Impulse aus den Naturwissenschaften
Über 450 Gäste aus Wissenschaft und Praxis fanden den Weg in die sächsische Landeshauptstadt – darunter Zahnärzte, Studenten und Naturwissenschaftler. Für das Tagungsthema bot Dresden den optimalen Rahmen, ging es doch um die Translation neuer Ideen und Impulse aus den Naturwissenschaften, insbesondere aus Nanotechnologie und Biowissenschaften, in die Zahnmedizin.Am Standort Dresden sind – in nahezu einmaliger Weise – Medizin, Zahnmedizin, Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie zahlreiche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gleichermaßen vertreten. Die enge Zusammenarbeit erfolgt im Rahmen des Dresden-concept, das Wissenschaft und Kultur verbinden will, um kurze Wege zum (Wissens-)Austausch und zur Kooperation zu ermöglichen und um die Forschung nach außen sichtbar zu machen.
Auf der Tagung wurde nicht nur hinterfragt, welche Möglichkeiten die moderne Wissenschaft bietet, sondern vor allem auch, welcheHerausforderungen in der modernen Zahnerhaltung bestehen und welche Innovationendenn tatsächlich praxisrelevant sind. Die Tagung wurde mit Grußworten von Prof. Dr. Dr. Henning Schliephake, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Prof. Dr. Wolfgang H.-M. Raab, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung, Prof. Dr. Christian Hannig, Tagungspräsident und Präsident der neu gegründeten Deutschen Gesellschaft für restaurative und regenerative Zahnerhaltung, und Dr. Mathias Wunsch, Präsident der Landeszahnärztekammer Sachsen, eingeleitet. Zwei ergänzende Symposien wurden angeboten, das DGZ-GABA-Symposium zum Thema „Prävention von Zahnhartgewebserkrankungen“ und das Wrigley-Oral-Healthcare-Program-Symposium zum „Multitalent Speichel“. Weiterhin bot Coltène einen Componeer-Hands-on-Kurs an, in dem ein Direkt-Veneer-System mit Komposit-Verblendschalen erlernt werden konnte.
Die DGZ ermöglichte mit ihrem Workshop „GOZ trifft Zahnerhaltung“ Einblicke in die aktuelle Gebührenordnung für Zahnärzte. Zur Förderung des zahnärztlichen Nachwuchses wurde auch in diesem Jahr wieder ein Studentenseminar mit dem Thema „Nichtkariesbedingte Zahnhartsubstanzverluste“ angeboten. Prof. Dr. Adrian Lussi, Bern, und Dr. Nadine Schlüter, Gießen, leiteten dieses Seminar, das Ätiologie, Prävalenz, Differenzialdiagnostik, Prävention und Therapie umfasste.
Die wissenschaftlichen Impulsvorträge wurden mit dem Vortrag von Prof. Dr. Carsten Werner, Dresden, eröffnet. Er setzt sich mit „Easy-to-clean-Oberflächen“ auseinander, erforscht das Biofouling-Phänomen auf Materialoberflächen und wie dieses Problem gegebenenfalls über Oberflächenmodifizierung gelöst werden könnte. Interessante Vorbilder bietet die Natur, etwa benetzungsresistente Lotusblätter. Prof. Dr. Matthias Hannig, Homburg/Saar, beleuchtete im Anschluss, welche Ansätze tatsächlich für die Anwendung in der Mundhöhle geeignet sind. In einem Übersichtsreferat stellte er den Einfluss von Nanomaterialien auf den oralen Biofilm dar. Es gebe zahlreiche Ansätze, die positiven Eigenschaften derNanomaterialien in die Zahnheilkunde zu integrieren, allerdings seien diese bisher größtenteils nur in vitro getestet worden. Abzuwarten bleibe, ob diese Ergebnisse auch durch klinische Studien validiert werden können, vor allem unter Berücksichtigung des toxikologischen Potenzials.
Prof. Dr. Helmut Cölfen, Konstanz, stellte – nach einer einführenden Erläuterung der Biomineralisation im Allgemeinen – die verschiedenen Ansätze für Kristallisationsprozesse vor. Im Fazit seines Vortrags diskutierte er, ob biomimetische Füllungen aus Zahnschmelzersatz die Zukunft der Füllungstherapie darstellen können. Die adhäsive Füllungstherapie wurde durch Prof. Dr. Roland Frankenberger, Marburg, näher beleuchtet. Durch die Inkorporation von Nanotechnologie habe eine bessere Polierbarkeit von Kompositen, eine Verringerung der Polymerisationsschrumpfung sowie die Verbesserung weiterer werkstoffwissenschaftlicher Parameter erreicht werden können. Dadurch erst lasse sich eine nachhaltige Therapie gewährleisten und die stets angestrebte Minimalinvasivität realisieren, so Frankenberger. Des Weiteren berichtete er von der „Biomimetic Dentin Remineralization“, deren Ziel sei, den Komposit-Zahn-Verbund bei potenziell remineralisierbarem Dentin nach der weitestgehend „atraumatischen“ Kariesexkavation zu maximieren.
Eine kritische Betrachtung der Nanotechnologie in der Zahnerhaltung erfolgte durch Prof. Dr. Gottfried Schmalz, Regensburg: „Nanopartikel – ein Fluch oder ein Segen?“ Man dürfe in jedem Fall nicht gedankenlos mit zahnmedizinischen Werkstoffen umgehen. Schlussfolgernd ließ er verlauten, dass besonders aus toxikologischer Sicht, eine bessere Verknüpfung zwischen biomedizinischer Forschung, Klinik und Dentalindustrie angestrebt werden sollte.
Zwischen Theorie und Praxis klafft eine Lücke
Die Hauptvorträge des zweiten Tages befassten sich mit den Themenkomplexen „Regeneration des Endodonts“, „Kariesrisiko“ und „Fluoride“. Der Impulsvortrag von Prof. Dr. Werner Götz, Bonn, gab einen Überblick über den aktuellen Stand der Stammzellforschung. Insbesondere ging er darauf ein, dass adulte Stammzellen inzwischen aus fast allen dentalen und orofazialen Geweben isoliert werden können und ihre Anwendung in Verbindung mit modernen Methoden zu einer Vielzahl möglicher Zell- und Gewebetherapien an Zähnen und in der Mundhöhle geführt haben. In der Zahnmedizin werde die Stammzellforschung längerfristig zu einer „Biologisierung“ der Therapieverfahren kombiniert mit herkömmlichen Werkstoffen führen. Auch die Regeneration des Endodonts wurde kritischen Betrachtungen unterzogen.
PD Dr. Kerstin Galler, Regensburg, stellte Ergebnisse vor, die die Möglichkeiten und Grenzen regenerativer Verfahren nach der zeitigem Wissensstand aufzeigten. Insbesondere ortsständige Stammzellen, lokalisiert in den Pulpageweben, wiesen regeneratives Potenzial auf. Die Kenntnis eines potenziell geeigneten Therapiekonzepts sei die Grundlage, um klinisch eine Regeneration der Pulpa zu erreichen, so PD Dr. David Sonntag, Düsseldorf. Unerlässlich für die technische Umsetzung seien optische Vergrößerung, koaxiales Licht und gewebefreundliche Materialien. Insbesondere Zähne mit weit offenem Apex hätten eine günstige Prognose. Regenerative Endodontie im Wechselgebiss sei bereits heute möglich, für Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum sei das die Zahnmedizin von morgen.
Ein weiterer Themenkomplex beschäftigte sich mit dem Kariesrisiko. Karies ist nach wie vor die am weitesten verbreitete Infektionskrankheit. Einen prospektiven Test zur Abschätzung des Kariesrisikos gebe es bislang jedoch nicht – so PD Dr. Stefan Rupf, Homburg/Saar. Trotz Nanotechnologie spielen Fluoride in der Kariesprävention weiterhin eine wichtige Rolle. Prof. Dr. Gerhard Buchalla, Zürich, ging in seinem Vortrag auf die grundlegen den kariesprotektiven Wirkmechanismen der Fluoride ein, doch seien diese immer noch nicht vollständig geklärt. „Was brauchen wir in der Zahnerhaltung? Biowissenschaftliche Innovationen oder die konsequente Umsetzung etablierter Verfahren?“ Diese Frage stellte Prof. Dr. Rainer Haak, Leipzig, in seiner Schlussbetrachtung. Industrie, Wissenschaftler und Forscher spezialisierten sich in einem erheblichen Ausmaß und das verfügbare Wissen in der Zahnmedizin nehme erheblich zu. Es sei für eine einzelne Person nahezu unmöglich, gleichzeitig Kompetenz in Praxis, Forschung und Lehre zu beweisen. Die Kluft zwischen Alltag und bester evidenzbasierter Medizin drohe stetig zuzunehmen. In der Zukunft müsse versucht werden, diese Lücke zu schließen, um die Mundgesundheit zu fördern und die Auswirkungen oraler Erkrankungen auf die Allgemeingesundheit zu reduzieren.
Constanze Wagenschwanz
Poliklinik für Zahnerhaltung
Fetscherstr. 74
01307 Dresden
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Restrukturierung
Im Rahmen eines Festakts anlässlich des 25-jährigen Jubiläums wurde die neue Struktur der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ) vorgestellt. Unter dem Dach der DGZfinden sich von nun an die Deutsche Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM), die Deutsche Gesellschaft für restaurative und regenerative Zahnerhaltung (DGR2Z) und die Deutsche Gesellschaft für Endodontie und zahnärztliche Traumatologie (DGET).
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