Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
schauen Sie auch demonstrativ weg, wenn Ihre Mitmenschen an Kassen, Postschaltern oder Geldautomaten persönliche Daten eingeben? Halten Sie in Wartezonen grundsätzlich Abstand? Und wie steht es um diese Möglichkeiten in Ihrem eigenen Umfeld? Ist Ihre Praxis für die Persönlichkeitsrechte Ihrer Patienten gewappnet?
Diskretion zu wahren, ist keine überkommene Höflichkeit. Dass es Menschen gibt, die sich angesichts allgegenwärtiger Datenspeicherungsskandale oder zunehmender Cyberkriminalität frustriert in ihr Schicksal fügen, ist kein Argument gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Selbst wenn die Teilnahme an virtuellen Gemeinschaften, deren Betreiber die Daten ihrer Nutzer für unternehmerische Zwecke verwenden, heute als „hip“ gilt, rechtfertigt das nicht den unverfrorenen Blick Dritter in unser Privatleben oder den Griff in unser digitales Portmonaie. Das widerspricht unseren garantierten Freiheiten, gehört deshalb rigoros bekämpft. Wir haben letztlich auch keine andere Wahl. Denn ein Rückzug aus dieser virtuellen Welt – manchem digitalen Bilderstürmer mag sie vorschweben – ist für die meisten unter uns heute weder sinnvoll noch umsetzbar.
Also bleibt im Datenschutz angesichts weiter wachsender Möglichkeiten der virtuellen Welt in den kommenden Jahren noch einiges zu tun. Nicht Ablehnung, sondern sachbezogener Widerstand ist hier berufsständische Maxime. Die Heilberufe wissen das. Die gewissenhafte Handhabung von Persönlichkeitsrechten im Gesundheitswesen, die Einhaltung und Umsetzung der ärztlichen Schweigepflicht sind nicht „peanuts“. Für die Erhaltung pseudonymisierter Daten haben die Heilberufe in den vergangenen Jahren konsequent dann ihre Stimme erhoben, wenn Patienten-, Persönlichkeitsrechte oder auch die Privatsphäre in Gefahr gerieten. Diese frühzeitige Auseinandersetzung mit allem, was dem gläsernen Patienten Vorschub leisten konnte, hat die Heilberufe und ihre Patienten vor Fehlentscheidungen bewahrt.
Als in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts Mikro-Computer mit komplizierten DOS-Betriebssystemen antraten, mittels ominöser Ketten von Einsen und Nullen die Büroarbeit zu revolutionieren, dachte kaum jemand an Web 3.0, NSA oder die Beachtung von Datenschutzgesetzen. Aber es rechnete auch kaum jemand mit den Chancen und Möglichkeiten, die die virtuelle Welt uns allen bieten kann. Da geht der Weg lang. Aber auch die Digitalisierung unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt nicht von früheren technischen Revolutionen.
Sie ist dazu da, den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. In einem wirklich goldenen digitalen Zeitalter entscheiden wir und unsere Umgangsweise mit der Technik, was gehen kann und was nicht.
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur