Prophylaxe für Senioren
Im Mittelpunkt der Jubiläumstagung stand die Alterszahnmedizin, präsentiert von Prof. Dr. Ina Nitschke (Leipzig/Zürich) als wissenschaftliche Leiterin des Programms. Die Liste der Referenten las sich einerseits wie das Who’s who der deutschen Alterszahnmedizin. Sie enthielt aber zugleich auch Namen von Praktikern und Wissenschaftlern aus der Medizinin, die Aspekte der Multimorbidität und Geriatrie erörterten. Auch ethische und rechtliche Aspekte spielten in drei Vorträgen eine Rolle.
Der Blick auf das Gesicht
„Der Blick des Zahnarztes sollte bei Senioren sehr weit schweifen“, empfahl Nitschke in ihrem Einführungsvortrag. Gesicht, Hände, der Zustand der Haut verrieten viel über die gesundheitliche Situation des Patienten und lieferten Anhaltspunkte dafür, wonach in der Anamnese besonders zu fragen sei. Tenor der insgesamt 22 Vorträge und sieben Seminare: Die zahnmedizinischen Maßnahmen bei Senioren unterscheiden sich im Grunde nicht von denen bei jüngeren Erwachsenen. Aber die physiologische, psychische und kognitive Verfassung von älteren und alten Patienten hat einen größeren Einfluss auf die Therapieplanung und den Erfolg der Behandlung. Ein Pauschalrezept gibt es freilich nicht; die Entscheidung muss für und mit jedem Patienten neu getroffen werden.
Zugleich hoben die Wissenschaftler die Bedeutung von Mundhygiene und Prävention bei alten Patienten hervor: „Seniorenzahnmedizin ist der Schrei nach Prophylaxe“, formulierte es beispielsweise Oberarzt Dr. Cornelius Haffner aus München.
Mehr als bohren, scalen
So viel bohren und scalen könne man gar nicht wie aufgrund der eingeschränkten Mundhygienefähigkeit im Alter Zahnsubstanz Schaden nehme. Deshalb müsse man den Status der Mundgesundheit durch Hygienemaßnahmen und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen möglichst lange erhalten.
Der Vermutung, dass Alterszahnmedizin derzeit „in Mode“ sei und also auch wieder „unmodern“ werden könnte, trat Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, entschieden entgegen: Kein Zahnarzt, so jung er auch sei, werde es erleben, dass dieses Thema seine Brisanz verliere, versicherte er. Prognosen zufolge kommen 2030 auf jeden Zahnarzt in Deutschland etwa 50 Prozent mehr Pflegebedürftige als jetzt. 57 statt derzeit 39 – bei gleichbleibender Zahnärztezahl. In diesem Zusammenhang hob er auch die Bedeutung von qualifiziertem Praxispersonal hervor, das den Zahnarzt vor allem in der Prophylaxe unterstützen könne.
Altern mit Biss
Die Alterszahnmedizin hat in Sachsen- Anhalt schon seit Langem eine große Bedeutung. Daran erinnerte Kammerpräsident Dr. Frank Dreihaupt. So habe sich die Zahnärztekammer diesem Thema und speziell der Versorgungssituation in Altenpflegeheimen schon vor über zehn Jahren gewidmet – und mit dem Modellprojekt „Altern mit Biss“ auch bundesweit Anerkennung gefunden, unter anderem erhielt das Projekt den Jahrespreis der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin 2007.
Die Erfahrungen der Kammer – ihre Antworten auf fachliche, organisatorische und rechtliche Fragen der zahnärztlichen Betreuung von Altenpflegeheimen sowie ihre Konzepte zur Schulung des Pflegepersonals und zur Information der Angehörigen – werden laut Dreihaupt inzwischen auch von Heimen aus anderen Bundesländern genutzt.
Zwar sei es wünschenswert, hier noch schneller landesweit voranzukommen, sagte Dreihaupt, aber die notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien immer noch nicht gegeben. Ganz sicher, so der Kammerpräsident, hätten die Fortbildungstage in Wernigerode den Zahnärzten interessante fachliche Erkenntnisse vermittelt und ihre Motivation gefördert, sich ihrer alten Patienten intensiver und konsequent präventionsorientiert anzunehmen.
Taten statt Sonntagsreden
Die Tagung trage hoffentlich dazu bei, dass auch Politiker und Krankenkassen ihren Sonntagsreden Taten folgen lassen und das von der Zahnärzteschaft vorgelegte Konzept „Mundgesund trotz Handicap und hohem Alter“ umsetzen.
Sabine FiedlerZahnärztekammer Sachsen-Anhalt