Der besondere Fall mit CME

Das enorale Melanom

Eine 92-jährige Patientin wurde mit Schwellung und Verfärbung der Mundschleimhäute zur weiteren Diagnostik und Therapie vom Zahnarzt überwiesen. Die Patientin berichtete, dass sie vor drei Monaten zunächst eine Schwellung und im weiteren Verlauf beim Blick in den Spiegel eine deutliche Verdunkelung der Schleimhaut bemerkt hat.

Außer kardialen Vorerkrankungen ergab die Anamnese keine Auffälligkeiten. Bei der Inspektion der Haut fielen mehrere Lentigines seniles sowie ausgeprägte seborrhoische Keratosen auf. Die Patientin gab an, dass sie in ihrer Kindheit häufiger in der Sonne gewesen sei, weitere vermehrte Sonnenexpositionen verneinte sie. Eine hautärztliche Abklärung sei nicht erfolgt.

Die enorale Inspektion zeigte eine noduläre, braun-schwarze Veränderung der vestibulären Gingiva in regio 13 bis 22, die Papillen durchsetzend sowie palatinal bis in den weichen Gaumen reichend (Abbildung 2). Die Zähne in dieser Region zeigten Lockerungen II. bis III. Grades (Abbildung 3).

In einer direkt durchgeführten Probebiopsie, wurde die Verdachtsdiagnose eines malignen Melanoms bestätigt. Die Tumordicke nach Breslow betrug vier Millimeter und entsprach dem Clark-Level IV. Die Mitoserate wurde mit einer Mitose/mm 2 angegeben.

In der Computertomografie von Kopf-Hals, Thorax und Abdomen waren mehrere vergrößerte Lymphknoten erkennbar (Abbildung 4). Zusätzlich zeigte sich eine kontrastmittelaufnehmende, inhomogene Raumforderung im Bereich der Schilddrüse sowie eine pulmonale knotige Veränderung im Bereich des basalen Mittellappens. Bereits zum Zeitpunkt des Wiedervorstellungstermins zur Besprechung des histopathologischen Ergebnisses war es zu einem deutlichen Progress gekommen (Abbildungen 5 und 6).

Im interdiszipliären Tumorboard mit Dermatologie, Strahlenklinik sowie Hämatoonkologie wurde bei dem weit fortgeschrittenen Stadium mit der massiven Ausdehnung des Tumors und auch vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Alters eine palliative Therapie mittels lokaler Bestrahlung beschlossen, der die Patientin sowie deren Angehörige zustimmten. Leider entwickelten sich kurz nach der Radiatio multiple zervikale Metastasen (Abbildung 7). Eine weiterführende Therapie wurde durch die Patientin nicht mehr angenommen.

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Diskussion

Mit einem Anteil von rund einem Prozent aller malignen Melanome sind Schleimhautmelanome äußerst selten. Sie treten bevorzugt in der Kopf-Hals-Region auf (55 Prozent), wobei zumeist die Mund- sowie die Nasen- und die Nasennebenhöhlen befallen werden. Pharynx sowie Konjunktiva sind weitere mögliche Lokalisationen [Chang AE, Karnell LH, Menck HR, 1998].

Im Gegensatz zur rapide steigenden Inzidenz kutaner Melanome scheint die Zahl der oralen malignen Melanome (OMM) allerdings gleichbleibend zu sein. Während OMM in der kaukasischen Bevölkerung etwa ein Prozent aller Melanome ausmachen, liegt der Anteil in der japanischen Bevölkerung bei 7,5 Prozent [McLean N, Tighiouart M, Muller S, 2008]. Patienten aller Altersklassen werden betroffen, ein Auftreten vor dem 30. Lebensjahr ist jedoch selten. Der Durchschnitt liegt bei 60 Jahren mit einer leichten Prädominanz männlicher Patienten [McLean N, Tighiouart M, Muller S, 2008].

Die Ätiologie der OMM ist ungeklärt. Von der Neuralleiste abstammend migrieren Melanozyten während der Embryogenese in Haut, Haarfollikel, Retina und Schleimhäute. Während Melanozyten der Haut einen protektiven Effekt gegen Sonneneinstrahlung zeigen, ist die exakte Funktion der Zellen innerhalb der Schleimhäute unklar [Hicks MJ, Flaitz CM, 2000].

