Ein Juniorpartner als Kompagnon
So werden die neuen Berufsmöglichkeiten auch dann immer wichtiger, wenn es etwa um die Praxisnachfolge geht. Ein einfaches Verfahren stellt in diesem Bereich das Jobsharing dar – ein Weg, seine Praxis „auf die sanfte Art“ auf einen Nachfolger zu übertragen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Aufgrund dieser Rechtsgrundlage wird dem Juniorpartner einerseits eine beschränkte Zulassung erteilt, der Seniorpartner hingegen teilt sich mit diesem den entsprechenden Versorgungsauftrag. Trotz seiner einfachen Gestaltungsweise wird diese Konstruktion oft unterschätzt. Insbesondere ist auf die neue Rechtsauffassung durch die Landessozialgerichte zu achten, die ihre Urteile zunehmend an die modernen Gestaltungsformen anpassen.
Mehr Freiräume in festen Grenzen
Die entscheidenden Vorteile beim Jobsharing liegen nicht allein in der Arbeitsteilung, innerhalb der sich der Juniorpartner entsprechend langsam beruflich integrieren kann, auch der Seniorpartner gewinnt durch den entsprechenden Freizeitausgleich eine höhere Lebensqualität. Auf diese Weise vollzieht sich die Integration Zug um Zug, indem in einem ersten Schritt die Umwandlung von der Ausnahmezulassung in eine Vollzulassung nach fünf Jahren unter der vorrangigen Berücksichtigung des Juniorpartners im Nachbesetzungsverfahren erfolgt.
Grundlage für die Erteilung der Zulassung ist nicht nur die Gründung einer Personengesellschaft durch alle an der Praxis Beteiligten, sondern auch ein genehmigungsfähiger Vertrag an der Gemeinschaftspraxis. Sind diese Schritte durch die Beteiligten eingeleitet, müssen sie sich außerdem zur Leistungsbeschränkung verpflichten, ferner muss es sich bei den Beteiligten um Mediziner derselben Arztgruppe handeln. In einem zweiten Schritt erfolgt dann nach zehn Jahren die Umwandlung der Ausnahmezulassung in eine Vollzulassung, bei der keine Antragstellung durch den Juniorpartner notwendig ist.
Ein Nachteil des Jobsharings ist in der Leistungsbeschränkung zu sehen. Der Grund liegt in der Zweiteilung des Honorars ohne die Möglichkeit, einen Zuwachs zu erzielen. Dies schreckt insbesondere diejenigen Partner ab, die aufgrund der Notwendigkeit eines festen Einkommens auf eine Vollzeitstelle angewiesen sind. Auch muss der nachfolgende Juniorpartner fünf Jahre lang warten, um durch das Nachbesetzungsverfahren bevorzugt zu werden. Nicht selten kommt es vor, dass – aus welchen Gründen auch immer – die Jobsharing-Gesellschaft bereits vor dieser Fünfjahresfrist aufgelöst wird. Dann steht der Juniorpartner plötzlich mit leeren Händen da.
Beteiligung mit Nullbeteiligung
In der Vergangenheit hielt etwa das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen an seiner Rechtsauffassung fest, dass ein Arzt am Gesellschaftsvermögen der Gemeinschaftspraxis nicht unbedingt beteiligt werden muss. Gleiches wird für die Gewinn- respektive Verlustbeteiligung zugrunde gelegt. Das LSG begründet seine überwiegende Rechtsauffassung darauf, dass vielen Ärzten eine nachhaltige wirtschaftliche Beteiligung am Praxisvermögen aus finanziellen Gründen nicht möglich ist. Dies gelte besonders zu Beginn ihrer Tätigkeit.
Einen Ansatzpunkt sieht das Gericht zudem in seiner rechtlichen Würdigung, dass insbesondere die geringe Eignung eines Arztes im wirtschaftlichen Bereich respektiert werden müsse. Dies betrifft im Tenor die erforderliche kaufmännische Eignung zur Führung einer Praxis – verbunden mit allen wirtschaftlichen Chancen und Risiken. Deshalb begeben sich immer mehr Mediziner lieber in eine angestelltenähnliche Beteiligung, verbunden zwar mit Festgehalt, aber ohne jegliche Verlustbeteiligung. Hier greift zudem der verfassungsrechtliche Schutz der Berufsfreiheit, der darauf basiert, dass auch die Beteiligung an einer Gemeinschaftspraxis im Rahmen einer sogenannten „Nullbeteiligung“ und in einem Angestelltenverhältnis möglich sein muss.
