Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Subsidiarität ist ein fester Bestandteil unserer Demokratie. Trotzdem ist und bleibt die Diskussion um gelebte Selbstverwaltung ein wohl nicht auslöschbarer politischer Dauerbrenner. Typisch deutsch?
Sicher ist: Organisierte Interessenvertretung hat, fernab von den Kindertagen deutscher Vereinsmeierei, gerade in dieser Republik eine enorme Entwicklung genommen. Berufständische Organisationen und Verbände haben maßgeblich dazu beigetragen.
Letztlich ist die Ausgestaltung unserer Sozialpolitik – und damit jegliche Form sozialer Versorgung – ohne subsidiarisierte Koordination gar nicht leistbar. Das Gesundheitswesen – übrigens einer der kräftigsten und zukunftsträchtigsten Beschäftigungsmotoren unserer Gesellschaft – basiert auf genau diesem Prinzip berufständischer Selbstverwaltung.
Grund genug, das nicht nur zu tolerieren, sodern aktiv dafür einzustehen. Denn als Element gelebter Demokratie ist es unverzichtbar. Gerade gegen divergente Einzelinteressen gehört es selbstbewusst verteidigt.
Dass die Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige und flächendeckende (zahn-)/medizinische Versorgung in Deutschland angesichts immer größerer Herausforderungen zunehmend komplexer werden, spricht dafür, die Planung und weitere Entwicklung in diesen professionellen Händen zu belassen. Deutschlands Zahnärzten ist es jedenfalls gelungen, in Eigenveranwortung ihrer Versorgungsaufgabe nachzukommen. Und noch mehr: Sie konnten die Qualität dieser Versorgung maßgeblich steigern.
Die jeweils anstehenden gesellschaftspolitischen Herausforderungen geht man konsequent an – immer im Sinne einer doppelten Interessenwahrung: für den eigenen Berufsstand und für die Patienten. Typisch deutsch? Sicherlich eine vorzeigbare Erfolgsbilanz.
Daraus zu schließen, die von ihren Mitgliedern gewählten Interessenvertreter könnten die gestellten Aufgaben ohne Störmanöver aus den eigenen Reihen angehen, ist – zumindest in unserer Gesellschaft – allerdings wirklichkeitsfremd. Eine Diversität der Interessenlagen, seien es auch nur die Bedenken Einzelner, kann das verhindern. Auch das ist – leider – Bestandteil gelebter Demokratie.
Erfreulich ist vor diesem Hintergrund die Beharrlichkeit, mit der an für gut befundenen und beschlossenen Ideen gearbeitet wird. Ob gegen uneinsichtige Krankenkassen, wie im Bereich von Prävention und Pflege, oder gegen individuell motivierte, aber lautstarke Kritik aus dem Berufsstand, wie in der Auslegung der GOZ-Novelle: Der vom Berufsstand gewählte Interessenvertreter ist auf steinigem Weg unterwegs. Der Trost: Im Nachhinein erweisen sich viele aus eigenen Kreisen kritisierte Neuerungen als richtig. Dann gilt: Spät ist besser als nie!
Mit freundlichem Gruß
Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur