Statt Zusatzversorgung droht massive Verschuldung!
Schon seit Ende der 90er-Jahre bestehen erhebliche Unsicherheiten über die Entwicklung der berufsständischen Altersvorsorge. Viele Heilberufler hatten darauf reagiert und sich nach alternativen Vorsorgemöglichkeiten umgesehen. Diesen Trend machte sich unter anderem die Schnee-Gruppe zunutze. Sie umwarb in eigens organisierten Veranstaltungen speziell Ärzte und Zahnärzte und pries diesen die „Sicherheitskompakt-Rente“, später umbenannt in „Schnee-Konzept-Rente (SKR)“, als Ergänzung zur gesetzlichen Rente an.
Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes gehebeltes Rentenmodell, bei dem über ein Bankdarlehen sowohl eine Einmalzahlung in eine kapitalbildende Versicherung (Finanzierungsmodul) als auch in eine Rentenversicherung (Rentenmodul) finanziert wurden. Während der Darlehenslaufzeit sollten die Darlehenszinsen aus den Auszahlungen des Rentenmoduls beglichen werden.
Nach 15 Jahren sollte das Darlehen abbezahlt sein
Das Finanzierungsmodul hingegen sollte so viel Kapital erwirtschaftet haben, dass schon nach 10 bis 15 Jahren mit dem dann entstandenen Rückkaufswert das komplette Darlehen zurückgezahlt werden konnte. Anschließend sollten die zumeist lebenslangen und vererblichen Auszahlungen aus der Rentenversicherung zur freien Verfügung stehen und die Rente aufbessern. Nach den Darstellungen der Schnee-Gruppe sollten die einzelnen Module des Rentenmodells so aufeinander abgestimmt sein, dass es sich um einen Selbstläufer handelt. Bis auf einen anfänglichen moderaten Eigenkapitalanteil waren keine weiteren nennenswerten Zuzahlungen vorgesehen. Vor allem die Darlehensrückzahlung sollte ausweislich der Modellrechnungen allein durch die Wertentwicklung der Versicherung mit Kapitalwahlrecht gesichert sein.
Anfangs fanden als Finanzierungsmodul in der Regel die sogenannten „Wealthmaster“- und „Wealthmaster Noble“-Policen der Clerical Medical Investment Group Ltd. (CMI) Verwendung. Ab 2006 stellte die Schnee-Gruppe die Modelle dann allerdings zunehmend auf die „Generation Private“-Police der Canada Life Assurance Europe Ltd. (Canada Life) um, eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht.
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Ausländische Versicherer – andere Regeln
Die Eigenheiten dieser Versicherungen, insbesondere die Investition der Einzahlung in Anteile, das Verfahren der Wertzuschreibung und die Kostenstruktur, unterscheiden sich erheblich von derjenigen der üblichen deutschen Produkte. Gerade in Zeiten sinkender Renditen kann das Zusammenspiel dieser Faktoren dazu führen, dass faktisch und über die Einzahlungssumme gerechnet noch nicht einmal die vertraglich zugesagte Mindestverzinsung erreicht wird.
Hierüber klärten die Vermittler jedoch nicht auf. Sie rechneten stattdessen mit – von der Versicherung vorgegebenen oder zumindest gebilligten – hohen Renditeangaben aus vergangenen goldenen Zeiten. Nur auf diese Weise erreichten sie in den Modellrechnungen die Wertzuwächse, die zur Rückführung der Darlehen notwendig war. Dass diese Modellrechnungen auf tönernen Füßen standen, war für die Kunden nicht ersichtlich. Nicht einmal die oft zwecks Überprüfung der Modellrechnung einbezogenen Steuerberater der Kunden erkannten die verborgenen Risiken.
Die Finanzierung der Einmalzahlungen übernahmen anfangs häufig Landesbanken. Diese zogen sich jedoch nach einigen Jahren angesichts der schon bald erkennbaren Risiken aus dem Geschäft zurück. An ihre Stelle traten insbesondere in den letzten Jahren häufig Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die sich das gute Geschäft nicht entgehen ließen und die den Kunden nicht nur Darlehen in Euro oder Fremdwährung, sondern dazu oft auch noch Swaps verkauften.
Die Risiken der Finanzierung über Fremdwährungen und die mit dem Swap verbundenen Nachteile eines Barwertausgleichs bei vorzeitiger Kündigung wurden kaum thematisiert. Den Anlegern wurde das Modell vielmehr als „sichere Sache“ präsentiert.
