Im Einsatz für Berlins Obdachlose
Am Ende eines kurzen Flurs, der links vom Foyer im Erdgeschoss abgeht, liegt die Zahnarztpraxis. In dem drei mal vier Meter großen Raum hat Zahnärztin Adriana van der Poel jeden Mittwoch und Donnerstag zwischen 10 und 12 Uhr ihre Sprechstunde – und das seit sechs Jahren. Dienstags kümmert sich eine andere Zahnärztin um die Obdachlosen. Beide Frauen arbeiten auf ehrenamtlicher Basis.
Zahnfleischentzündungen sieht die Niederländerin Adriana van der Poel häufig bei ihren Patienten. „Manchmal müssen auch Zähne gezogen werden oder es ist eine Wurzelkanalbehandlung nötig“, fügt die Zahnärztin im Ruhestand hinzu. Füllungen zu legen und Zahnstein zu entfernen, gehöre außerdem zur Tagesordnung.
Dank des ehrenamtlichen Engagements eines Zahntechnikers können Obdachlose im Gesundheitszentrum auch Prothesen und Teilprothesen bekommen. „Ein anderer Techniker hat uns angeboten, Kronen zu machen, aber da gibt es leider kaum Bedarf“, sagt die Zahnärztin.
Implantate zählen nicht zum Versorgungsspektrum. Das könne sich das Zentrum nicht leisten, so van der Poel. Außerdem müssten die Patienten dafür lange begleitet werden – viele Obdachlose würde das überfordern, erklärt die Zahnärztin: „Einige haben auch Drogenprobleme, das erschwert eine Behandlung über mehrere Termine zusätzlich.“ Van der Poel legt großen Wert darauf, den Patienten zu erklären, wie sie ihre Zähne richtig putzen und mit Zahnseide pflegen können: „Ich finde es wichtig, ihnen das mit auf den Weg zu geben. Wer auf der Straße lebt, kann das sicherlich nicht regelmäßig machen. Aber zumindest sitzt die Theorie und man kann sich darum kümmern, wenn sich eine Gelegenheit bietet.“
Unterstützung willkommen
Die Niederländerin arbeitet gerne für das Gesundheitszentrum. „Ich wollte mich hier engagieren, weil ich denke, solange man selber gesund ist und mit seinen Kenntnissen anderen helfen kann, sollte man das auch tun.“ Zahnärzte, die im Gesundheitszentrum mitarbeiten wollen, seien immer willkommen, betont sie. Schließlich wisse man nie, wann jemand ausfällt. „Je mehr Leute wir sind, desto besser“, findet van der Poel. Das gelte auch für Spender zahnmedizinischer Geräte und Materialien. Im vergangenen Jahr hat die Weihnachtsspendenaktion einer Berliner Zeitung die Praxis einen großen Schritt nach vorn gebracht. „Mit dem Geld konnten wir eine neue Behandlungseinheit anschaffen“, berichtet die Zahnärztin. Aber auch kleinere Spenden wie Bestecke oder Zahnputz-Utensilien seien willkommen. „Mein großer Traum ist ja, dass uns jemand ein Elektrotom spendet“, verrät die Niederländerin. Auf Platz zwei ihrer Wünsche steht ein Hirtenstab.
Medizinisch gut aufgestellt
Im Gesundheitszentrum können Obdachlose viele weitere medizinische Angebote nutzen. In der Arztpraxis, die an Werktagen von 8 bis 15 Uhr und freitags bis 14 Uhr geöffnet hat, werden die Patienten unter anderem allgemeinmedizinisch behandelt. Außerdem stehen ein Hautarzt, ein Internist, ein Augenarzt und ein Orthopäde zur Verfügung. Einmal pro Woche können die Patienten zur psychologischen oder Suchtberatung gehen. Breit aufgestellt ist das Zentrum auch im nicht-medizinischen Bereich: Zwei Anwälte beantworten ehrenamtlich rechtliche Fragen und eine Sozialarbeiterin hilft den Obdachlosen unter anderem dabei, wieder eine Wohnung zu finden. Einmal pro Woche bietet eine Friseurin ihre Dienste kostenlos an, jeden Tag geöffnet haben die Suppenküche, in der Frühstück und Mittagessen serviert werden, und die Kleiderkammer, die Besucher mit frischer Kleidung versorgt.
Susanne Theisen, Freie Journalistin in Berlin, info@susanne-theisen.de
Info
Anmerkung der Bundeszahnärztekammer
Soziales und gesellschaftliches Engagement der deutschen Zahnärzte, was ist das? Viel zu wenig ist bekannt, dass unser Berufsstand sich seit Jahren für Notleidende und Hilfsbedürftige einsetzt, vor der eigenen Haustür bis in die fernsten Notgebiete unserer Welt. Mit großem persönlichen Einsatz und beträchtlichen Mitteln – über 100 Millionen Euro in den letzten 20 Jahren – helfen Kollegen uneigennützig und ehrenamtlich, Hilfe zu leisten und Not zu lindern, wo immer es vonnöten ist. Dieser Bericht hier steht stellvertretend für Hunderte von ehrenamtlichen zahnärztlichen Helfern, wie die Koordinierungskonferenz der deutschen Zahnärztlichen Hilfswerke in Köln eindrucksvoll belegt hat. Es gilt allen, die sich seit Jahren weltweit ehrenamtlich für Notleidende einsetzen, großen Dank zu sagen! Interessenten können sich an die entsprechende zuständige Landeszahnärztekammer wenden.
Dr. Wolfgang Schmiedel, BZÄK-Referent für soziale Aufgaben