Mehr Prozente oder lieber weniger fix
Nicht anwendbar ist hingegen eine Statusannahme bezüglich der prozentualen Anteilsbeteiligung am Gesellschaftsvermögen beziehungsweise das Messen an den Einkünften der jeweiligen Gesellschaft. Hier kommt insbesondere die Abhängigkeit ins Spiel. Beispiel: Als Beteiligungsgrundlage des Juniorpartners beträgt der ratenweise zu erbringende Anteil 350 000 Euro, gleichzeitig erfolgt eine 50-prozentige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen oder an den Praxiserlösen. Der Nachteil: Dieser Schritt führt zu einer hohen wirtschaftlichen Abhängigkeit beim deutlich stärkeren Seniorpartner der Gemeinschaftspraxis.
Eine vorteilhaftere Gestaltungsweise sieht hingegen so aus: Als Beteiligungsgrundlage erhält der Juniorpartners keine prozentuale Beteiligung am Gesellschaftsvermögen sowie am Gewinn, hat dafür aber einen Anspruch auf ein monatliches Festgehalt. Der Vorteil: Das Festgehalt ist vergleichbar mit einem pauschalierten Gewinnanteil, hat aber den Vorteil einer weitaus geringeren Abhängigkeit.
Trotz des vorteilhaften Jobsharing-Modells als Modell der Nachfolgeregelung sollte also stets die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Mediziners gewährleistet sein. Jedwede Art von Schulden oder Regelungen um die Honorarverteilung beeinflussen die Qualität und die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Versorgung. Daher vertritt auch der BGH eine ähnliche Auffassung wie das Landessozialgericht (LSG, AZ: II ZR 90/01). Es bestätigt die Zulässigkeit, dass ein in eine Gemeinschaftspraxis neu eintretender Partner übergangsweise nicht am Gesellschaftsvermögen sowie an Gewinn und Verlust beteiligt wird. Vielmehr können stattdessen fixe Zuwendungen innerhalb der Probezeit für den eintretenden Arzt in Erwägung gezogen werden.
Verantwortung und Risiko
Vor der Gründung einer Gemeinschaftspraxis sollte eine gründliche steuerliche und rechtliche Vorprüfung aller Beteiligten stattfinden. Alle Partner sollten zudem die eigene Situation – unter Zuhilfenahme eines erfahrenen Beraters – sowohl aus fachlicher, aus kaufmännischer als auch aus juristischer Sicht einschätzen können.
Dies betrifft insbesondere die oftmals unterschätzte Gefahr einer Scheinselbstständigkeit beziehungsweise die hieraus entstehenden hohen Nachzahlungen an Sozialversicherungsbeiträgen durch den Juniorpartner, verbunden mit einer Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrug. Für diesen Fall wird auch die Krankenkasse sämtliche Zahlungen, die an die Gemeinschaftspraxis geleistet wurden, wieder zurückfordern.
Beispiel: Der Seniorpartner übernimmt die Rolle des Arbeitgebers gegenüber dem Juniorpartner. Die Auswirkungen des Risikos eines fachlichen Fehlers durch den Seniorpartner: Es kommt kein genehmigter Gemeinschaftspraxis-Vertrag zustande, zudem besteht eine hohe Risikobehaftung aller Beteiligten durch die Verfälschung der Rechtslage. Dies hat zur Folge, dass die Vereinbarung zwischen Juniorpartner und Seniorpartner vom eigentlichen Vertrag abweicht. Gleichfalls wird nach der Zulassungserteilung ein Angestelltenverhältnis praktiziert.
Gesellschaftsgründung als Ausweg
Einem Juniorpartner fehlt häufig die entsprechende Einschätzung seines Partners, oft mangelt es sowohl am Haftungs- als auch am Verantwortungsbewusstsein. Die Folgen sind fatal, wenn in diesen Fällen der Seniorpartner noch Zuständigkeiten für den Verwaltungs- und Personalbereich besitzt.
Ein Ausweg aus dieser Situation wäre die Gründung einer Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung. Dies sollte auch deshalb erwogen werden, da der einsteigende Juniorpartner wegen der ständigen Rechtsprechung durch den BGH in Bezug auf die Außenhaftung auch für sämtliche Altverbindlichkeiten herangezogen werden kann. Das Risiko für den Juniorpartner kann zwar auch hier durch eine Versicherung minimiert werden, jedoch finden weder kaufmännische noch steuerliche Bereiche eine Deckungsgrundlage. Der Juniorpartner ist so weitgehend ungeschützt.
Dietmar Kern
Wirtschaftspublizist
Gebhard-Müller-Allee 5
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