Den Letzten beißen die Hunde
Doch dann kam alles anders. Schon während der Finanzierungsphase sanken die Auszahlungen aus den abgeschlossenen Rentenversicherungen, so dass diese zur Bedienung der Darlehenszinsen nicht ausreichten. Dies galt umso mehr, wenn die Finanzierung – wie häufig – in Schweizer Franken abgeschlossen wurden. Die Anleger mussten die Differenz aus eigener Tasche aufbringen. Lag dem Geschäft ein Swap zugrunde, waren hohe monatliche Ausgleichszahlungen zu leisten. Das ganze finanzielle Desaster offenbart sich jedoch erst bei Darlehensfälligkeit: Auch die Wertentwicklung des Finanzierungsmoduls reicht nämlich nicht annähernd aus, um das aufgenommene Darlehen zurückzuführen. Es bleibt also nur die Möglichkeit, erneut eigene Mittel zuzuschießen.
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Anleger verlieren sechsstellige Summen
Sofern dies nicht aus dem vorhandenen Vermögen möglich ist, muss entweder eine Bank gefunden werden, die – selbstverständlich gegen die Gewährung weiterer Sicherheiten und gegen entsprechende Zinsen – den offenen Betrag umschuldet.
Oder man hofft, dass die Rentenversicherung den Vertrag kulanterweise auflöst und der Barwert der Rentenzahlungen ausreicht, um die Deckungslücke zu schließen. Damit ist natürlich die eingeplante Altersvorsorge verloren. Übrig bleiben nur erhebliche finanzielle Verluste: Der Zinsschaden und die klaffende Deckungslücke summieren sich gerne auf deutlich sechsstellige Summen.
BGH verurteilte CMI wegen Falschberatung
Zu den Modellen unter Einbindung der CMI hatte der BGH schon in 2012 in aufsehenerregenden Entscheidungen festgestellt, dass über die Besonderheiten der Versicherungspolicen vor Abschluss der Modelle aufzuklären war. Eine falsche Anlageberatung durch die damaligen Vermittler sollte der Versicherung zuzurechnen sein. Auf dieser Grundlage hat inzwischen eine Vielzahl von Landgerichten und Oberlandesgerichten CMI zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
Hoffnung gibt es jetzt allerdings auch für die Anleger, die das Modell unter der Einbindung einer Police der Canada Life abgeschlossen haben. Hier hat sich nämlich das für den Sitz der Versicherung zuständige Gericht, nämlich das OLG Frankfurt am Main (Zivilsenate Darmstadt), dahin gehend geäußert, dass es die Grundsätze der Rechtsprechung zu den CMI-Fällen auch auf die Anlageberatung zu den Policen der Canada Life für anwendbar hält. Ausschlaggebend für diese Einschätzung waren im konkreten Fall unter anderem die umfangreichen Zeugenaussagen über die enge Zusammenarbeit der Schnee-Gruppe mit der Canada Life. Es bestehen damit – selbstverständlich vorbehaltlich einer Prüfung des konkreten Sachverhalts – gute Aussichten, auch Canada Life wegen des entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen.
Bestehen Schadensersatzansprüche gegenüber Canada Life, so können diese in der Regel auch den Erfüllungsansprüchen des Finanzierungsinstituts entgegen gehalten werden, da es sich bei Darlehen und Versicherungsvertrag nach Ansicht der meisten Gerichte um verbundene Geschäfte handelt. Zudem kommt hier gegebenenfalls auch heute noch ein Widerruf der Vertragserklärungen in Betracht, die zum Abschluss des Darlehens geführt haben. Hat nämlich die Bank nicht ordnungsgemäß über die Widerrufsrechte bei verbundenen Geschäften belehrt, wurden die Widerrufsfristen nicht in Lauf gesetzt.
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Geschädigte müssen jetzt schnell reagieren
Es bestehen also verschiedene Angriffspunkte, die heute noch eine Trennung vom gescheiterten Rentenmodell ermöglichen können. Allerdings dürfen Geschädigte mit der Prüfung und Geltendmachung von Ansprüchen nicht mehr lange warten: Hier ist nicht nur die absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren nach Vertragsschluss zu beachten, sondern auch die sogenannte kenntnisabhängige Verjährung von drei Jahren – gerechnet ab Jahresschluss nach Kenntnisnahme von bestehenden Ansprüchen. Und es ist nicht auszuschließen, dass die Kenntnis über etwaige Schadensersatzansprüche gegenüber der Versicherung bereits mit der Ver- öffentlichung der Urteile in 2012 vermutet wird. In diesem Fall träte die Verjährung also bereits Ende 2015 ein, so dass rechtzeitig vor Jahresende verjährungshemmende Maßnahmen eingeleitet werden müssen.
Gesa DenekeRechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und KapitalmarktrechtZeil 79, 60313 Frankfurtgdeneke@deneke-recht.de