Halslipom und Stafne-Zyste
In der klinischen Untersuchung präsentierte sich eine weiche, subkutan lokalisierte Masse, die zum umliegenden Gewebe frei beweglich war (Abbildung 1). In der weiterführenden bildgebenden Untersuchung mittels B-Mode-Sonografie zeigte sich eine scharf begrenzte, komprimierbare, walnussgroße Raumforderung im subcutanen Fettgewebe oberhalb der Muskulatur mit inhomogenem Binnenecho und dorsaler Schallverstärkung. Eine gesteigerte Durchblutung war im Doppler-Mode nicht nachweisbar (Abbildung 2).
In einer Panoramaschichtaufnahme sah man nebenbefundlich eine rundovale, scharf begrenzte Transluzenz auf Höhe des Nervkanals im rechten Kieferwinkel ohne dentogenen Bezug (Abbildung 3). Die Verdachtsdiagnose einer Stafne-Zyste bestätigte sich in der digitalen Volumentomografie, in der eine scharf begrenzte knöcherne Einziehung lingualseitig nachweisbar war (Abbildung 4).
Über einen submandibulären Schnitt wurde der Weichteiltumor im Kieferwinkel dargestellt und unter Schutz und Erhalt des Ramus marginalis des Nervus facialis in toto entfernt (Abbildung 5). Die histopathologische Aufbereitung zeigte lipomatöses Gewebe mit lobuliertem Aufbau sowie zarter fibröser Septierung ohne Nachweis von Nekrosen, Mitosen oder Atypien und erbrachte die Diagnose eines Lipoms vom lipomatösen Typ (Abbildungen 6 und 7).
Diskussion
Die Stafne-Zyste (Synonym: statische, latente oder idiopathische Knochenhöhle) ist nach ihrem Erstbeschreiber im Jahr 1942, Edward C. Stafne, benannt. Es handelt sich dabei um eine linguale Einziehung der Kompakta im Bereich des Kieferwinkels, die in der Panoramaschichtaufnahme eine zystische Raumforderung in der Mandibula vortäuscht, aber keine Zyste im eigentlichen Sinn darstellt und keinen Krankheitswert besitzt.
Die Pathogenese ist nicht klar, vermutet werden unter anderem eine Druckatrophie durch die Glandula submandibularis oder eine entwicklungsbedingte Störung durch Einschluss eines Teils der Glandula submandibularis. In etwa einer unter 1.000 Panoramaschichtaufnahmen findet sich eine derartige Veränderung. Bei klassischer Konstellation und suffizienter radiologischer Abklärung kann in den allermeisten Fällen auf eine chirurgische Abklärung verzichtet werden.
Heutzutage bietet sich neben der Computertomografie die digitale Volumentomografie für die Diagnostik an. In der Regel wird eine „wait and see“-Strategie verfolgt, nur in Einzellfällen ist bei atyischer Lage der Stafne-Zyste eine chirurgische Intervention zur histologischen Abgrenzung zu anderen Kiefertumoren oder -zysten notwendig [Oikarinen, 1974; Naumann, 2002].
Lipome sind gutartige, aus reifen Adipozyten bestehende Tumore und repräsentieren die häufigste mesenchymale Neoplasie bei erwachsenen Patienten. Die neue WHO-Klassifikation der Weichteiltumore von 2013 hat zu keiner Veränderung der alten Klassifikation der lipomatösen Tumoren geführt. Auch wenn die Pathogenese von Lipomen nicht eindeutig geklärt ist, scheint das Retinoblastom-Gen offenbar eine zentrale Rolle bei der Tumorentstehung zu spielen [Fletcher, 2013].
Lipome sind gut umschriebene Tumore des subkutanen Fettgewebes, die aber auch in tiefen Geweben und in inneren Organen entstehen können. In bis zu fünf Prozent treten sie multipel auf, wobei der Rumpf und die Extremitäten am häufigsten betroffen sind. Lediglich 13 bis 15 Prozent aller Lipome sind in der Kopf-Hals-Region lokalisiert. Durch ihr langsames Wachstum und die oberflächliche Lokalisation sind sie meist asymptomatisch, können aber in Abhängigkeit von ihrer Lokalisation im Kopf-Hals-Bereich zu unterschiedlichen lokalisationsabhängigen Beschwerden wie Dysphagie, Globusgefühl und mehr führen.
Lipome der Kopf-Hals- Region unterscheiden sich hinsichtlich der Epidemiologie wenig von denen anderer Lokalisationen und treten selten im Kindesalter, sondern bevorzugt zwischen dem 40. und dem 60. Lebensjahr auf mit einer Präferenz für das männliche Geschlecht. Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion unter Erhalt der meist sehr dünnen Kapsel, um Rezidive zur vermeiden. Die Prognose ist als sehr gut zu bewerten. Nach vollständiger Exzision sind Rezidive extrem selten [Furlong, 2004; Zhong, 2004]
Dr. Dr. Keyvan Sagheb, PD Dr. med. Dr. med. dent. Christian Walter,Klinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg UniversitätAugustusplatz 2, 55131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de
Dr. Cristina CotareloInstitut für Pathologie der UniversitätsklinikLangenbeckstr. 1, 55131 Mainz