Ein Risikofaktor für das Auftreten des OMM konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Zwar scheinen die meisten OMM de novo zu entstehen, jedoch konnten Studien zeigen, dass bei circa 30 Prozent der Patienten orale Pigmentierungen, beispielsweise als orale Melanose, für Monate bis zu einigen Jahren im Voraus bestanden [Hicks MJ, Flaitz CM, 2000].

Physiologische melanozytäre Pigmentierungen der oralen Mukosa erschweren zudem die Diagnose eines OMM. Sie treten häufig bei dunkler pigmentierten Menschen auf. Weitere Differenzialdiagnosen sind Amalgamtätowierungen, Pigmentierungen im Rahmen vom Peutz-Jeghers-Syndrom, beim Morbus Addison, beim Karposi-Sarkom und bei weiteren Erkrankungen.

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Initiales Symptom der OMM

Initiales Symptom der OMM ist zumeist eine pigmentierte Schwellung. Die Oberfläche des Tumors kann intakt sein oder Ulzerationen aufweisen. Auch die Koloration zeigt deutliche Unterschiede und kann zum Beispiel beim amelanotischen enoralen Melanom vollständig fehlen. Andere Symptome sind beispielsweise Blutungen, Schmerzen oder auch Zahnlockerungen [Hicks MJ, Flaitz CM, 2000].

Weder die Leitlinie der AJCC (American Joint Committee on Cancer) noch die 2013 erschienene S3-Leitlinie der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften,) zum malignen Melanom beinhalten umfangreiche Empfehlungen für das OMM. Während für kutane Melanome zur Diagnose die Exzisionsbiopsie mit einem Sicherheitsabstand von zwei Millimetern empfohlen wird [AWMF DKeVuDK, 2013], erschweren häufig anatomische Grenzen die entsprechende Exzision eines enoralen Befunds, dementsprechend gibt es keine einheitlichen Therapieempfehlungen.

Bezüglich der chirurgischen Exzision eines histologisch gesicherten Melanoms der Mundhöhle wird empfohlen, dies mit einem Sicherheitsabstand von 1,5 cm zu resezieren [Mohan M, Sukhadia VY, Pai D, Bhat S, 2013]. Auch bei der Therapie der lokoregionären Lymphknoten gibt es keine allgemein anerkannte Therapierichtlinie. Bei suspektem Lymphknotenstatus in der Sonografie oder in der Tomografie sollte eine zusätzliche Lymphadenektomie durchgeführt werden. Die prophylaktische Lymphadenektomie jedoch wird von den meisten Autoren nicht empfohlen. Sollte ein Befund nicht resektabel sein, ist die Bestrahlung die effektivste Therapiemöglichkeit [Mohan M, Sukhadia VY, Pai D, Bhat S, 2013].

Die Prognose des OMM ist mit einer Fünfjahresüberlebensrate von im Mittel 13 bis 20 Prozent bei einer mittleren Überlebenszeit von 28 Monaten sehr schlecht. Als Hauptursache hierfür werden das häufig unbemerkte Wachstum und die Manifestation in einem deutlich fortgeschrittenen Stadium angeführt. Unterschiedliche prognostische Faktoren sind für das OMM diskutiert worden, wobei die meisten Autoren sich darauf zurückziehen, dass das klinische Staging zum Zeitpunkt der Erstvorstellung am wichtigsten sei. Tumordicke, Lymphknotenmetastasen, Ulzerationen und Tumorlokalisation sind weitere unabhängige Risikofaktoren, so ist die Prognose eines Melanoms am Gaumen schlechter als zum Beispiel im Bereich der Gingiva [Mohan M, Sukhadia VY, Pai D, Bhat S, 2013].

Im vorliegenden Fall präsentierte sich die Patientin mit einem bereits weit ausgedehnten Melanom, das innerhalb kürzester Zeit eine deutliche Progredienz zeigte, mit Entwicklung multipler Metastasen im Bereich des Halses innerhalb nur weniger Wochen.

Roman K. Rahimi-NedjatDr. Dr. Keyvan SaghebPD Dr. med. Dr. med. dent. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg UniversitätAugustusplatz 255131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

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