Crowdfunding

Die Masse macht’s

Wenn viele Menschen wenig spenden, kann eine ansehnliche Summe zusammenkommen. Crowdfunding macht sich diese Logik zunutze. Bisher werben vor allen Dingen Kreative und junge Unternehmen um Kapital für ihre Geschäftsideen, profitieren können jedoch auch Wissenschaftler.

„Meine Erfahrung ist, dass die wirklich innovativen Ideen von den Gutachtern der klassischen Fördereinrichtungen oft abgelehnt werden mit der Begründung, dass es noch keine Hinweise gibt, dass die Idee funktionieren könnte“, sagt Dr. Daniel Mietchen. Der Biophysiker aus Jena probierte deshalb neue Wege aus. Im Oktober 2011 nahm er an einem Wissenschaftswettbewerb auf der Crowdfunding-Plattform RocketHub teil. Für die Programmierung eines Onlineportals mit Übersichtsartikeln zu allen wissenschaftlichen Themengebieten – eine Art Wikipedia für die Wissenschaft – wollte er 12 000 Dollar sammeln. Zusammengekommen sind 1 500 Dollar.

Der Ablauf der „SciFund-Challenge“, an der Mietchen sich beteiligte, entsprach dem üblichen Prozedere beim Crowdfunding: Ein Antragsteller präsentiert ein Projekt, das er gerne umsetzen möchte, und nennt die Geldsumme, die er dafür braucht. In einem festgelegten Zeitraum können Menschen, denen die Idee gefällt, beliebige Beträge dafür spenden. Kommt der Zielbetrag zusammen, wird er an den Antragsteller ausbezahlt. Klappt es nicht, geht er leer aus und die Spender bekommen ihr Geld zurück. Nur in manchen Fällen, auch in dem von Mietchen, zahlen die Betreiber der Plattformen auch Teilbeträge aus.

Schneeballeffekt erzeugen

Die Spender werden je nach Crowdfunding-Modell unterschiedlich kompensiert. Unterstützt man beispielsweise die Entwicklung eines Produkts, kann die Gegenleistung – nach dem Prinzip der Vorbestellung – ein fertiges Exemplar sein. Es gibt auch Kreditmodelle, in denen die Geldgeber nach einer bestimmten Laufzeit die geliehene Summe plus Zinsen zurückerhalten. Für die Wissenschaft eignet sich besonders das Spendenmodell, das häufig eher symbolische Belohnungen bietet. Mietchen vergab ab fünf Dollar eine namentliche Erwähnung auf seinem Blog, ab 20 verschickte er eine Postkarte von dem Ort, an dem er sich bei Zahlungseingang befand.

Mit kleinen Spenden viel zu bewegen, ist kein neues Konzept. Neu am Crowdfunding ist aber, dass die Antragsteller soziale Netzwerke und andere Kommunikationswege des Web 2.0 nutzen, um Menschen für ihre Idee zu begeistern. Wer gut in der Web-Community vernetzt ist, hat die Nase vorn. Bei der SciFund-Challenge war das die Mehrzahl der Forscher. Mietchen erinnert sich besonders an eine Teilnehmerin: „Es war eine Forscherin dabei, die schon seit Jahren auf Twitter aktiv ist, regelmäßig bloggt und auf vielen bekannten Blogs gelistet ist. Ihr Netzwerk hat über das Projekt berichtet, unter anderem stellte einer der bekanntesten Science- Blogger es auf dem Newsportal CNN vor. Das hat Tausende Interessenten auf ihre Website gelockt und sie hatte das Geld innerhalb weniger Tage zusammen.“ Wem es gelingt, einen solchen Schneeballeffekt in Gang zu bringen, hat gute Chancen beim Crowdfunding.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist die Präsentation des Projekts. „Wissenschaftler sind es gewohnt, für die klassische Forschungsförderung ellenlange Anträge zu schreiben. Davon müssen sie sich beim Crowdfunding lösen. Erforderlich ist ein knackiges Exposé, nicht länger als zwei Seiten, ergänzt mit Fotos und Videos“, erklärt Joachim Hemer, Diplom-Wirtschaftsingenieur und freier Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung (ISI). Er hat das Phänomen Crowdfunding im vergangenen Jahr in einer Studie untersucht. Auch die Forschungsfinanzierung kam darin zur Sprache. Sein Fazit: „Crowdfunding ist eine echte Chance für die Wissenschaft. Man kann mit seiner Hilfe auch Themen aufgreifen, für die es in den öffentlichen Programmen keinen Fördertopf gibt.“

Das Risiko des Ideenklaus

Hemer wirft aber auch einen realistischen Blick auf die Methode. „Crowdfunding hat den Ruf des Anarchischen. Auf viele Menschen macht es einen sehr unseriösen Eindruck. Es wird eine Weile dauern, bis sich das geändert hat“, schätzt Hemer und fügt hinzu: „Falls das überhaupt gelingt. Noch stehen dem Crowdfunding eine Menge Flops und Skandale bevor. Das Instrument bietet einfach so viele Möglichkeiten des Missbrauchs.“

Eine potenzielle Gefahr sind Antragsteller, die Geld für eine erfundene Idee sammeln und dann mit der Spendensumme verschwinden. Nicht alle Betreiber unterziehen die auf ihrer Plattform präsentierten Projekte einer fachlichen Prüfung. Sie verlassen sich darauf, dass die Web-Community als kritisches Korrektiv Betrüger entlarvt.

Gerade für Forscher ein Thema: das Risiko des Ideenklaus. Wer sein Forschungsvorhaben für jedermann zugänglich macht, verliert das Monopol darauf. Dass nicht alle Forschungsprojekte für die offene Heran-gehensweise des Crowdfunding geeignet sind, findet auch Mietchen. Bei seinem Wissenschafts-Wiki sei das aber nicht der Fall gewesen. Natürlich würde er die Idee am liebsten selber umsetzen, er fände es aber auch schön, wenn jemand anders es täte. Aber das sei eine Einstellungssache, sagt er: „Als Forscher muss man sich hin und wieder entscheiden, wo einem schneller Fortschritt wichtiger ist: in der Wissenschaft oder bei der eigenen Karriere.“

Susanne Theisen

Freie Journalistin in Köln

info@susanne-theisen.de

INFO

Crowdfunding für die Wissenschaft

Forscher können unter anderem auf diesen Crowdfunding-Plattformen um Unterstützung für ihre Projekte werben:

www.sciflies.org

www.fundageek.com

• www.theopensourcescienceproject.com

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.