten zuzugehen und Vorschläge zur Gestaltung von Qualität und Transparenz im vertragszahnärztlichen Bereich zu unterbreiten. Ansonsten werden wir weiterhin mit Ärzten und Kranken- häusern über einen Kamm geschoren.“
Zur Kontroverse um IGeL bekräftigte er: „Wir haben im zahnärztlichen Bereich praktisch keine IGeL-Leistungen.“ Die zahnärztliche Behandlung sei seit jeher durch eine Vielzahl von Alternativen geprägt, die bei einem vorgegebenen Befund mit unterschiedlichen Maßnahmen und Aufwendungen ein identisches Behandlungsergebnis erzielen. „Wissenschaftlich anerkannte Alternativen gibt es in der Füllungstherapie, beim Zahnersatz oder bei der kieferorthopädischen Behandlung gleichermaßen“, sagte Fedderwitz. „Das Entscheidende ist immer: Es gibt eine medizinische Indikation, die Wirksamkeit der Therapie ist belegt, es existiert eine schriftliche Behandlungsplanung, und die Kasse beteiligt sich an den Kosten. Bei der PZR ist letzteres zwar nicht zwingend, doch bezuschussen immer mehr Kassen die PZR auf freiwilliger Basis.“
Ebenfalls ein elementares Anliegen: die präventive Betreuung der Neugeborenen bis zum 30. Lebensmonat. „Diese Verantwortung wurde seinerzeit in die Hände der Kinderärzte gelegt, die offenbar nicht in der Lage sind, dem Phänomen der frühkindlichen Karies Herr zu werden“, monierte Eßer. Wahrscheinlich scheitere es oft schon an den diagnostischen Kenntnissen und Möglichkeiten. „Unsere modernen Erkenntnisse zur lokalen Fluoridanwendung werden jedenfalls nach wie vor nicht durchgehend berücksichtigt“, kritisierte er. „Die epidemiologische Entwicklung zeigt uns aber, dass wir eingreifen müssen – wir wollen eine systematische zahnmedizinische Betreuung bereits vor dem Durchbrechen des ersten Milchzahns.“ Das Kinderuntersuchungsheft müsse daher um zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen verpflichtend erweitert werden. Ein Konzept sei in Arbeit.
Die Prävention
Zudem habe der Berufsstand seine Pläne zur Alters- und Behindertenzahnheilkunde (AuB) in sehr kurzer Zeit in die Politik getragen, wo man den Handlungsbedarf anerkannt, das Modell gutgeheißen und bereits erste konkrete Schritte zur Umsetzung unternommen habe. Laut Eßer werde es mindestens zwei zusätzliche Leistungspositionen geben.
Danach umfasst die erste einen Zuschlag für das Aufsuchen von Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Versicherten mit eingeschränkter Alltagskompetenz und ist mit 35 Punkten bewertet. Die zweite impliziert eine Modifikation dieser Bewertung, wenn zeitnah ein zweiter Besuch erfolgt. Sie soll 30 Punkte betragen. Die Leistungen sollen nach dem Willen der Parteien zum 1. Januar 2013 in Kraft treten. „Wichtig ist, dass dieser Zuschlag neben den Besuchsgebühren nach GOÄ und auch neben dem Wegegeld abgerechnet werden kann“, verdeutlichte Eßer.
Alles in allem sieht er AuB indes nicht einmal ansatzweise umgesetzt: „Wir wollen erreichen, dass ein wirksames Präventionsmanagement in der Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Handicap verankert wird.“ Dazu müsse man eine gesetzliche Grundlage für die Aufnahme bedarfsgerechter präventiver Leistungen in den GKV-Katalog schaffen. Eßer: „Unter Präventionsmanagement verstehen wir, dass jeder alte, jeder pflegebedürftige, jeder gehandicapte und jeder Mensch mit ein-geschränkter Alltagskompetenz regelmäßig vom Zahnarzt auf seinen individuellen Therapie- und Präventionsbedarf untersucht wird.“ Zu dem Umgang der GKV mit ihren Ressourcen äußerte sich der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz: „Wir wissen, dass die gesetzlichen Krankenkassen in der Vergangenheit an den Festzuschüssen ordentlich verdient haben. Fast eine Milliarde Euro jährlich war es zumindest in den ersten Jahren. Deshalb ist es bedauerlich, dass die Mittel, die die GKV beim Zahnersatz eingespart hat, bislang nicht in die Prävention unserer Versorgung fließen. Die Überschüsse in der GKV und im Gesundheitsfonds liegen im Moment bei weit über 20 Milliarden Euro. In dieser Situation können wir mit Recht erwarten, dass die gesetzlich verankerten Möglichkeiten zur Entbudgetierung nun auch in der Praxis zum Tragen kommen.“
Die Wohnortnähe
Generell werde im Gesundheitswesen von allen Seiten mehr Wettbewerb gefordert. Aber, so Buchholz: „Wettbewerbsformen, die die Schutzwirkung von Gebührenordnungen aushöhlen und den Verfall von Honoraren einleiten, dem der Verfall von Behandlungsqualität folgt, sind nicht im Sinne einer flächendeckenden Patienten-versorgung.“
Der Wettbewerb brauche ein Fundament kollektivvertraglicher Regelungen und verlässlicher Gebührenordnungen. Langfristig könne man eine flächendeckende Versorgung nur garantieren, wenn man auf die Veränderungen in der Gesellschaft eingeht: „Wenn die Patienten immer älter werden und nicht mehr in die Praxis kommen können, müssen wir zu den Patienten kommen. Wenn Landstriche immer dünner besiedelt sind, müssen wir die dort verbliebenen Menschen trotzdem absichern. Wir müssen uns also um die aufsuchende Betreuung kümmern und auch über flexiblere Praxismodelle nachdenken. Und wir müssen auf die Veränderungen im Berufsstand selbst eingehen.“
Junge Zahnärzte schauten kritischer auf ihre Work-Life-Balance: „Sie arbeiten anfangs oft lieber angestellt, anstatt eine Praxis zu gründen. Oder sie möchten in einer Berufsausübungsgemeinschaft praktizieren“, bekräftigte Buchholz. „Das verändert die Organisation der Berufsausübung. Daran müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Zulassungsverordnung angepasst werden.“ck
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Neue Datenbasis
Die Vertreterversammlung der KZBV hat beschlossen, einen Datenkoordinationsausschuss einzurichten, um in den Verhandlungen mit den Krankenkassen den Versorgungsbedarf künftig besser abschätzen zu können. Benötigt werden exaktere Daten, respektive ein Mix aus epidemiologischen, Morbiditäts- und Abrechnungsdaten. Der Ausschuss soll sich damit befassen, welche Daten erhoben, wie sie verwendet und welche Maßnahmen für verlässlichen Datenschutz und Datensicherheit eingehalten werden müssen.
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