Wir müssen reden
„Mich interessieren vor allem ihre Erwartungen an den Beruf“, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), zur Eröffnung eines Infotages zum Thema Niederlassung Anfang November in Berlin. Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit in Gemeinschaftspraxen würden immer wichtiger werden. „Ich selbst habe vor meinem Einstieg in die Politik als Anwalt gearbeitet“, erzählte Gröhe den Studierenden im CharitéCross-Over, dem Lehr- und Forschungszentrum der Klinik. Dadurch sei ihm die Freiberuflichkeit durchaus vertraut. Doch man müsse auch akzeptieren, wenn sich das Berufsverständnis verändert. Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz, das beispielsweise den Ausbau von Medizinischen Versorgungszentren vorsieht, wolle man auch auf die Wünsche der jungen Mediziner eingehen.
Aus diesem Grund treffe er sich auch regelmäßig mit Antonius Ratte, dem Koordinator der AG Medizinische Ausbildung der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Gröhe sagte, wichtig sei ihm hierbei vor allem die bessere Integration von Allgemeinmedizin in das Studium. Gerne würde er einen längeren Pflichtabschnitt für Allgemeinmedizin in den Regelmedizinstudiengängen installieren, wie in einigen Reformstudiengängen schon praktiziert. Ratte sprach sich jedoch in der anschließenden Podiumsdiskussion über die Inhalte des Medizinstudiums gegen eine Verpflichtung zu mehr Allgemeinmedizinanteilen aus. Er plädierte hingegen für mehr Wahlmöglichkeiten zwischen allgemein „operativen“ und „konservativen“ Fächern.
Streit um den Abbau von Überversorgung
Ein weiteres wichtiges Thema war die Versorgungssicherheit in ländlichen Regionen. Gröhe erläuterte, dass der geplante Abbau von Arztsitzen in überversorgten Gebieten keine Abschreckung für Niederlassungswillige darstellen soll. Man wolle lediglich eine bessere Verteilung der Ärzte in die sozialen Brennpunkte in den Großstädten und auf dem Land. Zudem stellte der Minister klar: „Die Aufkäufe von Arztsitzen bewegen sich noch im homöopathischen Bereich.“
Der Minister reagierte damit auf die Kritik des Vorstandsvorsitzenden der KBV, Dr. Andreas Gassen, der glaubt, dass ein Abbau beziehungsweise ein Zwangsaufkauf von Arztsitzen junge Mediziner daran hindern würde, sich niederzulassen. Natürlich sei es die Aufgabe der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen für eine Niederlassung, insbesondere auf dem Land, zu schaffen, räumte Gröhe ein. Instrumente wie der Landarztzuschuss oder die vom Sachverständigenrat angeregten lokalen Gesundheitszentren seien gute erste Schritte.
Negatives Medienbild von der Niederlassung
Um mehr junge Mediziner für eine Niederlassung auf dem Land zu begeistern, hat die KBV schon vor einiger Zeit die Kampagne „Lass Dich nieder“ gestartet. Robin Charlotte Rätz ist eines der Gesichter der Kampagne – sie unterstützt die Werbeaktion und stellte sich während der moderierten „Sprechstunde“ den Fragen der Studierenden.
Sie selbst habe sich aus Überzeugung für die Selbstständigkeit entschieden: „Man ist unabhängig, hat keinen Chef und kann sich seine Zeit selbst einteilen.“
Karin Rettkowski ist Niederlassungsberaterin der KV Brandenburg. Sie ärgert sich über die Darstellung von Hausärzten in den Medien. „Das vermittelte Bild ist ziemlich schlecht, wir müssen da viel aufklären.“ Es gehe nicht darum, Dinge zu beschönigen, bloß um eine richtige Darstellung der Fakten.
Gassen erinnerte in der Diskussion daran, die Lage der Versorgung auch nicht zu überdramatisieren. Niemand solle in die eigene Praxis gezwungen werden. Und es solle auch nicht der Eindruck erweckt werden, dass als niedergelassener Arzt alles immer problemlos läuft. „Niederlassung ist nicht nur Ponyhof“, brachte es der KBV-Mann auf den Punkt. Hinsichtlich der Frage eines Studenten nach dem Frustpotenzial in den verschiedenen Berufsformen, antwortete Gassen, dass es natürlich in allen Formen gelegentlich mal Frust gebe. Zudem seien die Ursachen hierfür ohnehin sehr individuell. Für den einen sei eine verpatzte Diagnose ärgerlich, der andere hadere mit der Abrechnung. Der Vorteil als Selbstständiger sei jedoch, dass man die Frustrationspunkte selbst setzen könne.
Gassen sprach auch aus persönlicher Erfahrung: Er selbst habe zunächst zehn Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet, bevor er sich in einer Gemeinschaftspraxis in Düsseldorf niederließ. Ob Praxis oder Klinik, die beste Voraussetzung ein guter Arzt zu sein, sei aber, „dass man mit seiner Arbeit glücklich ist“.